Julia Seeliger
  • Nicht gesprungen. Und nun?

    10
    30. June 2010 | Trackback | Internet ausdrucken
    scissors

    Jetzt haben sie sich beim Bundespräsidenten enthalten, die Linken. Highlight das Gysi-Statement, unterbrochen von Werner Schulzens Zwischenruf, “ihr hättet über euren SED-Schatten springen können” und das darauf folgende Hin-und-Her-Geduze zwischen Gysi und Schulz.

    Springen, das hat die Linke nicht getan, aber immerhin hat man Luc Jochimsen, die unglaublich öde, parteifilzige Kandidatin zurückgezogen. Im dritten Wahlgang allerdings kaum noch mit Wert.

    Der bessere Kandidat Joachim Gauck wirkte auch als ein von Rot-Grün listig aufgestellter Fallen-Kandidat. Er wirkte verführerisch auf die FDP und stellte gleichzeitig die Linke vor eine harte Prüfung – die sie nicht bestanden hat. Es war zwar unfair, vorher nicht mit der Linken zu sprechen – andererseits ist es abseitig anzunehmen, die Linke hätte Gauck als Kandidaten akzeptiert. Dennoch gab es die Hoffnung, dass eine hinreichend große Zahl von Linke-Anhängern ihn wählen könnte. Eine Fortentwicklung der Partei in Richtung Kompromissfähigkeit wäre wünschenswert, gerade in Hinblick auf mögliche rot-grün-rote Koalitionen, insbesondere einer auf Bundesebene nach 2013 (oder vorher, wenn Schwarz-Gelb aufgibt).

    Von den grünen Realos wird das heutige Verhalten der Linken als Zeichen gedeutet werden, dass nun eine rot-grün-rote Koalition in 2013 unmöglich gemacht ist. Ich sehe das nicht so.

    Meine Hoffnung ist Matthias Platzeck. Dem Platzeck-Statement nach dem Treffen der drei Partei- und Fraktionsspitzen habe ich sehr genau zugehört. Ich habe es so interpretiert, dass der heutige Tag der Beginn sein wird für tiefgehendere Debatten mit der Linken. Ich vermute, dass auch genau dies in dem Spitzentreffen zur Sprache kam und meine, dass noch nicht Hopfen und Malz verloren sind für die rot-grün-rote, für die linke Mehrheit in der Bundesrepublik.

    Ich hoffe, dass die Linke endlich rauskommt aus der Schmollecke, in der sie nur “Krieg und Hartz-IV” schreit. Die Linke behauptet, dass Grüne und SPD ihre Regierungspolitik nicht aufgearbeitet hätten, zuletzt behauptet sie das in einem Beschluss des Parteivorstandes im Mai 2010. Da wird gefordert, dass man erst wieder mit den Parteien Grüne und SPD zusammenarbeiten soll, wenn SPD und Grüne ihre Regierungspolitik widerrufen hätten.

    Die Grünen haben ihre Regierungspolitik aufgearbeitet, zumindest was “Krieg und Hartz-IV” betrifft, nämlich jeweils mit Kommissionen und Parteitagen zu den jeweiligen Themen. Was die SPD hierzu gearbeitet hat, weiß ich nicht – sicherlich wird sie hierbei nicht ganz so weit sein, da sie ja noch vier weitere Jahre regierte und weniger Zeit für die Aufarbeitung hatte.

    Dennoch: Die Behauptung, dass SPD und Grüne Parteien seien, die “dieselbe neoliberale-kriegstreiberische Politik” wie Schwarz-Gelb betreiben würden, ist sachlich falsch. Über solche Bemerkungen, zum Beispiel durch die progressive Katja Kipping, habe ich mich schon 2005 geärgert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Linke weiterhin rot-grün-roten Perspektiven so harsch verweigern wird. Irgendwann kann man das doch nicht mehr erklären, warum man eine sozial-ökologische Politik in diesem Land so erbittert mit solchem Wagenburg-Verhalten torpediert.

    Alles wird gut. Auch wenn die Linke heute nicht über ihren SED-Schatten “gesprungen” ist.


