zeitrafferin
Julia Seeliger-
17. April 2009 | 40 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
Einen besseren Zeitpunkt hätte sich Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen kaum aussuchen können – am Freitag nach Ostern hat die CDU-Politikerin der Offenen Netzgesellschaft ein faules Ei ins Nest gelegt.
In Zusammenarbeit mit den Providern Alice (Hansenet, AOL), Telekom, Arcor, Kabel Deutschland, O2 und Vodafone – diese kontrollieren 75 Prozent der Internetanschlüsse in Deutschland – soll eine Infrastruktur aufgebaut werden, mit der Webseiten, die Kinderpornografie anbieten, kurzfristig gesperrt werden können. Es handelt sich bei dem heute abgeschlossenen Deal um einen Vertrag der Provider mit dem Bundeskriminalamt (BKA) und nicht um ein Gesetz – eine demokratische Kontrolle der Sperrungen ist nicht notwendig. Das öffnet der Willkür Tür und Tor.
Denkbar ist, dass die Technik, die jetzt aufgebaut wird, zu einem Zeitpunkt in der Zukunft auch für die Sperrung anderer Seiten als solche mit kinderpornografischem Inhalt verwendet wird. Auch deswegen kritisieren Bürgerrechtsorganisationen wie der CCC den heute unterzeichneten Vertrag. Der CCC spricht davon, dass “die Internetausdrucker Ernst machen”
Der hier vorliegende Versuch des Bundesinnenministers, eine ´freiwillige´ Vorzensur ohne gesetzliche Grundlage zu schaffen, ist ungeheuerlich. Flankiert durch die Bundesfamilienministerin von der Leyen wird hier das Thema Kinderpornographie instrumentalisiert, um eine Zensurautomatik für Internetseiten einzuführen. Mit dem vorliegenden Vertragsentwurf wird nicht nur deutlich, dass das Bundesinnenministerium offenbar überhaupt kein Interesse an einer Strafverfolgung gegen die Täter hat, sondern eine geheime Infrastruktur für das Zensieren von Internetseiten plant,
sagte CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn bereits am 13. Februar 2009 anlässlich der Veröffentlichung des Vertragsentwurfes. Wem das als Verschwörungstheorie einiger Computerhacker vorkommt, dem lege ich das Zeit-Interview “Missbrauchsopfer kämpfen gegen Internetzensur” mit Christian Bahls ans Herz. Bahls ist als Kind selbst missbraucht worden und ihm kommt bei Von der Leyens Vorschlägen “das Essen hoch”, denn
…da ist irgendwo im Internet ein Missbrauch dokumentiert und die Bundesregierung schaut weg. Und sagt uns Bürgern, wir sollen auch wegschauen. Was noch viel krasser ist: Es werden zwischen den Staaten nur die Sperrlisten für die Filter ausgetauscht. Doch niemand bekämpft in seinem eigenen Land die Server, auf denen die Inhalte lagern.
Bahls sagt, er habe dem Familienministerium sogar – per Mail – einen ihm bekannten Fall von Kinderpornografie genannt – schnell passiert sei gar nichts, die Mail sei dann erst einmal einige Zeit zwischen unterschiedlichen Referaten des Ministeriums zirkuliert.
Bahls vermutet, genau wie der CCC, dass etwas anderes hinter Von der Leyens Initiative steckt
Es wird eine schleichende Internetzensur aufgebaut, keine Strafverfolgung. Das alles ist nur möglich, weil das Tabu Kinderpornografie instrumentalisiert wird: Das ist so böse, da darf man gar nicht offen drüber diskutieren. Das ist das gleiche Muster wie in den Familien, in deren Umfeld Missbrauch geschieht.
Die Instrumentalisierung hat funktioniert – bisher hat sich kein wirklich hochrangiger Politiker zu dem heute unterzeichneten Vertrag geäußert. Es existiert zwar ein Statement von Brigitte Zypries aus einer Anhörung im Bundestag, im Fernsehen habe ich aber bisher nur Vertreter der Provider und Aktivisten aus der Zivilgesellschaft Kritik üben sehen.
