Julia Seeliger
  • Ein Klick für den Mindestlohn

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    4. January 2007 | Trackback | Internet ausdrucken
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    Gerade habe ich bei ver.di für den Mindestlohn unterschrieben. Heute morgen erinnerte ich mich nämlich mal wieder meiner Gewerkschafts-Mitgliedschaft, beim ver.di-Gründungskongress des Unterbezirks Wolfenbüttel-Salzgitter war ich damals beigetreten. Dort war ich mit dem Mikrofon unterwegs – ich berichtete für Radio Okerwelle.

    Seitdem bin ich bei ver.di. Ich bin damals beigetreten, weil ich der Meinung bin, dass Gewerkschaften eine wichtige Rolle in unserem Land haben. Gewerkschaften haben viele ArbeitnehmerInnen-Rechte mühsam erstritten – und sie sind immer noch aktiv, die letzte große Gewerkschaftsdemo, auf der ich war, ist allerdings schon etwas her, es war die gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie. (Beim Link-Suchen zur Dienstleistungsrichtlinie fand ich auch ein Papier [PDF] der LehrerInnen-Gewerkschaft GEW, das sich mit den Auswirkungen dieser Richtlinie befasst.)

    Jetzt habe ich ver.di mal wieder geschrieben, dass ich mich dort gerne mit einmischen möchte (denn es ist ja mein politisches Recht, mich an der Meinungs- und Willensbildung in meiner Gewerkschaft einzubringen!) und gleich eine freundliche E-Mail zurückbekommen. Und unten in der Fußzeile fand sich ein Link zur Mindestlohn-Kampagne. Das wollte ich einfach mal weitergeben.

    Mir ist schon klar, liebe VerfechterInnen eines “Endes der Arbeit” – ihr wollt keinen Mindestlohn, ihr wollt das B – G – E! Aber ich meine, dass wir uns mehr in einem Strukturwandel befinden und nicht am “Point of No Return” in die “Welt, in der die Maschinen arbeiten”. Das wäre zudem auch nicht gerade ökologisch. Aber ich halte es – wie gesagt – auch nicht für realistisch.

    Dazu kommt, dass zahlreiche Grundeinkommensmodelle – wie beispielsweise das von Althaus – kaum über der Hartz-IV-Förderhöhe liegen, wenn Miete und Krankenversicherung (natürlich die CDU-Bürgerprämie!) abgezogen werden.


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9 Responses to “Ein Klick für den Mindestlohn”

  1. Warum muss das BGE denn weit höher als Hartz IV + Miete und Krankenversicherung liegen?
    Das Problem von Hartz IV ist doch weniger die Höhe als der ganze Drangsalierungs- Bürokratie und Bevormundungsapparat der über die Betroffenen gestülpt wird

  2. Die Höhe von Hartz ist schon ziemlich grenzwertig. Etwas würdiger sollte ein Grundeinkommen schon angesiedelt sein. Auch gut für die Binnennachfrage.

    Und was das “Ende der Arbeit” angeht: Das steht weder bevor noch wäre es Ergebnis des Grundeinkommens. Denn der (finanzielle, soziale etc.) Anreiz zur Arbeit besteht ja nach wie vor. Nur der Zwang entfällt.

    Leider gibt es aber Menschen, die ohne wirtschaftlichen Arbeitszwang für weite Teile der Bevölkerung die Welt untergehen sehen.

  3. Fabien Richard

    Es kommt ja auch darauf an, was man als Arbeit definiert. Eine sinnvollen, dein Einzelnen erfüllende Lebensgestaltung ist sicherlich (entgegen der kulturell verbreiteten und von der Politik gestützten Meinung) eben auch abseits der klassischen Erwerbsarbeit denkbar. Eine Wahrheit die sich wenige Spitzenpolitiker auszusprechen wagen, da lügt man den Menschen lieber jahrzehntelang vor dass Vollbeschäftigung im klassischen Sinne möglich sei und genug klassische Erwerbsarbeit möglich sei, die in Würde leben liesse. Trotzdem steigt die strukturelle Erwerbsarbeitslosigkeit stärker und stärker an (auch die aktuellen Arbeitslosenzahlen sind ja kritisch in Hinblick auf die statistische Erfassung von Maßnahmen und Arbeitsgelegenheiten gegen Mehraufwandsentschädigung zu hinterfragen). Und das bedeutet für die Betroffenen oft Perspektivlosigkeit und ein Gefühl, ausgegrenzt zu sein. Aber dieses Gefühl beruht ja nicht auf einem Naturgesetz sondern der in unserer Gesellschaft herrschenden Meinung, ein würdiges Leben sei nur möglich, wenn die betreffende Person im klassischen Sinne beschäftigt ist. Das ist auch der Grund warum Chancen der sg. neuen Bildungs- und Wissensgesellschaft übersehen werden, die ein erhebliches Potential bietet für den einzelnen individuell erfüllende Tätigkeiten.

  4. Julia, ich muss Dir erstens widersprechen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen unbedingt was mit dem Ende der Arbeit zu tun (und sich auch nicht unbedingt mit Mindestlöhnen widerspricht), zweitens drauf hinweisen, dass die Gewerkschaften sich — zumindest, wenn dieser Leserbrief zu dieser Meldung in der taz stimmt — für äußerst ungleiche Mindestlöhne im Plural einsetzen, was mir nicht sehr sinnvoll erscheint, wenn das Instrument wirkungsvoll sein soll, und drittens — und das ist mir am wichtigsten — drauf hinweisen, dass in der letzten Jungle World ein aus meiner Sicht sehr gutes Dossier zum Thema Arbeit drinne war, in dem auch ein bißchen was dazu steht, was die Gewerkschaften grade falsch machen (vgl. auch dein Beitrag kurz vorher zum Thema Prekäre PraktikantInnen).