    Einsortiert: andere parteien
    Verschlagwortet:

  • auch noch zum Thema




10 Responses to “Nicht gesprungen. Und nun?”

  1. > Alles wird gut. Auch wenn die Linke heute nicht über ihren SED-Schatten “gesprungen” ist.

    So ist’s, freuen wir uns drauf.

  2. Erfordert aber viel Transpiration.

  3. Ohne Schweiß kein Preis.

    Über Twitter munkelt man gerade, dass SPD und Grüne die Linke zu einem Spitzengespräch eingeladen haben. Merkwürdig, dass es dafür erst zu solchem Geplänkel kommen muss.

  4. […] Ende haben sogar eigentlich intelligente Menschen wie Thomas Knüwer, Julia Seeliger oder Sven Giegold über Twitter verlauten lassen, daß Wulff nur wegen der Linken zum […]

  5. […] Wahl VI: Nicht gesprungen…Zeitrafferin […]

  6. Oh mann,

    Linkenbashing allerorten. Daß die SPD der Linken nicht einen Fußbreit Boden gönnt, ist durchaus nachvollziehbar. Immerhin war die Abspaltung ein echtes Trauma. Anders herum geriert sich die Linke sicher häufig wie ein Halbstarker, der endlich Anerkennung von Vati will. Nun ist es immerhin so weit, daß SPD/Grüne vermehrt über eine Zusammenarbeit mit der Linken nachdenkt – und das ist ja auch nur zu pragmatisch. Dann wäre es doch ein dollet Ding, wenn wenigsten die Grünen sich wie Erwachsene verhalten würden. Die könnten da in vielen Fragen den Kitt und Vermittler machen.
    Aber nee, da wird wieder von SED-Schatten schwadroniert, von nicht bestandenen Prüfungen, etc. Nur mit einem Wort wird erwähnt, daß es im Vorfeld nicht allzu versöhnlich abging: ‘unfair’. Haha.
    Man kann noch ganz andere Gründe haben Gauck nicht wählen zu können/wollen, als die bloße Existenz der gleichnahmigen Behörde. Für meinen Teil ist es völlig absurd, daß SPD/Grüne solch einen konservativ-liberalen Kandidaten aufgestellt haben – die Bauchschmerzen der Linken scheinen mir da ehrlicher zu sein.
    Einfach vorauszusetzen, daß es bei Vorgesprächen mit der Linken nicht um einen anderen, gemeinsamen Kandidaten hätte gehen können, sondern nur um Gauck, den die Linke eh’ nicht gewählt hätte, ist schon ganz schön dickfellig. So sieht Zusammenarbeit sicher nicht aus, und wenn man das Ergbnis bereits festgelegt hat, muß man nun wirklich nicht mehr mit Anderen darüber Sitzungen halten, da hast Du Recht.

    Mann, mann, mann, Frau, frau, frau… Wenn das so weitergeht kann wegen eurer Kleinkinder-Auseinandersetzungen schwarz-Geld sogar mit so ner miesen Performance wie letztens auch nach 2013 unbehelligt weitermachen – wetten?!
    Da trägt das rot-rot-grüne Lager ne Menge Mitschuld.

    Grrr,

    Tyho

  7. BesorgterBürger

    Es gibt kein rot-rot-grünes Lager q.e.d.

    Es gibt eine politische Linke… SPD und auch die Grünen.

    und einen Verein für Zeitvertreib namens Linkspartei, der entgegen seines ersten Eindrucks aber nichts mit Politik zu tun hat.

  8. und einen Verein für Zeitvertreib namens Linkspartei, der entgegen seines ersten Eindrucks aber nichts mit Politik zu tun hat.

    *lol*

    Ganz so gravierend sehe ich das allerdings nicht.

  9. ‘und einen Verein für Zeitvertreib namens Linkspartei, der entgegen seines ersten Eindrucks aber nichts mit Politik zu tun hat.’

    genau das meine ich mit Kindergarten. Mit Pragmatismus und Diskussionsfähigkeit hat das zumindest wenig zu tun.

    Zum Tango gehören immer zwei.

  10. [quote]Es macht ja nicht immer Spaß, Mitglied der Grünen zu sein.[/quote]

    Stimmt.