Das ist angesichts der gravierenden Einschnitte in die Freiheit des Internet, die heute auf den Weg gebracht wurden, ein Armutszeugnis für die parlamentarische Demokratie. In Wahlkampfzeiten ist das verständlich – verzeihlich ist es nicht.
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7. April 2009 | 108 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
“Jede Gesellschaft und jede Gesellschaftsschicht hat in der Vergangenheit die ihr gemäße Form der Familie, ihren sozialen und ökonomischen Möglichkeiten entsprechend, hervorgebracht. Werturteile verbieten sich von daher ebenso wie der nostalgische Wunsch nach der Familie der guten alten Zeit.”
Zitat von Ingeborg Weber-Kellermann, gefunden in “Familienleben in Deutschland” (PDF)
Am Mittwoch, den 8.April, werde ich von 21:45 bis 23:00 Uhr im Ersten zum Thema Familienpolitik bei “Hart aber Fair” zu sehen und zu hören sein. Mit dabei sind auch Joachim Fuchsberger, Gabriele Pauli, der Paartherapeut Friedhelm Schwiderski und Michaela Freifrau Heereman.
Die Gästefamilie bei Hart aber Fair
Sehnsucht Ehe, Endstation Scheidung –
wie viel Treue braucht der Mensch?Schutz für die Ehe verspricht der Staat und gibt Verheirateten einen Steuerrabatt. Weg damit, fordern Kritiker. Sie sagen: Die Ehe ist nur eine von vielen Formen der Partnerschaft und lebenslange Treue nur eine Illusion! Brauchen nur noch Kinder die heile Familie? Und was machen die Erwachsenen, wenn das Alter kommt?
Mein Anliegen ist es, in dieser Runde eine Lanze zu brechen für eine moderne, pragmatische Familienpolitik. Herzstück dieser Familienpolitik ist die Ergänzung der klassischen Ehe durch einen so genannten Familienvertrag.
Den Staat hat es nichts anzugehen, ob die Eltern einen Trauschein haben: Unser Leitbild ist die gesellschaftliche Akzeptanz und staatliche Neutralität in Bezug auf die verschiedenen gelebten Familienformen. Deswegen muss Schluss sein mit den Privilegien der Ehe, zum Beispiel dem Ehegattensplitting. Unser Ansatz ist es, Kinder direkt zu fördern und nicht die Möglichkeit, Kinder zu bekommen. Die Bevorzugung der Ehe führt auch zu materieller Ungleichheit. Familien jenseits der Ehe, vor allem Alleinerziehende und bildungsferne Familien, überwiegend mit Migrationshintergrund, sind besonders stark von Armut betroffen.
Wichtiges Ziel beim Familienvertrag ist es, die sozialen Eltern zu stärken, ohne die biologischen zu schwächen: Das geht nur mit Mehrelternschaften. Wir schlagen deswegen den Familienvertrag als neues familienrechtliches Institut vor, denn er ermöglicht mehr Flexibilität.
Ich hoffe, dass das Ganze nicht ausartet in ein “Jetzt erzählt jeder mal ein bisschen aus seinem persönlichen Leben und von seinen Beziehungen”, auch wenn sich dies im Vorgespräch ein wenig ankündigte. Gleichwohl ist von “Hart aber Fair” grundsätzlich Politik-Niveau zu erwarten – Lassen wir uns einfach überraschen.
sie und sie und er: Gemeinsame Verantwortung für die Kleinen und Schwachen
Weiterlesen
- Bundeszentrale für politische Bildung “Familienleben in Deutschland” (PDF)
- Genauere Interpretation der NICHD-Studie (Thema: Kinderbetreuung)
- Themenschwerpunkt “Familie” bei der grünen Bundestagsfraktion
- Zusammenfassung Beiträge zu “Monogamie ist keine Lösung”
- T-Shirt Kollektion “Monogamie ist keine Lösung”
- Der Familienvertrag – inklusive Beschluss der Berliner Grünen
- Beschluss der NRW-Grünen
- Gästebuch zur Sendung
- Die Sendung im Internet anschauen
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3. April 2009 | 21 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
Jochen Stay, Urgestein der Anti-Atom-Bewegung, hat mich heute angerufen und auf eine unterstützenswerte Aktion hingewiesen. RWE bzw. deren Werbeagentur Jung von Matt will verhindern, dass urgewald weiterhin eine Satire-Werbung zu RWEs Schummel-Ökostrom veröffentlicht hält. Ganz nebenbei eine schöne Detailinformationen zur Agentur “Jung von Matt”: Dort bezeichnet man Blogs offenbar gerne auch mal als “die Klowände des Internet”.
