zeitrafferin
Julia Seeliger-
11. May 2009 | 16 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
In wenigen Tagen hat die Online-Petition alle Rekorde gebrochen – die Marke von 50.000 wurde in kürzester Zeit gerissen. Die Reaktionen zuständiger Minister/innen:
Von der Leyen
Eine zivilisierte Gesellschaft, einschließlich der Internetgemeinschaft, die Kinderpornografie ernsthaft ächtet, darf auch im Internet nicht tolerieren, dass jeder diese Bilder und Videos vergewaltigter Kinder ungehindert anklicken kann. Das Leid der Opfer ist real, nicht virtuell. Jeder Klick und jeder Download verlängert die Schändung der hilflosen Kinder
Von Guttenberg
Es macht mich schon sehr betroffen, wenn pauschal der Eindruck entstehen sollte, dass es Menschen gibt, die sich gegen die Sperrung von kinderpornographischen Inhalten sträuben. Das ist nun wirklich einer der wichtigsten Vorhaben in vielerlei Hinsicht.
Herausragend auch die Zitate von
Dr. Hans-Peter Uhl
Für mich steht jedoch fest, dass z.B. das Freiheitsrecht eines Kindes, nicht sexuell missbraucht und Pädophilen zur Schau gestellt zu werden, um einiges höher zu bewerten ist als eine verabsolutierte “Freiheit des Internets” oder anderes dummes Geschwätz. Die ganze pseudo-bürgerrechtsengagierte Hysterie von Pseudo-Computerexperten, man müsse um jeden Preis ein “unzensiertes Internet” verteidigen etc. – vgl. www.ccc.de -, fällt für mich in die Kategorie: juristisch ohne Sinn und Verstand und moralisch verkommen.
Dr. Dieter Wiefelspütz
Das Gesetzgebungsverfahren wird dadurch nicht beeinträchtigt
Presse-Reaktionen gesammelt bei netzpolitik.org
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17. April 2009 | 40 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
Einen besseren Zeitpunkt hätte sich Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen kaum aussuchen können – am Freitag nach Ostern hat die CDU-Politikerin der Offenen Netzgesellschaft ein faules Ei ins Nest gelegt.
In Zusammenarbeit mit den Providern Alice (Hansenet, AOL), Telekom, Arcor, Kabel Deutschland, O2 und Vodafone – diese kontrollieren 75 Prozent der Internetanschlüsse in Deutschland – soll eine Infrastruktur aufgebaut werden, mit der Webseiten, die Kinderpornografie anbieten, kurzfristig gesperrt werden können. Es handelt sich bei dem heute abgeschlossenen Deal um einen Vertrag der Provider mit dem Bundeskriminalamt (BKA) und nicht um ein Gesetz – eine demokratische Kontrolle der Sperrungen ist nicht notwendig. Das öffnet der Willkür Tür und Tor.
Denkbar ist, dass die Technik, die jetzt aufgebaut wird, zu einem Zeitpunkt in der Zukunft auch für die Sperrung anderer Seiten als solche mit kinderpornografischem Inhalt verwendet wird. Auch deswegen kritisieren Bürgerrechtsorganisationen wie der CCC den heute unterzeichneten Vertrag. Der CCC spricht davon, dass “die Internetausdrucker Ernst machen”
Der hier vorliegende Versuch des Bundesinnenministers, eine ´freiwillige´ Vorzensur ohne gesetzliche Grundlage zu schaffen, ist ungeheuerlich. Flankiert durch die Bundesfamilienministerin von der Leyen wird hier das Thema Kinderpornographie instrumentalisiert, um eine Zensurautomatik für Internetseiten einzuführen. Mit dem vorliegenden Vertragsentwurf wird nicht nur deutlich, dass das Bundesinnenministerium offenbar überhaupt kein Interesse an einer Strafverfolgung gegen die Täter hat, sondern eine geheime Infrastruktur für das Zensieren von Internetseiten plant,
sagte CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn bereits am 13. Februar 2009 anlässlich der Veröffentlichung des Vertragsentwurfes. Wem das als Verschwörungstheorie einiger Computerhacker vorkommt, dem lege ich das Zeit-Interview “Missbrauchsopfer kämpfen gegen Internetzensur” mit Christian Bahls ans Herz. Bahls ist als Kind selbst missbraucht worden und ihm kommt bei Von der Leyens Vorschlägen “das Essen hoch”, denn
…da ist irgendwo im Internet ein Missbrauch dokumentiert und die Bundesregierung schaut weg. Und sagt uns Bürgern, wir sollen auch wegschauen. Was noch viel krasser ist: Es werden zwischen den Staaten nur die Sperrlisten für die Filter ausgetauscht. Doch niemand bekämpft in seinem eigenen Land die Server, auf denen die Inhalte lagern.
