Julia Seeliger
  • Realo-Brief: “Reformen bei den Reformern”

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    11. October 2007 | Trackback | Internet ausdrucken
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    Jetzt geht’s los – wir Grünen schreiben uns Briefe.

    Kleiner Linktipp zwischendurch: Die REFORMER

    Der eigentlich interne Brief hat es jetzt sogar auf SPIEGEL ONLINE geschafft.

    Die Zitate zu mir aus dem Realo-Brief:

    Den Basis-Bevormundern, die aus Funktionen auf Bundes- oder Landesebene heraus nichts besseres zu tun haben als Abgeordneten, die bei der ISAF-Entscheidung mit Ja stimmen wollen, damit zu drohen, “nicht mehr aufgestellt” zu werden, müssen wir klar entgegen treten.

    Basisdemokratie funktioniert nicht so, dass selbsternannte WortführerInnen zu erpressen und die Basis zu entmündigen.

    Ah ja – obwohl ich mich sogar explizit zu meinen Bemerkungen bezüglich der Gewissensentscheidung in der Fraktionssitzung geäußert hatte, konnten es sich Omid und Anja nicht verkneifen, noch mal darauf Bezug zu nehmen. Der Wind weht rau ..

    Deswegen wollen die Realos jetzt ihre Strukturen professionalisieren. Diese Zitate, subsumiert unter “Reformen bei den Reformern”, suche ich noch heraus, ich muss sie aus einer Bilddatei abtippen.

    Peter Alberts aus dem KV Münster hat in einem Offenen Brief geantwortet, der noch nicht auf SPIEGEL ONLINE genannt ist.

    Liebe Anja, lieber Omid,
    liebe Renate, lieber Fritz, lieber Volker zur Kenntnis,
    liebe FreundInnen aus dem Bundesvorstand zur Kenntnis,
    liebe Julia zur Kenntnis,

    Anjas und Omids gemeinsame “REFORMER-mail: nach der BDK in Göttingen – vor der BDK in Nürnberg” hat mich empört. Als einer der MitautorInnendes erfolgreichen Göttinger Beschlusses fühle ich mich direkt angesprochen, auch wenn im Text nur Robert Zion persönlich genannt wird.

    Ihr schriebt in der besagten mail: “Wenig hilfreich ist in dieser Situation, wenn Robert Zion in einer seiner ‘Botschaften’ auf stalinistisch anmutende Weise über das ‘Ende der Ära Fischer’ und ‘die Aufarbeitung des Systems Fischer philosophiert. Gleichzeitig bläst er mit seinen UnterstützerInnen das nächste ‘Hallalie’, diesmal für die BDK in Nürnberg, und hofft, dort auch die Grüne Sozialpolitik
    re-fundamentalisieren zu können.” Damit rückt Ihr Robert und die Menschen, die den erfolgreichen Göttinger Antrag mitgeschrieben haben – also auch mich -, in die Nähe des Stalinismus, was nicht nur sachlich absurd ist, was zudem auch in meinen Augen die Regeln eines respektvollen und fairen Umgangs unter ParteifreundInnen deutlich missachtet. Ich empfinde das als eine persönliche Beleidigung und erwarte dafür eine Entschuldigung.

    Außerdem möchte ich hier festhalten: ich blase gar nichts, schon gar kein Hallalie, und Robert tut dies meines Wissens auch nicht. Dass es aber zur Grünen Sozialpolitik verschiedene Meinungen in der Partei gibt und dass diese in Nürnberg in einer politischen Debatte gegeneinander stehen werden, ist in meinen Augen so normal wie wünschenswert für eine basisdemokratische Partei. Daraus einen Vorwurf zu stricken, finde ich atemberaubend.

    Ein weiterer Satz aus Eurer mail: “Den Basis-Bevormundern [nicht gegendert], die aus Funktionen aus der Bundes- oder Landesebene heraus nichts besseres zu tun haben, als Abgeordneten, die bei der ISAF-Abstimmung mit Ja stimmen wollen, damit zu drohen ‘nicht mehr aufgestellt zu werden’, müssen wir klar entgegentreten. Basisdemokratie funktioniert nicht so, dass selbst erklärte WortführerInnen versuchen, Abgeordnete zu erpressen und die Basis zu entmüdigen.”

