Julia Seeliger
  • Fahrrad statt Fitness-Studio

    9
    26. May 2007 | Trackback | Internet ausdrucken
    scissors

    Kürzlich fand ich in meinem LaVo-Fach das Magazin des BUND, das ich dann gleich in der BVG durchgelesen hab. Ein Artikel befasste sich mit dem Webauftritt “Einkaufen mit dem Rad“, dort finden sich sinnvolle Tipps, wie sich der Transport optimal gestalten lässt, außerdem finden sich motivierende Argumente.

    • Umweltfreundlichkeit: Liegt auf der Hand
    • Stärkung des Nahraums: Weil RadfahrerInnen eher in der Nähe ihrer Wohnung einkaufen, werden die “vor Ort” vorhandenen Einkaufsmöglichkeiten gestärkt, lebendige Innenstädte mit attraktiven Geschäften bleiben erhalten
    • Gesundheit: Bewegung mit Sinn statt entfremdete Fitness-Fabriken!
    • Konsumverzicht durch begrenzte Transportkapazitäten: Überflüssiger Schnickschnack bleibt einfach im Laden liegen.
    • Zeitgewinn: Nie wieder Stau stehen! Außerdem müssen FahrradfahrerInnen nicht erst mühsam einen Parkplatz suchen
    • Geld: Kein Benzin, keine Steuer, keine Versicherung!

    Weil ich so gerne mit meinem Fahrrad in Berlin herumfahre und die neben mir im Stau stehenden Autos betrachte, war mein Interesse so richtig geweckt und ich bin da gleich mal hingesurft. Der Auftritt wird übrigens auch vom Verkehrsministerium gefördert – immerhin, endlich mal etwas anderes als immer nur weitere Autobahnen zu bauen.

    By the way, Verkehrsministerium: Es gibt übrigens eine Studie, die besagt, dass der Bau einer Autobahn in hochentwickelten Ländern wie Deutschland keinerlei Effekte für die wirtschaftliche Entwicklung einer Region erzielt. Ganz interessant: Erst wenn die Entfernung zur nächsten Autobahnanschlusstelle mehr als 90 Minuten beträgt, sind nachteilige Effekte für die wirtschaftliche Entwicklung zu erkennen. Mancherorts wird durch den Bau einer Autobahn sogar Wirtschaftskraft abgezogen. Ich habe über diese Studie vor zwei Jahren bei einem Vortrag gehört, nähere Infos weiss das Büro Peter Hettlich. Dort kann man die Studie sicherlich auch bekommen, ich weiß leider weder, wer sie durchgeführt hat, noch, wo mensch sie bekommt – online ist sie nicht.

    Das aber nur als Einschub zum Thema “Primat des Autos”. Eigentlich könnte ja alles so schön sein: Warum nehmen wir es eigentlich hin, dass der Boden überall für den schnellen Auto-Verkehrsfluss versiegelt wird, es aber vielerorts keine Fahrradwege gibt? Dass Ampeln so geschaltet werden, dass die Autos optimal in die Stadt hinein und aus der Stadt heraus “fließen” können, die Ampelphase aber nicht einmal lange genug ist, dass FußgängerInnen ohne zu rennen die Straße überqueren können? Hier kann sich noch eine ganze Menge ändern im Autoland Deutschland.

    Eine kleine Polemik zu den berüchtigten BMWs und zu alternativer Verkehrspolitik fand ich in der Mitgliederzeitung “SPUNK” der Grünen Jugend, die ich für diesen Artikel abgetippt habe, da ich sie leider ebenfalls nicht online fand.

    Ein Auto ist ein Auto ist ein Auto …

    … und mehr nicht. Doch Pragmatismus beim Autokauf – in Deutschland Fehlanzeige. Besonders Hochpreismarken wie BMW sind emotional aufgeladene Statussymbole, das Auto ist „der Deutschen liebstes Kind”. Eine einflussreiche Autolobby nimmt immer dann Einfluss, wenn es daran geht, Tempolimits oder Emissions-Höchstgrenzen festzulegen. Und nicht zuletzt war Gerhard Schröder als „Autokanzler” berüchtigt.

    Politik muss eben auch diejenigen bedenken, die sich kein Auto leisten können oder wollen. Bessere Fahrradwege, ein bezahlbarer ÖPNV, ja ganz einfach intelligentere Verkehrsplanung in den Städten und auf dem Land – sich für eine andere Verkehrspolitik einzusetzen, das ist ur-grün.