Hilf mit, die Werbungs-Satire weiter zu verbreiten und den Angriff auf die Meinungsfreiheit abzuwehren!
Das umstrittene Motiv - Bloggt das Atom-Trio!
Die Aufklärung über das dubiose RWE-Angebot “ProKlima Strom” durch .ausgestrahlt und die Umweltorganisation urgewald gefällt dem Atomkonzern ganz sicher nicht. Nun droht die RWE-Werbeagentur Jung von Matt mit Schadenersatzforderungen, Strafanzeige, Anwalts- und Gerichtskosten, falls urgewald das oben abgebildete Motiv weiter verwendet. Aber natürlich gehe es nicht darum, “Ihre Vereinsarbeit zu behindern, Ihrem Verein die Äußerung einer Meinung zu verbieten oder Ihren Verein mit Kosten zu belasten”, schreibt Herr Unsinn, Anwalt der RWE-Agentur…
Mitmachen: Das Atom-Trio bloggen
- Keine Ausreden, gleich bloggen: WordPress-Code für einen schnellen Artikel
- Worum geht es
- Die Drohung
- Was Du tun kannst
- Banner
- Das Motiv (in 800 Pixel Breite)
Mehr zu der Aktion erfahren bei .ausgestrahlt
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2. April 2009 | 10 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
Gerne hätte ich ein komfortabel bedienbares Plugin, das mir bei WordPress ermöglicht, automatisiert die Creative Commons Lizenz von Inhalten – insbesondere Bildern – anzuzeigen. WPLicense hat mich leider nicht so sehr überzeugt. Dies soll dann für meine Zwecke am besten unter dem Artikel, so wie in diesem Beispiel, angezeigt werden können.
Auf dem Wunschzettel: Automatisches Einfügen von Urheber und Lizenz
Dies würde ich am liebsten direkt im Bild-Uploader integriert sehen.
Wunschzettel: Bild-Upload bei WordPress mit Creative Commons
So sieht der Lizenz-Baukasten auf den Seiten von Creative Commons International aus.
Lizenzbaukasten auf creativecommons.org
So etwas, oder noch besser: Ein Klappmenu, in dem die unterschiedlichen Lizenzen angeboten werden, könnte man doch direkt beim Bild-Upload integrieren. Und, ganz wichtig: Ein Feld, in dem die Urheber-Person – mit Link – eingetragen werden kann. Sie muss außer bei der neuen Lizenz “Creative Commons Zero” immer genannt werden.
Bisher trage ich die Urheber- und Lizenzangaben händisch ein – das ist mühsam. Sicherlich sehen das auch andere Menschen so und verzichten deswegen darauf, den Reichtum Freier Kultur für ihre Zwecke zu benutzen – oder sie begehen gar Lizenzverletzungen. Außerdem wird die Lizenz nicht automatisch in den Quellcode – beim Bild – geschrieben, vielleicht würde sich dies ja auch noch realisieren lassen. Ich habe aber keine Ahnung, wie das genau mit den maschinenlesbaren Lizenzangaben funktioniert.
Mit einem Tool, das so wie oben beschrieben funktioniert, würden sicherlich noch mehr Menschen auf Reichtum Freier Kultur zurückgreifen und so zur Verbreitung Freier Lizenzen beitragen. Man muss es den Leuten nur komfortabel genug machen, Flickr und die leicht verständliche Integration von Creative Commons ist da das beste Beispiel.
Farben-Spaß mit wunderschönen Creative-Commons-Bildern bildern bietet übrigens das Multicolr Search Lab.
Eine Reise wert: Das Multicolr Search Lab
Einfach auf die gewünschten Farben im Menu rechts auf der Seite klicken und die Creative-Commons-Welt erstrahlt in den schönsten Bildern!
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