    Dazu möchte ich Euch sagen: als Teil der Basis fühle ich mich keineswegs von Julia Seeliger oder anderen, auf die Ihr hier anspielt, bevormundet – ganz im Gegenteil. Ich finde es bizarr, dass Ihr jetzt in dem Moment versuchen wollt, uns die Basisdemokratie zu erklären, während Ihr gleichzeitig – zumindest Omid – angekündigt habt, den basisdemokratischen Beschluss der BDK zu missachten. Ich respektiere ausdrücklich Eure Gewissensfreiheit als gewählte Abgeordnete, darum geht es hier nicht, und bestreite nicht Euer Recht, entgegen des Göttinger Beschlusses mit Ja zu stimmen. Es geht aber darum, dass ausgerechnet diejenigen, die in einer basisdemokratischen Abstimmung klar unterlegen waren, besser daran täten, nicht hinterher der Mehrheit erklären zu wollen, wie Basisdemokratie denn eigentlich funktioniert.

    Und sollte mich mein Kreisverband zur LDK 2009 als Delegierten wählen, dann werde ich mir selbstverständlich genau überlegen, welche KandidatInnen mein Vertrauen verdienen und welche nicht, und selbstverständlich wird der Umgang mit “Göttingen” dabei auch eine Rolle spielen, nicht zwingend eine entscheidende, aber eben auch eine. Das ist doch der Kern hinter dem, was Ihr “Drohung” nennt – die Basis wird und muss sich überlegen, wen sie wieder aufstellen will und wen nicht. Wäre das anders, wäre es undemokratisch! Insofern kann ich Euch beruhigen: es wird den “selbst erklärten WortführerInnen” nicht gelingen, “Abgeordnete zu erpressen und die Basis zu entmündigen”. Das wollen die nämlich gar nicht, und die Basis ist in dieser Beziehung sehr viel reifer, als Ihr offensichtlich meint, und lässt sich nicht entmündigen, auch nicht von Euch.

    Schließlich gegen Ende Eurer mail der Satz: “Es kann nicht angehen, dass die Reformer [nicht gegendert] in kommunaler Verantwortung sich nicht mehr auf Bundesparteitagen sehen lassen und stattdessen zum Teil unerfahrene Neumitglieder schicken.” Als einer dieser kommunalen VeranwortungsträgerInnen kann ich nur sagen: so lange ich in meinem Kreisverband im Vorstand bin, werde ich tunlichst darauf achten, dass die Delegierten für Bundes- und Landesparteitage weiterhin basisdemokratisch gewählt werden. Wer also auf die BDKs und LDKs geschickt wird, das sollte doch bitte schön die Basis selbst entscheiden. Dass ‘unerfahrene Neumitglieder’ bei uns auch die Chance haben, auf eine BDK zu fahren, empfinde ich als einen der großen Vorteile unserer basisdemokratischen Partei. Das Gegenteil, das Ihr hier postuliert, läuft auf eine Honorationenpartei à la CSU hinaus – das werdet Ihr nicht ernsthaft wollen können.

    Vielleicht haben die sog. ReformerInnen in kommunaler Verantwortung ja auch schlicht in basisdemokratischen Delegiertenwahlen verloren und die Nicht-ReformerInnen (was immer das auch sein soll) haben gewonnen, ist Euch dieser Gedanke evtl. auch schon einmal gekommen? Ich verstehe, dass es für den selbst ernannten “ReformerInnen-Flügel” schwierig und ungewohnt ist, auch mal eine Abstimmung zu verlieren, denn das hattet Ihr ja vorher lange nicht. Jetzt aber so zu tun, als wäre das ein merkwürdiger Betriebsunfall, der die quasi Gott-gegebene Ordnung durcheinander gebracht hat, ist nicht angemessen.

    Es war eine vollkommen korrekte, satzungskonforme und basisdemokratische BDK. Ihr habt sie verloren, andere haben gewonnen. So ist das in der Demokratie, und ich kann es nicht ertragen, dass Ihr nun mit Basis-Bashing das Ergebnis von Göttingen diskreditiert und dann auch noch erklären wollt, dass es besonders basisdemokratisch sei, das Göttinger Ergebnis nicht
    anzuerkennen oder umzusetzen.

    Zum Thema Afghanistan und dem Abstimmungsverhalten der Bundestagsfraktion verweise ich auf mein bisher unbeantwortetes Schreiben an Omid, das muss ich hier nicht noch einmal wiederholen.