    Dass das Einkaufen mit dem Rad im ländlichen Raum und mit einer Großfamilie schwieriger ist als in der Metropole, ist klar und muss hier eigentlich nicht diskutiert werden. Ich meine aber, dass insbesondere bei uns in der Stadt noch eine Menge Auto-Emissions-Einsparpotenzial vorhanden ist.

    Das gute Leben (vor allem in der Stadt) gibt’s auch ohne Auto! Gerade in Berlin, einer Stadt mit einem unglaublich dichten Bus- und Bahnnetz könnten sich noch mehr Leute für andere Verkehrsmittel als das Auto entscheiden. Wer da noch im Stau steht, ist selbst schuld.


    Einsortiert: öko, sport


  • auch noch zum Thema




9 Responses to “Fahrrad statt Fitness-Studio”

  1. .. die Frage ist nur, was die Gruenen, insbesondere die Berliner Gruenen, zur Verkehrspolitik in diesem Sinne beitrugen oder beitragen wollen, ich erinnere mich daran, dass es vor Jahren einmal ein Papier gab, dessen revolutionaerste Ankuendigungen darin bestanden, Fahhradstreifen auf diversen Hauptverkehrsstrassen einzufuehren, damit wollte man den Fahhradanteil auf 20% hochschrauben, man nannte Strassen wie die Schoenhauser Allee, die Danziger Strasse, all das sind Strassen, wo auch ein Fahrradstreifen, der evtl. ja sogar als fuer Autos überfahrbar geplant war (so wie dies Planungen in der Invalidenstrase jetzt offenbar vorsehen) SELBSTMORD für jeden Fahrradfahrer sind, insbesondere die Danziger Strasse ist ein Uebungsraum fuer durchgeknallte alkoholisierte Brandenburgis, ich sehe schon die euphorischen Oeko-Muttis mit Kind auf diesen Strassen zermatscht dank naiver halbgarer Gruenen-Politik.

    Der Auto-Idiotie, insbesondere in Grossataedten, kann nur mit radikalen Konzepten begegnet werden, also: Autos raus aus den Innenstaedten, jede Strecke innerhalb Berlins kann komfortabel mit dem Fahhrad zurueckgelegt werden evtl. in Kombination mit Bus/Bahn, das Problem ist einzig und allein der Autoverkehr, der das Fortkommen unmoeglich macht, die Transportfrage, wo nicht durch das Rad loesbar, koennte durch eine ausgekluegelte staatliche Transportlogistik geloest werden, die sich der Methoden der kombinatorischen Optimierung bedient, die TU hat Dutzende von Leuten, die hierin Weltspitze sind, es liegt auf der Hand, dass eine nach Methoden der Optimierung geplante Transportroute eines Moebelhauses etwa das Verkehrsaufkommen, das durch dieses Moebelhaus verursacht wird, um etwa 80% reduzieren koennte, all das gilt in jedem betrachteten Falle.

    Aehnliche Konzepte koennten auf dem Land greifen, optimierte effektive Transportkonzepte, wo Individualverkehr irgend vermeidbar, stark erhoehte Sicherheitsstandards fuer den Fussgaengerschutz muessten zum Standard werden, Autobahnen koennten von mir aus mit Topfpflanzen begruent werden, die Bahn entsprechend ausgebaut.
    Es gibt nach wie 5000 Verkehrstote jaehrlich in Deutschland, 1,2 Millionen weltweit, in Asien und Afrika sterben nach wie vor mehr Menschen im durch Menschen gemachten Autoverkehr als an AIDS, niemanden interessiert das, diese Toten haben keine bedauernde Lobby, keine Benefiz-Konzerte, 600.000 Menschen sind seit 1945 in Deutschland im Autoverkehr gestorben, das einzige was man dagegen jemals unternahm war, solche Pixie-Hefte fuer Kleinkinder zu durcken, auf denen ein Baer erst nach links und dann nach rechts schaute, bevor er über die Strasse ging. Pixie-Hefte drucken: ist es das, was den Gruenen auch heute dazu einfaellt?

