zeitrafferin
Julia Seeliger-
12. December 2007 | 10 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
Wie sich im Wikipedia-Artikel zur Bundesratswahl 2007 nachlesen lässt, ist der Rechtspopulist Christoph Blocher bei der Bundesratswahl gescheitert. Die rechtspopulistische SVP ist aufgrund des in der Schweiz herrschenden Konkordanzprinzips bisher weiterhin in der Regierung vertreten – möglich ist es aber, dass jetzt revoltionäre Umbrüche im dortigen System stattfinden und die SVP als größte Fraktion in die Opposition geht.
Die Nicht-Wahl Blochers kann auf jeden Fall als großer Erfolg gewertet worden, denn es ist in der Schweiz eigentlich üblich, dass wiederkandidierende Bundesräte auch gewählt werden. Insgesamt sind erst drei Regierungsmitglieder abgewählt worden, nach über hundert Jahren letztmals 2003. Damals gelang es besagtem Christoph Blocher und der SVP, der Christlich-Demokratischen Volkspartei einen Sitz abzujagen. An Blochers Stelle gewählt ist vorerst seine Parteikollegin Eveline Widmer-Schlumpf, man geht jedoch davon aus, dass Widmer-Schlumpf die Wahl nicht annehmen wird. Die SVPlerin hatte gar nicht kandidiert, denn sie war nicht anwesend gewesen, sondern war von Sozialdemokraten und Grünen vorgeschlagen worden. What a hack! Jetzt ist zu erwarten, dass die SVP als größte Fraktion in die Opposition gehen wird – für das Schweizer System “Konkordanzdemokratie”, wo nur die kleinsten Fraktionen – wie beispielsweise die Grünen – nicht in der Regierung vertreten sind, eine Revolution.
Über Blochers rassistische Wahlkampagne hatte ich berichtet. Dort finden sich auch grundlegende Informationen über den “neuen Rechtspopulismus”. Unten ein Screenshot aus dem Spiel “Zottel rettet die Schweiz”, mit diesem Spiel hatte die SVP – als Teil der so genannten “Schwarze-Schäfchen-Kampagne” – Wahlkampf gemacht.
Die NPD Hessen hat diese Kampagne offenbar für den kommenden Landestagswahlkampf übernommen.
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11. December 2007 | 24 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
… wurde ich heute von Stern Online befragt.
Grünen-Parteiratsmitglied Julia Seeliger bezichtigte die Koalition wegen der geplanten Reform der “Prüderie”. “Das Vorhaben steht für eine Politik, die gegen eine offene und moderne Gesellschaft gerichtet ist”, sagte Seeliger stern.de. “Ich glaube nicht, dass die Koalition eine geistig-moralische Wende einläuten will. Aber von Prüderie kann man sprechen”, sagte sie.
Die Grünen-Politikerin griff auch Justizministerin Zypries scharf an. “Ich finde es befremdlich, dass sich Frau Zypries nicht an ihre Jugend erinnert. Denn ich glaube nicht, dass sie keinen Sex vor ihrem 18. Lebensjahr hatte oder keinen Jungen angefasst hat”, so Seeliger. Sollten die Änderungen wie vom Justizministerium geplant trotz der Kritik umgesetzt werden, befürchte sie, sagte Seeliger, dass künftig Sexualität zwischen Jugendlichen in Deutschland künftig kriminalisiert werde. Deshalb sehe sie keinen Handlungsbedarf. “Es gibt im bisherigen Regelwerk keine Gesetzeslücken. Um Kinder und Jugendliche vor Missbrauch zu schützen, helfen keine weiteren Verbote. Stattdessen muss es einen gesellschaftlichen Diskurs geben. Das wichtige ist aber, Kinder stark zu machen, so dass sie nein sagen können – dem läuft der Gesetzentwurf aber entgegen.”
Gestern hatte auch SPIEGEL ONLINE darüber berichtet. Und in meinem Bravo-Kritik-Artikel wurde das Thema schon gestern andiskutiert.