    Liebe Anja, lieber Omid, von Euch beiden erwarten ich eine Richtigstellung und Entschuldigung für den ungeheuerlichen Stalinismus-Vergleich. Ich erwarte, dass Ihr diese Entschuldigung und
    Richtigstellung über die gleichen Kanäle kommuniziert wie die ursprüngliche mail. Solltet Ihr dies nicht tun, fordere ich den Bundesvorstand und den BT-Fraktionsvorstand auf, ordnend auf Euch in diese Richtung einzuwirken. Sollte dies alles nichts bewirken, behalte ich mir die Möglichkeit vor, diesen Streit an die Öffentlichkeit zu tragen. Ich möchte das im Sinne der Partei vermeiden, und ich hoffe, dass Ihr die gleiche Einsicht zeigt und durch Eure Reaktion diese Eskalationsstufe vermeidet. Aber eins ist klar: ich lasse mich nicht ungestraft und unwidersprochen in die Nähe des Stalinismus rücken. Von niemandem, und von ParteifreundInnen schon mal gar nicht.

    Mit bündnisgrünen Grüßen

    Peter Alberts
    Vorstand KV Münster
    Mitautor und Unterstützer des Göttinger Beschlusses

    Robert Zion hat ebenfalls mit einem Offenen Brief geantwortet.


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13 Responses to “Realo-Brief: “Reformen bei den Reformern””

  1. Du hast hier mal irgendwo auf ein Interview hingewiesen, in dem dich dein Gegenüber darauf festnageln wollte, du würdest für einen sicheren, bequemen und zum Mitreden befähigenden Listenplatz auf deine originären Pläne nach Abschluss des Studiums verzichten. Du hast nach einigen Hin und Her gemeint, nein, du würdest doch bei deinen Plänen bleiben und dich nicht mit einem Listenplatz ködern lassen. Ich kann dir nicht sagen, was besser für die Menschen in Deutschland ist – du in den USA oder du auf der Liste der Grünen. Aber du hast dich in diesem Interview mit einem Phänomen befasst, das wir in dem paradoxen Begriff von der Parteiendemokratie zu fassen versuchen, und in diesem Beitrag hier hat es wieder voll zugeschlagen. Ich kann dir nur empfehlen, auch innerparteilich – wenn es denn schon nicht anders als mit Parteien gehen soll – den basis- und direktdemokratischen Kurs konsequent zu verfolgen. Wer weiß, wohin uns sonst die Parteienherrschaft noch führt.

  2. Das habe ich mir nach der Lektüre des Briefs auch gedacht. Das ist einfach nur … unprofessionell. Nun ja.

    Die haben das Reformern nicht mit Löffeln gegessen!

    🙂

    Wie gesagt, ein Augenschmaus auch der Struktur-Teil. Mal sehen, vielleicht gibts bei den Realos bald ne “Offene Mailingliste” oder Länder-Koordinatoren [nicht gegendert].

  3. Ich hatte bisher nur Mails über diesen Brief gelesen — und muss sagen, dass ich in “in echt” so schlimm gar nicht finde (d.h. nicht, dass ich ihn inhaltlich teile, aber ich finde es völlig legitim, wenn eine Strömung versucht, die Situation zu analysieren und sich zu organisieren. Machen wir ja auch). Es sind ein paar üble Ausrutscher drinne (der Stalinismus gehört dazu ebenswo wie einige Dinge, die ich als Fehlinterpretation des Beschlusses auffassen würde), aber im Großen und Ganzen ist das kein Brief, der mir Bauchschmerzen macht.

    Vielleicht kenne ich die Parteiendemokratie schon zu lange …

  4. Mit heimlicher Freude verfolge ich, wie die Grünen damit fortfahren einen eher unbedeutenden Beschluss künstlich auf zu werten.

    Machen wir uns nichts vor. In der Afghanistan-Frage kommt es auf ein Ja oder Nein der Grünen in den Tagen der Großen Koalition nicht an. Die Tornados werden mit oder ohne Grünem Segen weiter fliegen und die Kriegsbemühungen der USA-geführten Befreier unterstützen.
    Und auch das im Nein codifizierte “Wir sind wieder Friedenspartei” wird sein Ziel verfehlen. So schnell vergessen die Leute Kosovo und Co. nicht!