  5. Erlaube bitte auch mir zu widersprechen:
    Jeder halbwegs zurechnungsfähige BGEler fordert ebenso einen gesetzlichen Mindestlohn. Der Mindestlohn steht nicht konträr zum BGE (und ist schon gar keine Alternative zum BGE).
    Tatsächlich war die Forderung im Sommer von Frau Kipping konkret: Mindestlohn, Arbeitszeitverkürzung, Bedingungsloses Grundeinkommen. Es erfreut uns natürlich ungemein dass ihr euch der Mindestlohnforderung in Köln angeschlossen habt 😉
    Dein Zweifel an der “Maschinenwelt” kann nicht darüber hinwegtäuschen das Millionen an Arbeitskräften unter den gegebenen Umständen tatsächlich überflüssig geworden sind – und zwar nicht durch die angeblich Abwanderung von Arbeitsplätzen ins Ausland (netto gab es in Bezug zum Ausland ein PLUS von 300000 Arbeitsplätzen) sondern eben durch Maschinen.
    Zur Höhe pflichte ich den vorhergehenden Kommentaren bei: Es geht hauptsächlich um die Möglichkeit zur Selbstbestimmung.

    Julia, ich kann mich nur wiederholen: Ich wäre sehr daran interessiert wie du dir eine zukünftige Lösung der Einkommensfrage vorstellst. Es geht dabei nicht nur um Menschen sondern auch um die Zukunft unseres demokratischen Systems. Es wäre vielleicht durchaus angebracht wenn du dich mit dem Thema BGE etwas tiefergehender beschäftigst – immerhin gibst du ja auch Werturteile dazu ab.
    Liebe Grüße
    Dennis

  6. > Jeder halbwegs zurechnungsfähige BGEler fordert ebenso einen gesetzlichen Mindestlohn. Der Mindestlohn steht nicht konträr zum BGE (und ist schon gar keine Alternative zum BGE).

    Na ja, ein Mindestlohn (um Tills Anmerkung aufzugreifen: EIN Mindestlohn) ist ntowendig im gegenwärtigen System. Mit Einführung eines Grundeinkommens würde sich aber die Situation verändern. Die Attraktivität von Erwerbsarbeit in einem Grundeinkommensmodell besteht ja gerade darin, dass sowohl ArbeitnehmerInnen als auch ArbeitgeberInnen davon profitieren: Die ArbeitnehmerIn hat mehr Geld bei gleicher Arbeit und die ArbeitgeberIn muss weniger zahlen. Letzteres betrifft m.E. nicht nur die Sozialabgaben, sondern auch das Gehalt.

  7. Das Ende der Arbeit ist noch lange nicht gekommen, es gibt sowohl noch jede Menge sinnvolle Tätigkeiten (was allerdings nicht das gleiche ist wie Arbeit), die derzeit nicht getan wird und jede Menge die gerne eine sinnvolle Tätigkeit hätten. Bürgerarbeit, also z.B. für mehr Menschlichkeit in der Pflege (das kann derzeit nicht abgerechnet werden und wird deswegen auch nicht gemacht) statt Hartz IV, Mindestlohn statt Working Poor und Grundeinkommen für alle die gerade nicht arbeiten (Schulpflichtige, Studenten, Mütter / Väter, Menschen auf Fortbildung [sagen wir mal durchschnittlich 1 Monat pro Jahr, dann wird das mit dem life long learning auch was]). Die Frage nach dem “B” beim BGE ist eigentlich nur noch die Frage, ob jemand der nicht einmal eine gesellschaftlich sinnvolle Tätigkeit (!= ABM oder sonst ein Dreck) machen will, auch Geld bekommen soll. Ich persönlich bin dagegen, aber lasst uns das doch diskutieren wenn der Rest umgesetzt ist bzw. daran sollte es nicht scheitern.

  8. Wenn der Mindestlohn zu niedrig ist, nützt er nichts
    wenn er zu hoch ist, schädigt er der/dem ArbeitgeberIn –> weniger Beschäftigte –> weniger Umsatz –> noch weniger Beschäftigte
    der Mindestlohn ist imo ein zu starker staatlicher Eingriff in die Wirtschaft
    entweder Grundsicherung oder Grundeinkommen, dann braucht s auch keinen Mindestlohn, bei nem Grundeinkommen der Mindestlohn noch unnötiger, denn dann kann jedeR sich aussuchen, ob er/sie für “unwürdige” Löhne arbeitet oder nicht

  9. Der Mindestlohn ist allenfalls eine Absicherung nach unten, kein Heilmittel. Mir beispielsweise nutzt das Ding gar nix. Mein Stundenlohn liegt über PDS-Forderungsniveau. Ich darf aber halt nur 60 Stunden arbeiten im Monat, hier liegt das Problem des Mindestlohnes.
    Erklärt man dies aber dem lokalen ver.di-Vorsitzenden entgegnet der dir: Dafür finden sich drei Polen die das gerne machen.
    Witzigerweise auf einer BGE-Veranstaltung der Gelsenkirchener Grünen…