zeitrafferin
Julia Seeliger-
16. October 2007 | 8 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
In der Schweiz sind ja bald Wahlen – und die rechtspopulistische SVP um Christoph Blocher (bedingt durch die schweizerische Konkordanzdemokratie bereits jetzt in der Regierung!) macht grenzwertigen Wahlkampf. Als “fremdenfeindlich – nicht rassistisch” beurteilten die Gerichte die Schwarze- Schäfchen- Kampagne, die sich gegen MigrantInnen, Linke und Grüne richtet. Jetzt gibt es auch das passende Online-Game zur Kampagne. Exemplarisch eine Eingangsfrage, bevor es ans Spielen geht:
In keinem Land ist der Ausländeranteil so hoch wie in der Schweiz. Hoch ist auch der Anteil von Ausländern, die hier kriminell werden. Wie hoch war der Ausländeranteil bei den Vergewaltigungen im Jahr 2005?
Die Ziege “Zottel” – ich meine, ein blödes Mecker-Tier – soll die Schweiz vor der drohenden Überfremdung retten. Inhaltlich sieht das dann derartig aus
Ganz typische Ideologieelemente einer rechtspopulistischen Partei: Auf der Kultur-Ebene wird gegen MigrantInnen, “Überfremdung” und mit vermeintlich hohen Kriminalitätsraten polemisiert.
Auf der politisch-demokratischen Ebene gegen das vermeintliche “Bürokratiemonster” EU und deren “Steuervögte”.
Gegen Steuern und “Abzockerei” – da fehlen ja nur noch die “Sozialschmarotzer” – geht es in solchen Parteien auch immer wieder. Das war aber in den 90er-Jahren noch stärker – man unterlässt diese Töne heute vermutlich, weil die Wählerklientel der Populisten inzwischen auch immer häufiger von staatlichen Transferleistungen profitiert. Auf der ökonomischen Ebene werden zum Beispiel Ängste vor der Globalisierung geschürt. In den meisten populistischen Parteien spielt zudem ein Regionalismuselement – beispielsweise das Engagement für eine eigene Sprache, ob jetzt französisch oder rheinisch – eine Rolle.
Seit den 80er-Jahren ist europaweit zu beobachten, dass derartige Parteien entstehen und immer wieder bei Wahlen erschreckend viele Wählerinnen und Wähler – deutlich mehr als 10 Prozent! – an sich binden können. Jedoch ist den Parteien diesen Typs auch gemein, dass sie sehr hierarchisch strukturiert sind und im Allgemeinen auf einen “charismatischen Führer” ausgerichtet sind. Wenn dieser abhanden kommt, ist es dann sehr schnell vorbei mit ihnen – das zeigen die Beispiele der “Schill-Partei” in der Bundesrepublik und der Partei von Pim Fortuyn in den Niederlanden. Das Beispiel Frankreich mit Le Pen zeigt aber auch, dass diese charismatischen Führer “sehr lange Halbwertszeiten” haben können.
Das Phänomen populistischer Parteien ist nicht neu – so gab schon um die Jahrhundertwende in den USA eine “Populist Party“, die vor allen von den vom Strukturwandel (Industrialisierung) bedrohten Farmern im Süden und Westen gewählt wurde. Sie wandte sich gegen “die Banken” und “die Geldwirtschaft” an der Ostküste, gegen die “Zentralregierung” in Washington und gegen die “Gewerkschaften”. Charakteristisches Klientel populistischer Parteien sind – damals wie heute – die so genannten Modernisierungsverlierer. Als weiteres historisches Beispiel für eine populistische Partei werden von Zeit zu Zeit die Narodniki genannt.
Alles in allem war in der Politikwissenschaft lange umstritten, ob es sich bei den genannten Parteien um eine gemeinsame Parteinfamilie handele. Die oben genannten Ideologieelemente helfen aber, die populistische Ideologie – populistisch im politikwissenschaftlichen Sinne! – näher einzugrenzen.
Sehr kompakt und preisgünstig lässt sich zum Thema Populismus im Bändchen “Populismus in Europa“, herausgegeben von Frank Decker, nachlesen. Es ist bei der Bundeszentrale für politische Bildung für zwei Euro erhältlich.
