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Politcamp: Wie wollen wir arbeiten?
7In der Woche vor dem Politcamp fand für mich das Thema “Wie wollen wir arbeiten?” auch bei der taz statt. Wir hatten eine kleine Debatte zur “Digitalen Bohème”. Dass das Thema dann im aktuellen SPIEGEL weiter diskutiert würde, wussten wir nicht. Passend weiter ging es auf dem Politcamp.
Hier diskutierten wir (Björn Böhning, Nico Lumma, Peter Plöger, Sebastian Sooth und ich) darüber, ob das Netz ein freieres Arbeiten ermöglicht, ob Freiberuflichkeit mehr Selbstbestimmung bedeutet und was in einer immer mehr flexibilisierten Arbeitswelt für sozialstaatliche Voraussetzungen geschaffen werden müssen. Besonders im Blick hatten wir die Kreativarbeiter/innen, sprich: die so genannte “Digitale Bohème”.
Es ist aus meiner Sicht so, dass das Buch “Wir nennen es Arbeit” – das faktisch den Begriff der digitalen Bohème prägte – und die darauf folgende Mediendebatte zwar eine Menge Aufmerksamkeit erzielt haben, harte sozialpolitische Forderungen für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Freiberufler aber nicht entwickelt wurden. Zwar wird in dem Buch, wenn ich mich recht erinnere, durchaus so etwas wie eine gute Kinderbetreuung gefordert. Wirkliche Vorschläge zur Überwindung prekärer Arbeit bei Kreativarbeitern werden aber nicht gemacht.
Genannt wurden in unserem Panel Folgendes (bitte um Ergänzung):
- Interessenvertretungen (Beispiel: Aktion Butterbrot)
- Einbeziehung von mehr Menschen in die Künstlersozialkasse und Steuerzuschuss hierfür (finde ich problematisch)
- Grundeinkommen (finde ich problematisch)
- Anerkennung der Tatsache, dass selbstbestimmtes Arbeiten wichtig und möglich ist – für Freiberufler und Festangestellte
- Anerkennung der Tatsache, dass das Netz als Infrastruktur Arbeit grundlegend ändert
- Motivation, das Thema weiter zu verfolgen
Von manchen wurde gesagt, dass “ja nur gelabert wurde” und dass kein Ausweg genannt wurde. Das liegt aus meiner Sicht daran, dass bisher noch kein Ausweg für einen gerechten Sozialstaat in einer zunehmend flexibilisierten Arbeitswelt – das ist in den Nachrichten zu lesen und mit Zahlen belegbar – gefunden ist.
Foto: Thomas Vogt/CC-BY
Einsortiert: kapital, netz, sozialstaat
Verschlagwortet: arbeit, digitale boheme, freiberufler, pc10, prekarisierung
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7 Responses to “Politcamp: Wie wollen wir arbeiten?”
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Danke für die beiden inhaltlichen Blogbeiträge zum Politcamp – macht es für mich deutlich attraktiver als einige der Organisatorenrückschauen.
Inhaltlich zu dem hier: ich streite mich grade u.a. mit einem SPD-ler darüber, ob es denn zeitgemäß ist, wenn die SPD sich das Ziel “Vollzeitjobs für alle” setzt. Und was Alternativen sein könnten.
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Wie Nico auf dem Panel sagte: Wer freibestimmt arbeiten will, muss selber die Initiative ergreifen und nicht nur darauf warten, dass Andere die Rahmenbedingungen dazu schaffen.
Seit dem Buch “Wir nennen es Arbeit” ist ja schon einige Zeit vergangen und es hat sich so manches getan. Coworking Spaces bieten inzwischen den Raum für selbstbestimmtes arbeiten, man muss also nicht mehr den ganzen Tag in Cafe sitzen. Vielleicht bieten die ja auch irgendwann mal Dienste wie Steuerberatung oder ähnliches an.
Wir basteln hier mit einigen Freiberuflern aus der BarCamp Szene seit einiger Zeit an einer Marke, unter der wir gemeinsam auftreten werden (ANTSwithFRIENDS). Als Geschäftsform haben wir die Genossenschaft gewählt (in 2-3 Wochen gründen wir). Wir haben eine Menge Ideen und probieren das jetzt einfach mal aus.
Nächstes Jahr geben wir dann eine Session darüber, was daraus geworden ist.
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nk
Ich finde das ganze Cafehausmantra auch reichlich dekadent und fragwürdig. Irgendwie wird immer suggeriert, die Digitale Boheme würde den ganzen Tag nur teure Moccaccinos schlürfen und die Arbeit – Design, Knöpfe drücken oder “was die da so tun” – würde sich magisch von selbst erledigen. Das mag für Sascha Lobo gelten, ich persönlich komme aus dem Webentwicklerumfeld und habe da einen anderen Ereignishorizont, der durch viel Bildschirmarbeit am Heim-PC definiert ist. Von daher ein wichtiges Thema, insofern man sich von der Klischeedenke mehr in eine zeitgemäße Zustandsanalyse begibt. Die Gedanken zu Gewerkschaften, gemeinsamer Steuerabrechnung und Co. fand ich allerdings sehr inspiririerend..
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nk
PS: “Wir nennen es Blase” hat mich übrigens neulich laut auflachen lassen. Großartiger Titel!
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Ich habe dazu auch keine Pauschallösung anzubieten (logisch irgendwie).
Deine Kritik an Künstlersozialkasse und Grundeinkommen teile ich indessen. Die Künstlersozialkasse heißt ja nicht umsonst so, wie sie heißt. Und ein Grundeinkommen ist für mich generell nicht vorstellbar.
Wichtig fände ich, Behördengänge zu vereinfachen: Gründen einer Firma, Steuererklärung, Rechtsberatung, etc. Da gäbe es viel zu tun.
Aber natürlich ist klar: freiberuflich bzw. selbstständig zu sein bedeutet mehr Risiko.
Bessere Lösungen für Rentenvorsorge fände ich außerdem wichtig. Dazu wurde schon was getan, aber noch nicht genug.
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Tim
Wenn die Künstlersozialkasse so wäre, wie sie hiesse, würden glatt die Hlfte der Versicherten rausfallen. Ganz klasse finde ich immer, dass diejenigen, die im Internet ihre eigene Freiberuflichkeit und das selbstbestimmte Arbeiten feiern, in der Regel in der KSK versichert sind und vergessen, dass sie indirekt über den Schutz der KSK vom Staat jeden Monat 300-500 Euro sich ersparen. Das nenne ich nicht wirklich selbstbestimmt – und eine Benachteiligung andere Freiberufler zu Gunsten der “Kreativen”.
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