    Bleibt noch die Frage, welche Auswirkungen die öffentliche Zurschaustellung innerparteilicher Streitigkeiten haben wird. Wenigstens wird so über die Grünen gesprochen, wenn auch nicht zwingend gutes.

    Ich verbleibe mit einem Zitat des großen deutschen Nachkriegsphilosophen Andreas Dorau:
    “Das ist Demokratie – Langweilig wird die nie!”

    Mit hanfigen Grüßen
    Steffen

  5. Ich glaube durchaus das die Bevölkerung eine streitende Partei honoriert – weil in dieser sich etwas bewegt, im Gegensatz zu den Einheitsmarschierern mit Quotenrebellen.

  6. Anja und Omid haben uns anscheinend vergessen, wenn sie schreiben:

    ““Es kann nicht angehen, dass die Reformer [nicht gegendert] in kommunaler Verantwortung sich nicht mehr auf Bundesparteitagen sehen lassen und stattdessen zum Teil unerfahrene Neumitglieder schicken.” ”

    DIE REFORMER [nicht gegendert] waren beim Bundesparteitag in Göttingen. Hier der Beweis:
    http://goettingen.wordpress.com/2007/09/15/ralf-fucks-und-die-reformer-beim-afghanistan-parteitag-in-gottingen/

    verwunderte Grüße

    REFORMER Kindler

  7. Einspruch, Dennis,

    die Bevölkerung honoriert eine Partei, die produktiv streitet.

  8. Die Bevölkerung honoriert Parteien die inhaltlich vorankommen. Zumindest unsere Klientel darin.
    Wenn man dafür streiten muß, sei`s drum. Nur auf die Hajduk-Art muss es allerdings wirklich nicht laufen.

  9. Will damit sagen: Stattgegeben!

  10. […] den bereits erwähnten Reaktionen von Ario und Maik findet sich nun bei Julia eine Doppelreaktion. Nämlich einmal ihre eigene und desweiteren hat sie Platz für Peter […]

  11. 07 @ Julia:

    Ich bin mir nicht so sicher, ob *die Bevölkerung* eine Partei honoriert, die produktiv streitet. Überleg dir mal, wie viele Leute BILD lesen. Also, ich bin sehr zurückhaltend mit entmündigenden Anmerkungen, denn das Gespür für Belastungen, die erträglich sind, und solche, die nicht sein dürften, ist verbreiteter, als mancher Berufspolitiker glaubt. Aber Hartz IV gibt es inzwischen seit Jahren. Und an einigen Stellen sind die Verhältnisse himmelschreiend. Und? Hat es einen Aufstand der Anständigen gegeben?

    Außerdem darfst du die Medien nicht vergessen. Wird mal irgendwo disktuiert, gibt es mal innerhalb einer Partei keine Einheitsmeinung, dann wird daraus sofort ein Streit fabriziert. Und wenn “die Leute” “Streit” lesen, dann denken sie an Zank, an Zoff, an Ränke und Intrigen. Und *das* – das weißt du selbst – kommt nicht gut an. Wie aber willst du sicher gehen, dass eine produktive Kontroverse, eine Meinungsverschiedenheit, die sich nicht bereits vor der Pressekonferenz des ersten Abends in Wohlgefallen aufgelöst hat und dort ganz sachlich zur Sprache kommt, sofort kolportiert wird. Es muss ja keine Lüge daraus werden; es gibt sprachliche Mittel… – na, wem erzähle ich das? Also, ich bin mir da nicht so sicher.

  12. Auch wenn die Frage, ob “Streit” in Parteien durch die Bevölkerung honoriert wird oder nicht, sicher nicht uninteressant ist, spielt sie meiner Meinung nach nur eine sekundäre Rolle. Streit – in gewissen geregelten und einen höflichen und solidarischen Umgangston wahrenden Grenzen – gehört notwendigerweise zum politischen Geschäft dazu, ohne Streit keine Auseinandersetzung und damit kein Wettstreit um die besten Konzepte. Es ist also meiner Meinung nach auch ein Gebot der Ehrlichkeit und Transparenz, partei-internen Streit nicht vollkommen “unter dem Deckel zu halten”, wie dies vor allem in den Volksparteien gerne versucht wird, aber zugegebenermaßen auch dort selten gelingt.

  13. Lasst mich hinzufügen dass wir keine “Volkspartei” sind – so werden wir zwar nie über 15% kommmen, aber dafür brauchen wir uns auch nicht um die BILD scheren.