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zeitrafferin

Julia Seeliger
  • 8. May 2008 | 32 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
    scissors

    Jetzt gibt’s noch einen ziemlich peinlichen Änderungsantrag.

    Oder: Wenn linksliberale Mittelschichtskinder Drogenpolitik machen.

    Hanffeld Cannabis
    Problem Prohibiton: Hanffeld in VietnamUrheber/in (Lizenz)

    So ist das – wenn man älter wird, macht die Jugend nicht mehr, was man selbst toll findet, sondern irgendwelche anderen Dinge, die man selbst – im schlimmsten Falle – “total hirnrissig” und “peinlich” findet. Und die “Abwirtschaftung des eigenen Lebenswerks” muss man dann auch noch verhindern – Parallelen zum Verhalten Ex-Rot-Grüner Verantwortungsträger/innen tun sich auf.

    So zu beobachten beim Cannabis-Antrag, der für den kommenden Bundeskongress der Grünen Jugend eingebracht wurde. Mit dem “Lebenswerk” ist gemeint, dass ich mit anderen in Anspruch nehme, der Drogenpolitik innerhalb der Grünen Jugend den “Konsumspaß-Charakter” ein wenig genommen zu haben und das ganze auf sachlicheren Boden gestellt zu haben. Beispielsweise hatten wir in unseren Presseerklärungen die Prävention mehr in den Vordergrund gestellt und auch die übermäßige Repression kritisiert.

    Der vorliegende Antrag fordert:

    Der Bundesvorstand hat Sorge zu tragen dass allen Bundeskongress-TeilnehmerInnen, welche Cannabis konsumieren möchten, ausreichend Cannabis mit Fünf-Punkte-Zertifikat zur Verfügung gestellt wird.

    Das 5-Punkte-Zertifikat

    • Herstellung und Verarbeitung nach den Kriterien der EG-Verordnung Nr. 2092/91, d.h. auch keine genetische Manipulation der Pflanzen!
    • Dezentraler Anbau, Verarbeitung und Verkauf um unnötige, klimaschädliche Transporte z.B. aus dem europäischen Ausland zu vermeiden!
    • Einführung und Wahrung der Menschen- und Arbeitsrechtsstandards sowie derer für einen fairen Handel während der Produktion, Transport und Verkauf des Cannabis!
    • Die Energie für die Beleuchtung während der Aufzucht der Pflanzen kommt von einem zertifizierten Ökostromanbieter oder extraterrestrische Kernfusion!
    • Keine Beimischungen, beigemischte saure Gurken akzeptieren wir nur mit Rückgrat!

    Komisch, dass die Antragsteller/innen nicht wissen, was sogar das BKA und Sabine Bätzing (Statement zu Gen-Gras auf abgeordnetenwatch) inzwischen zugegeben haben: Es gibt kein Gen-Gras, auch wenn dies immer wieder aufkeimende Gerüchte suggerieren mögen.

    Auch angesichts einer steigenden Repression gegen Cannabisbenutzer/innen und angesichts der Untätigkeit der Bundesregierung im Bereich Cannabispolitik – zum Beispiel das bleiern-gelähmte Nichtstun Bätzings trotz großer Probleme mit verunreinigtem Cannabis – ist der Antrag kritisch zu bewerten. Bei Cannabispolitik geht es nicht um Konsum-Spaß, da geht es um Knast für Kiffer/innen, um schwerkranke Menschen, denen – für die Krankenkassen kostengünstige und wirksame – Linderung verwehrt wird, es geht um Rechtsungleichheit zwischen den Bundesländern, um ungerechte Führerscheinregelungen und nicht zuletzt um einen grundlegenden Wandel zu einer nicht-prohibitiven Politik.

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    Natürlich ist es so, dass es immer mal wieder “Spaß-Anträge” gibt – aber muss das gerade in diesem Politikfeld sein? Ich mache doch auch keine Späße über Tierrechte, Atom- oder Kriegspolitik.

    Der Antrag macht deutlich, dass die Dimension von Drogenpolitik von den Antragsteller/innen nicht ernst genommen wird. Das ärgert mich – es geht Drogenpolitiker/innen nicht darum, ihre Stoffe zu legalisieren, damit sie im Hedonismus schwelgend den nervigen Gang zum Dealer vermeiden können! Der Antrag macht ein verkürztes und flapsiges Bild von Drogenpolitik deutlich, das ich kritisiere. Genau mit dieser Ignoranz wird man nämlich (auf grünen Parteiveranstaltungen) behandelt, und das nervt! Dass dies jetzt auch bei der Grünen Jugend um sich greift, macht Sorgen.

    Wer soll das bezahlen?
    Und ganz praktisch: Was kostet das? Mich interessieren die Haushaltsfolgen – wieviel Gramm faires Bio-Cannabis soll pro Teilnehmer/in gekauft werden? Wie soll das gegenfinanziert werden? Ist das Bundeskongress-Cannabis beim Schiedsgericht einklagbar?