Klappentext:
Als vor etwa 20 Jahren ein neuartiger Typus rechtspopulistischer Parteien in Westeuropa die politische Bühne betrat, war man geneigt, dies als ein kurzfristiges Protestphänomen abzutun. Inzwischen finden sich diese Parteien in fast allen europäischen Ländern. Die meisten von ihnen haben sich in den Parteiensystemen der jeweiligen Staaten dauerhaft etabliert – einige sind sogar in die Regierungen gelangt. In Folge dieser Entwicklung hat der Populismus auch auf die übrigen Parteien übergegriffen. Was als Randerscheinung begann, ist zu einer Herausforderung der Politik und des politischen Systems geworden.
Handelt es sich beim Populismus um eine Ideologie oder nur um einen mit beliebigen Inhalten kombinierbaren politischen Stil? Wie haben die etablierten politischen Kräfte auf die populistische Herausforderung reagiert? Stellen die Populisten eine Gefahr für die Demokratie dar? Diese Fragen werden in einer allgemein-theoretischen Perspektive und im Rahmen von mehreren ländervergleichenden Beiträgen untersucht.
Im Anti-SVP-Blog findet sich das Anti-Zottel-Spiel “Bock Buster”.
“Das “Bock Buster” Game ist da! Du hast drei Versuche, um den Geissbock so weit wie möglich in die Wüste zu schicken. Kick it!
Die Charaktere im Spiel sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit Gegenständen, SVP-Politikern und anderen lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und unbeabsichtigt.”
Inzwischen sind die Schäfchen auch in der Bundesrepublik Deutschland angekommen: Die hessische NPD – die NPD ist keine rechtspopulistische Partei, sie gilt vielmehr als eine im rechtsextremen Spektrum verortete Partei – wird das Motiv für den kommenden Landtagswahlkampf benutzen.
Quelle: Schreenshot npdhessen.deGefunden auf 20minuten.ch
Unter dem Slogan «Sozial geht nur national
8 Kommentare
Einsortiert: andere parteien, europa
Verschlagwortet: chauvinismus, migration, nazis, offene gesellschaft, populismus, rechts, schweiz, svp -
16. October 2007 | 9 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
Morgen, am 17.10. ist der internationale Tag gegen Armut. Ich hab ja eigentlich immer was gegen so Symbol-Aktionen – Live-Aid, Live-Eight und Live-Earth – und auch gegen diesen Kirchen-Barmherzigkeits-Kram, aber diese Menschenketten-Aktion hier hört sich ganz gut und unterstützenswert an.
9 KommentareMittwoch, 17. Oktober 2007: MENSCHENKETTE in Berlin von Obdachlosen und anderen Betroffenen zum 20. “Internationalen Tag der Armutsbekämpfung” der UNO.
Beginn 10 Uhr Hauptbahnhof Berlin, Südausgang Richtung Kanzleramt. 11 Uhr beim “Parlament der Bäume” von Ben Wargin auf der Rückseite des Bundes-Presseamts findet eine “Besinnung” statt mit persönlichen Botschaften der Betroffenen und Beteiligten.
13 Uhr Freies Mittagessen (Erbsensuppe mit Würstchen) für Teilnehmer und Gäste, in Berlins “Guter Stube”, vor dem Französischen Dom auf dem Gendarmenmarkt. Hier Gelegenheit für Interviews und näheres Kennenlernen.
Der UNO-Tag gegen die Armut wird seit 1987 offiziell begangen, in anderen Ländern mehr als in Deutschland. Besonders in Frankreich mit seiner reichen Tradition der Armen-Priester und der Armen-Gemeinden ist dieser Tag immer wieder Anlaß, die Öffentlichkeit auf Ausgrenzung, Gewalt gegen Obdachlose und Hilflose, Notquartiere, Kinderarmut und zunehmendes Elend hinzuweisen.
Nach Berlin-Brandenburg kam diese Tradition über Mascha Join-Lambert, die seit einigen Jahren das “Haus Neudorf” in Friedenfelde/Uckermark betreibt. Über diese Arbeit zeigt der deutsch-französische TV-Kanal arte am Abend des 17. 10 eine ausführliche Dokumentation.