  2. ..ach ja: weiterhin braucht es bundesweit an den Verwendungszweck gekoppelte Hubraum- oder CO_2-Limits für den Individualverkehr, wo keine erweiterte Transportindikation vorliegt, etwa in Gewerben, muss das Auto auf seinen minimalen Verwendungszweck projiziert werden, es geht nicht an, dass sonnenbebrillte Machos und Autofetischisten und tumbe Gelaendewagenfahrer weiterhin das Weltklima bestimmen und dank relativem ‘CO_2-Pass’ auch weiterhin bestimmen duerfen: Kleinwagen fuer alle, am besten jedoch: KEIN Wagen fuer alle, motorisierter Individualverkehr ist nichts anderes als ein potentiell mörderisches Identifikationsfeld fuer das Geistesproletariat der Gegenwart, weit entfernt von ZIvilisation.

  3. Liebe Julia!

    Meinst Du die Broschüre “Jobmaschine Straßenbau?” Die gibt es unter http://www.peter-hettlich.de/fileadmin/dokumente/2002_2005/hettlich_jobmaschine_customer.zip.

    Markus

  4. Lieber Andreas!

    Ein Papier der Berliner Bündnisgrünen, in dem die Einführung von Radverkehrsstreifen an Hauptverkehrsstraßen die revolutionärste Forderung ist, ist mir unbekannt. Wenn man so etwas behauptet, dann sollte man auch sagen, um was es sich bei diesem Papier handeln soll.

    Im übrigen ist gegen Radstreifen an Hauptverkehrsstraßen nichts einzuwenden. Diese sind nachweislich sicherer als separat geführte Radwege, weil die meisten Unfälle passieren, wenn Rechtsabbieger Radfahrer übersehen, die auf dem Radweg hinter parkenden Autos, Bäumen u.ä. versteckt sind.

    Die zu schnell fahrenden oder auf den Radstreifen fahrenden und parkenden Autos sind ein Problem für die Ordnungsämter und die Polizei. Leider werden entsprechende Kontrollen kaum durchgeführt.

    Im Wahlprogramm für die Abgeordnetenhauswahlen 2006 finde ich auf S. 31 jedenfalls eine weit revolutionärere Forderung, nämlich die nach “Vision Zero”, d.h., den Verkehr so zu gestalten, daß es keine Verkehrstoten mehr gibt. Dazu gehört natürlich auch die entsprechende Abbremsung und Reduzierung des Autoverkehrs. Dazu gehören auch mehr Radverkehrsstreifen und mehr Tempo 30 Zonen, auch auf Hauptverkehrsstraßen. Leider konnten die entsprechenden grünen Forderungen wie Tempo 30 auf den Hauptverkehrsstraßen bisher nicht durchgesetzt werden. Bündnis 90/ Die Grünen sind im übrigen auch die einzigen, die sich konsequent gegen den Weiterbau der A100 zum Ostkreuz aussprechen, um nur ein weiteres Beispiel zu nennen.

    Markus

  5. ..nun, das erwaehnte Papier ist, wie ich schon schrieb, einige Jahre alt und daher nicht mehr ganz zu zitieren, vielleicht 2003 konnte man derartiges lesen. Die Sicherheit von Radstreifen auf Hauptstrassen ist ein statistisches Moment und haengt eng damit zusammen, dass Fahhradstreifen bisher nur auf solchen Hauptverkehrsstreifen eingefuehrt wurden, wo dies die Platzverhaeltnisse bequem ermoeglichen und die Sicherheit daher hoch ist, auf den erwaehnten Strassen muessten sich aber aller Wahrscheinlichkeit nach Fahrradfahrer und Autofahrer, auch mit Radstreifen, eine Fahrspur teilen, denn niemand kaeme ja auf die Idee, die Schenhauser Allee etwa auf eine Fahrspur zu verengen, oder die Parkspur einzubuessen, aehnliches gilt fuer die Danziger und fuer viele andere Orte, unter diesen Umstaenden sind Fahhradstreifen eine toedliche Gefahr fuer jeden, insbesondere ohne gleichzeitige effektive Tempo-30-Beschraenkung, denn im Gegenteil betraegt das Durchschnittstempo auf den genannten Strassen ja runde 70. Die Gruenen buessen mit ihrer Faehigkeit, radikale Visionen auch evtl. gegen den Willen ihrer eigenen bequemen buergerlichen Klientel zu vertreten, in hohem Masse Effektivitaet ein, aus meiner Sicht ist der Individualverkehr an Orten mit hoher Verkehrdichte fehl am Platz, die schon erwaehnten nach mathematischen Methoden optimierten Transportsysteme, in verbdinung mit dem Fahhrad, wuerden eine voellig neue Lebensqualitaet bedeuten, das heisst aber auch, dass man ‘inndividuelle Freiheiten’ beschneiden muss, das Recht der Sonnenbrillen-Fraktion, aber auch die Rechte der (zahlreichen) arrivierten Oekos, denen das Volk in der U-Bahn nur allzuoft ein Greuel ist.