    32 Kommentare
    Einsortiert: drogen, grüne jugend
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  • 6. May 2008 | 5 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
    scissors

    Vor kurzem wurde ja Polylux von der “Hedonistischen Internationale” verarscht. Dem ARD-Pop-Magazin wurde ein fingierter Speed-Konsument untergeschoben, ein Typ, der behauptete, er würde im Alltag Speed ziehen, um abzunehmen. Tita von Hardenberg hat inzwischen auf den Polylux-Hack geantwortet (dazu gibt’s auch schon eine Antwort):

    Beeindruckend war nicht nur die schauspielerische Leistung des angeblichen Speed-Users, sondern auch die perfekte Mobilisierung der bundesweiten Presse noch in der Nacht der Ausstrahlung. Professionell gemacht, Hut ab! Und alle schrieben drüber. Trotzdem bleibt die leise Frage: Wozu das Ganze? Haben die Spaßguerilleros wirklich viel erreicht, wenn das Internet als Recherchemedium diskreditiert ist? Wenn Menschen jetzt fälschlicherweise denken, bei Polylux würden Praktikanten ausgebeutet? Wenn sich unsere Autoren ab sofort von ihren Interviewpartnern die Ausweise zeigen lassen? “Tim” hat am nächsten Tag eine Mail an die Autorin des Beitrages geschrieben, darin die Worte: „ Ich hoffe, du glaubst mir, wenn ich dir sage, dass (…) es mir nie darum ging, dich persönlich zu verarschen oder zu verspotten (und) wir in keinem Moment polylux einfach nur blossstellen wollten.” Aha. Schönen Dank auch, Tim. Aber was wollte er dann? Vielleicht die Relevanz der Droge Speed in Zweifel ziehen – und damit auch die anderen Protagonisten des Beitrags, die echt waren? Das jedenfalls ist gelungen. Wir werden diesen und andere Medienfakes am Donnerstag in der Sendung thematisieren und darüber meditieren, was dieser Funsport so alles bewirken kann. Denn, dass Medienfakes – ob sinnfrei oder nicht – Spaß machen, steht außer Frage. Am allermeisten, wenn man zufällig nicht gerade selbst betroffen ist.

    Ich nahm die Zeile “die Relevanz der Droge Speed in Zweifel ziehen” in der Debatte auf netzpolitik.org als Anlass für eine längere drogenpolitische Auslassung, woraufhin ein User meinte, der “Hack” hätte doch gar nichts mit Drogenpolitik zu tun gehabt und es sei doch nur unpolitischer Spaß gewesen.

    Diese Hedonisten haben sich einen Jux erlaubt. Weitergehende Botschaften zur Drogenberichterstattung oder Medienverantwortung sehe ich nicht.

    Meine Antwort

    Wie ich in einem Oberseminar, das ich in der Literaturwissenschaft besuchte, lernte, ist nicht relevant, was sich der Autor eines Werks dachte, sondern, was darin steckt, wenn man es sich ansieht.

    Darüber hinaus wird den Hedonisten häufig “unpolitischer Jux” unterstellt. Das würde ich nicht so sehen – ich sehe die Hedonisten als durchaus politische Aktionsgruppe, die auf ihre Art Politik zu unterschiedlichen Themen (Globalisierung, Überwachung, Arbeit, Drogenpolitik) macht.

    Die “Hedonistische Internationale” ist eine kreative und unkonventionelle Aktionsgruppe – ursprünglich aus Berlin, inzwischen aber mit “Sektionen” in vielen anderen Städten. Ich hatte schon häufiger über die “Hedonistische Internationale” berichtet und finde das Konzept ziemlich ansprechend – man sollte sie nicht immer so schlecht reden. Die probieren es mit neuen Aktionsformen und einem anderen Politikansatz. Am ersten Mai beispielsweise werde ich mich erst auf die Gewerkschaftsdemo quälen, um dann am Nachmittag die Kür bei der Mayday-Demo zu genießen. Und da sind die “Hedonisten” garantiert auch dabei!

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    Einsortiert: aktivismus, party
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  • 2. May 2008 | 36 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
    scissors

    Auf Indymedia findet sich ein ganz interessanter Artikel (“Hamburg out of Control”) mit Diskussion über die Gewalt in Hamburg. Dort kam es zu massiven Ausschreitungen, Kritik wird auch an Polizei und Schwarz-Grün geübt. An der Bündnisdemonstration gegen den Naziaufmarsch (1100 Nazis) am 1.Mai nahmen laut Indymedia etwa 8000 Menschen teil.