Bahls sagt, er habe dem Familienministerium sogar – per Mail – einen ihm bekannten Fall von Kinderpornografie genannt – schnell passiert sei gar nichts, die Mail sei dann erst einmal einige Zeit zwischen unterschiedlichen Referaten des Ministeriums zirkuliert.
Bahls vermutet, genau wie der CCC, dass etwas anderes hinter Von der Leyens Initiative steckt
Es wird eine schleichende Internetzensur aufgebaut, keine Strafverfolgung. Das alles ist nur möglich, weil das Tabu Kinderpornografie instrumentalisiert wird: Das ist so böse, da darf man gar nicht offen drüber diskutieren. Das ist das gleiche Muster wie in den Familien, in deren Umfeld Missbrauch geschieht.
Die Instrumentalisierung hat funktioniert – bisher hat sich kein wirklich hochrangiger Politiker zu dem heute unterzeichneten Vertrag geäußert. Es existiert zwar ein Statement von Brigitte Zypries aus einer Anhörung im Bundestag, im Fernsehen habe ich aber bisher nur Vertreter der Provider und Aktivisten aus der Zivilgesellschaft Kritik üben sehen.
Das ist angesichts der gravierenden Einschnitte in die Freiheit des Internet, die heute auf den Weg gebracht wurden, ein Armutszeugnis für die parlamentarische Demokratie. In Wahlkampfzeiten ist das verständlich – verzeihlich ist es nicht.
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29. April 2008 | 15 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
Zu den aktuell diskutierten Netzsperrungen: Das war vorauszusehen, dass die Content-Industrie bei der Bundesregierung so lange Lobbying macht, bis diese weich wird und anfängt, ein Gesetz zu planen, das zwar nicht grundrechtskonform ist, aber zur Verfolgung böser Schwerstkrimineller – Filesharer und andere Wissens-Diebe – taugt.
Internetsperrungen für Tauschbörsennutzer – Absurd, aber in der derzeitigen, verfassungsblinden Zeit voraussehbar!
Tauschbörsennutzer vom Netz abklemmen? – Urheber/in (Lizenz)A propos: Internetsperrungen greifen in Grundrechte ein – ein Gutachten der Kommission für Jugendmedienschutz belegt genau dies.
Sperrverfügungen für Inhalte im Internet “greifen in erheblichem Umfang in die Meinungsfreiheit der Inhaltsanbieter, die Informationsfreiheit der Nutzer sowie die Berufsfreiheit der Internetprovider ein.
Auf EU-Ebene sieht das Parlament das übrigens ähnlich.
Calls on the Commission and the Member States to recognise that the Internet is a vast platform for cultural expression, access to knowledge, and democratic participation in European creativity, bringing generations together through the information society; calls on the Commission and the Member States, therefore, to avoid adopting measures conflicting with civil liberties and human rights and with the principles of proportionality, effectiveness and dissuasiveness, such as the interruption of Internet access.
Mein Bekannter Markus Beckedahl hat genau zu diesem Thema einen Kommentar für Zeit-Zünder verfasst. Weiterlesen zum Thema ist auch im entsprechenden Heise-Artikel möglich. Für Netzsperren gibt es aktuell keine gesetzliche Grundlage:
Technische Sperrmaßnahmen, die ins Fernmeldegeheimnis eingreifen, seien rechtlich nicht gedeckt. Sperrungen von IP-Adressen oder URLs würden daher eine Änderung des geltenden Rechts erfordern.
Mal sehen, wie die ein eventuelles Gesetz grundrechtskonform hinkriegen. Die Bundesregierung denkt sich wahrscheinlich: “Wie machen wir Filesharing zu einem besonders schweren Verbrechen? Vielleicht einfach das Strafmaß anheben?” und “Man kann ja mal versuchen, das Verfassungsgericht sagt dann schon bescheid, was man besser machen muss.”
Ich seh da ja noch kein Land, aber denen wird schon was einfallen. Vielleicht Terrorismus? Musikterrorismus? Datenterrorismus? Wissensterrorismus?
Wir werden sehen.
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