  6. Untersuchungen, nach denen die Ergebnisse über die geringere Unfallhäufigkeit auf Radstreifen auf statistische Verzerrungen zurückzuführen sind, sind mir unbekannt. Wo finde ich die denn? Und wieso eigentlich fordert auch der ADFC die Anlage von Radstreifen?

    Wieso sollte man denn die Schönhauser Allee nicht auf eine Fahrspur verengen oder die Parkspur abschaffen? Wenn beim gegenwärtigen Zustand nicht genug Platz für einen Fahrradstreifen ist, muß man halt den Platz für den Autoverkehr reduzieren. Ein Vorschlag der Grünen, unter Verzicht auf die Parkspur einen Radfahrstreifen in Chaussee- und Friedrichstraße anzulegen, wurde leider vom Senat abgelehnt.

    Was ist eigentlich an dem Konzept “Null Verkehrstote” nicht radikal genug? Folgt doch daraus, daß alle potentiell für andere Verkehrsteilnehmer tödlichen Verkehrsarten soweit reduziert bzw. unterbunden werden müssen, daß tödliche Unfälle mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sind.

  7. .. das Konzept ‘null Verkehrstote’ ist eine Sprechblase, die dazu vorgeschlagenen Mittel, das ist im wesentlichen mein Argument, untauglich. Es ging darum festzustellen, dass nicht JEDER Radstreifen auf JEDER Hauptverkehrsstrasse eine Verbesserung fuer Radfahrer bedeutet, mit ‘statistischem Moment’ bezeichnete ich ungefaehr diesen Umstand, die ‘hoehere Sicherheit’ der jetzigen Fahhradstreifen haengt direkt damit zusammen, dass der Standard zu ihrer Einfuehrung bisher so hoch war, d.h.: dass so wenige existieren, im Gegenteil scheint das Konzept des Fahrradstreifens seit neuerem darauf hinauszulaufen, den Radstreifen einfach auf die rechte Autospur zu pinseln (Planung Invalidenstrasse), es reicht aber nicht, Linien auf Strassen zu pinseln, ein gutes Beispiel für einen unsicheren Radstreifen ist derjenige auf der Köpenicker Strasse, wo staendige Gefaehrdungen durch Abbieger, Einbieger, Radstreifenüberfahrer, Taxis, Busse, etc. drohen, ganz zu schweigen von der ploetzlichen gefahrsituation an jeder Ampel, hier von einer FAHRRADFREUNDLICHEN Stadt zu reden ist Unsinn: Die Gruenen als buergerliche Partei der Besserverdienenden koennen nicht an einer Vernichtung des Wirtschaftszweiges: Autoindustrie ernsthaft interessiert sein (wie käme dann Bütikofer vom Fleck?), ‘null Verkehrstote’ liefe aber ungefaehr darauf hinaus; meiner Meinung nach, wie schon oben ausgewalzt, ist der motorisierte Individualverkehr zumindest in Grossstaedten generell abzuschaffen und durch effektive oeffentliche Transportkonzepte, ebenso das Fahrrad, zu ersetzen, kein Tempo 30, keine Fahrradstreifen, stattdessen: keine Autos.

  8. ein konzept “null verkehrstote” finde ich zwar toll, aber die forderung an sich doch nicht realistisch. macht man sich mit so etwas nicht eher lächerlich? genauso, wie es keine absolute sicherheit geben kann, wird es auch niemals null verkehrstote geben. sogar die schwebebahn von wuppertal, das wohl immer noch sicherste verkehrsmittel der welt, hat auch schon verkehrstote produziert.

    was solls, eine “vision zero” macht auf jeden fall eine richtung auf, und in diese richtung möchte ich sehr gerne mitgehen!

    ich würde die schönhauser allee auch gerne verengen, jedoch würde ich genauso die ampeln gerne anders schalten, mehr bereiche autofrei haben oder auch die benutzung des fahrrades noch mehr vorantreiben. und natürlich hätte ich gerne allerorts breite fahrradwege mit gutem boden.

    aber verkehr ist nicht so mein thema, da kennen sich andere viel besser aus.

  9. […] Nachtrag: link! […]