Madame Join-Lambert wird auch bei der Menschenkette anwesend sein und steht für Interviews zur Verfügung. Die Organisation, die diese Memorials in Frankreich, Belgien und Deutschland organisiert, wurde bereits 1957 von dem Armenpfarrer Père Josef Wresinski im “Problemviertel” Noisy-le Grand/Paris gegründet, sie heißt ADT (=Aide à Toute Détresse, auf deutsch ungefähr: Hilfe in jeder Not). Die Partner in Berlin sind viele soziale Hilfsdienste und die Gemeinde Heiligkreuz-Passion in Kreuzberg.
Einsortiert: kapital, weltpolitik
Verschlagwortet: armut, globale gerechtigkeit, kapitalismus, soziales -
14. October 2007 | 3 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
Auf SPIEGEL ONLINE ist ein Interview zum Thema katholische Kirche und Homosexualität erschienen. Das passt ganz gut zu der Sendung “Warum heute noch heiraten” vom vergangenen Mittwoch. Dass ich dort das Wort “Homosexualität” in den Mund nahm, schien zweien meiner Mitdiskutanten schon fast “zu heiß”.
Interviewt auf SPIEGEL ONLINE wurde Hermann Kügler, katholischer Priester und Jesuit.
Es ist ein Vorurteil zu sagen, alle Homosexuellen seien pädophil. Das ist falsch. Pädophile gibt es genauso unter Hetero- oder Bisexuellen. Es ist diskriminierend, wenn man homosexuell empfindenden Menschen unterstellt, sie seien verkappte Kinderschänder.
In der Bibel werden Homosexuelle eigentlich als Heterosexuelle gesehen, die sich aus perversen Neigungen homosexuell verhalten. Das wird abgelehnt. Doch genetisch bedingte Homosexualität kennt die Bibel nicht. Leuten wie Kardinal Meisner würde ich raten, exegetisch und hermeneutisch etwas genauer hinzuschauen.
3 KommentareDie Kirche hinkt bei der Rezeption vieler wissenschaftlicher Einsichten hinterher. Homosexualität etwa gilt heute als normale Variante sexuellen Verhaltens. Sie ist mit dem Willen und therapeutisch nicht zu beeinflussen, so wenig wie wenn Leute rote oder schwarze Haare haben. Die katholische Kirche sieht die Homosexuellen zwar nicht mehr als Sünder an, aber doch als Kranke, denen mit Liebe und Achtung zu begegnen ist.
Einsortiert: familie, religion
Verschlagwortet: gender, homosexualität, kirche, monogamie ist keine lösung, sex -
12. October 2007 | 12 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
Update: Hier das Abstimmungsergebnis nach Abgeordneten aufgeschlüsselt als PDF. Ganz runterscrollen, um die bündnisgrünen Stimmen zu sehen.
Und nun der kleine Text vom vergangenen Dienstag:
Soeben komme ich von der Sitzung der grünen Bundestagsfraktion wieder. Heute war es richtig spannend: Es ging um das Verhalten der Abgeordneten bezüglich des verbundenen ISAF-Tornado-Mandats. Renate Künast und Fritz Kuhn haben das Ergebnis sicherlich auch schon der Presse mitgeteilt – und mit der Probeabstimmung für die jetzt im Bundestag kommende Abstimmung im Deutschen Bundestag bin ich sehr zufrieden. Heute kündigten 26 Abgeordnete an, sich zu enthalten, 5 mit Nein zu stimmen – und 15 mit Ja.
Das ist genau die Tendenz, die dem Parteitagsbeschluss den Respekt zollt, den er verdient. Ich danke allen Beteiligten, die dafür gesorgt haben, dass es zu diesem klaren Abstimmungverhalten kommen wird. Das hat allen Seiten viel Arbeit abverlangt – und die hat sich gelohnt.
Dazu kommt der Entschließungsantrag, den ich noch nicht im Netz gesucht habe, und ein Antrag, der Angela Merkel auffordert, nach Afghanistan zu reisen.
12 Kommentare
Einsortiert: krieg, netz, parteitag
Verschlagwortet: afghanistan, bdk, bündnis 90/die grünen, isaf, parteitag