    Faschismus ist keine meinung
    Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!Urheber (Lizenz)

    Barmbek
    Barmbek gegen NazisUrheber (Lizenz)

    Während sich lokal in Barmbek in einem spektrenübergreifenden Bündnis mit Anwohnern, Geschäftsleuten, Gewerkschaftlern, Linkspartei und linken Initiativen auch lokale grüne Bezirkspolitiker engagierten, war von den Landespolitikern wenig zu hören. Nachdem Gewerbetreibende rund um die Fuhlsbütteler Straße erklärten auch am 1. Mai ihre Geschäfte und Cafés zu öffnen und sich auch viele Anwohnerinnen gegen den Naziaufmarsch stark machten, kassierte das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung der Hamburger Polizei alle Protestveranstaltungen in Hamburg-Barmbek zu verbieten. Das OVG sah es angesichts des Engagements von Anwohnerinitiativen als unverhältnismäßig an, die Proteste gegen den Naziaufmarsch in Barmbek zu verbieten und die Bündnisdemonstration in die Trabantenstadt Steilshoop zu verlegen.

    In der Debatte melden sich auch welche zu Wort, die Kritik üben an dem “Kriegsspiel”, das manche beim ersten Mai abziehen. War es wirklich sinnvoll, das Reifenlager anzuzünden? Kann man für Hamburg von übermäßiger Polizeigewalt sprechen?

    Wasserwerfer
    Wasserwerfer im StadtparkUrheber (Lizenz)

    In den letzten Jahren habe ich viel unverhältnismäßig und auch aggressive Polizeieinsätze in HH gesehen. Dieser gestern war es nicht. Die Polizei hat sich angenehm im Hintergrund gehalten, die Demo nicht angegriffen und auch Vermummte und Seitentranspis (zum Teil zusammengeknotet) zugelassen. Das sah eher nach Deeskalation aus. Ist es ein Wunder, dass sie Wasserwerfer einsetzen, wenn ihre Hundertschaft, die zumeist auch keinen Bock auf diese Nazis hat, im Steinehagel steht? (…) Völlig richtig ist hingegen die Kritik an der Polizei, dass sie die Demo nicht nach den ersten Vorfällen aufgelöst hat, wird bei uns ja aus jedem nichtigen Anlass heraus gemacht

    Während das Entglasen von Nazi-Bussen von den meisten als legitimes Mittel bezeichnet wurde, wurde in den Kommentaren unter dem Artikel auch Kritik laut, so auch an Aktionen wie dem Inbrandsetzen des Reifenlagers oder eines Polizeiautos.

    Brennendes Polizeiauto im Hamburger Stadtpark
    Brennendes Polizeiauto im Hamburger Stadtpark

    In der Szene wird argumentiert, dass die Entglasung von Nazi-Busses den praktischen Effekt hat, dass die Busunternehmen es sich dreimal überlegen, ob sie ihre Busse weiterhin an Nazis vermieten.

    Was noch zum “Ersten Mai” in Hamburg zu sagen ist: Nun weiß wohl auch der Abendblatt-Leser von Nebenan, was ein “Autonomer Nationalist” ist. Hoffentlich lernt die Polizei bald mal, Linksautonome von denen zu unterscheiden. Ob das was bringt, steht auf einem anderen Blatt, bisher sieht es aber nicht so aus, als gäbe es ausreichend viele Fortbildungen in diesem Bereich (wenn man sich als Polizist fortbildet, ich hoffe, das ist dort üblich).

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  • 30. April 2008 | 63 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
    scissors

    Kürzlich hatte ich über Spaniens neues Kabinett berichtet und Zapateros Gespür für Frauen in der Politik gelobt. Jetzt gibt es einen Artikel auf SPIEGEL ONLINE zum Thema: “Europa entdeckt den Frauenfaktor”. Dort wird meine Forderung nach Frauenquoten als mittelfristiges, realpolitisches Instrument noch einmal untermalt:

    “Ohne Frauenquote wäre ich gar nicht in der Politik”, sagte einst die deutsche Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD).

    Das kann ich nur unterstreichen – ohne Frauenquote wäre ich nicht im Parteirat. Das gefiele einigen sicherlich besser, es macht aber auch deutlich, dass man Quoten als Mittel der Frauenförderung nicht ganz außer acht lassen sollte. Es gibt die These, dass Parteipolitik “männlich” sei – Gesine Fuchs, Politologin aus Basel, füllt diese These mit Leben:

    Der Politikeralltag mit seinen häufig männerbündischen Strukturen, der Kumpanei im Hinterzimmer, seinen Spontansitzungen und Diskussionsrunden bis mitten in die Nacht ist familienunfreundlich – und das heißt eben in der Regel noch immer: frauenfeindlich. “Es wird nach wie vor geklüngelt”, sagt die Basler Politologin Gesine Fuchs. “Und es gibt nach wie vor politische Bereiche, in die Frauen nur schwer reinkommen.” Die Forscherin verweist auf Regierungsgremien wie die Hartz-Kommission: In der 15-köpfigen Runde saß nur eine Frau.

    SPD, “Linke” und CDU haben – mehr oder weniger heftige – Frauenquoten, wir Grünen haben eine 50+Quote, CSU und FDP haben bis heute keine derartigen Instrumente.

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    Einsortiert: gender, staat
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