Was bei der Medienlese auffiel: Stets wird von “Täter” – und nicht “Täterin” – gesprochen, auch die Beispiele waren von klassischen Geschlechterrollen geprägt. Das gilt nicht nur für SPIEGEL ONLINE, von wo das nachfolgende Zitat ist, sondern auch für die Print-Ausgabe der Süddeutschen, die ich heute morgen am Frühstückstisch las.
Das Streicheln ihrer Brüste etwa könnte schon dann strafbar sein, weil die Einladung dann als “Entgelt” gilt. Geld- oder gar Haftstrafe drohen auch demjenigen, der eine “Zwangslage” ausnutzt – etwa wenn er versucht, mit einer Jugendlichen intim zu werden, die mangels einer Fahrgelegenheit nach einer Party bei ihm übernachtet.
Unterbewusst werden Mädchen und Frauen somit automatisch als “Opfer” gedacht. Self-fulfilling Prophecy …
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11. December 2007 | Ein Kommentar | Trackback | Internet ausdrucken
Oft war ich mit den Artikeln von Franz Walter (SPD) nicht so zufrieden, im letzten Jahr fiel er ja vor allem mit seinen “Träumen von Jamaika” auf. Doch dieser, “Die neue Kantinen-Mentalität”, ein Artikel über gewandelte Beziehungsbilder in der CDU – sowohl gelebt als auch programmatisch – ist so hervorragend, dass ich gar nicht weiß, was ich darauf zitieren soll. Aufhänger ist die gescheiterte Ehe von Günter Oettinger.
Diese sozialkulturelle, von den Roten und Grünen kräftig geförderte Entwicklung öffnete den Raum eben auch für christdemokratische Führungsleute, neue Liebes- und Paarbeziehung zu beginnen. In den ersten Jahrzehnten der rheinisch-katholisch geprägten Alt-Bundesrepublik wäre das für einen prominenten CDU-Repräsentanten politisch sehr viel weniger gefahrlos gewesen, weil er damit in den eigenen Reihen und der dort produzierten gesellschaftlichen Normmentalität auf Widerstand und kräftige Ablehnung gestoßen wäre.
Zumindest was das Liebesleben betreffe, herrsche in der Bundesrepublik eine “Allparteienkaolition”. Die “Zeit der Kulturkämpfe” sei vorbei, für die CDU werde es eng, das Bild werde diffuser, man werde auch programmatisch zu einem “Gemischtwarenladen”.
In der modernen CDU herrscht normativ gleichsam eine Kantinenmentalität. Man nimmt sich aus den Vitrinen, was kulinarisch jeweils gefällt. Daher fällt auch das neue Programm der CDU so auffällig sammelsurisch aus.
Auch an der Patriotismus-Front haben sich Umwälzungen ergeben, auch dieses Thema habe die Union nicht mehr für sich gepachtet, es eigne sich somit auch nicht als identitätsstiftendes Moment:
Zu den kittenden Feinden der Christlichen Union gehörten einst insbesondere auch die Kritiker des Nationalen, die Polemiker gegen Heimat und Patriotismus. Doch dieser Typus befindet sich heute massenhafter im global agierenden Bürgertum als unter den Schutz- und Protektionssozialisten der eher kleinbürgerlichen Restlinken.
Konservativ-katholische Prinzipienorthodoxie zumindest, die sei unter den Führungsfiguren der CDU rar geworden.
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10. December 2007 | 34 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
Die Bravo kann man ja wirklich auch mal kritisieren. Zum Beispiel erschienen in der Ausgabe 25 der BravoGIRL unter dem Titel “Darüber lachen Jungs” extrem sexistische Witze, ich ruf Euch auch alle auf, da LeserInnenbriefe zu schreiben.
Zwei der Witze:
“Sagt ein Mann zu seinem Freund: “Ich habe meiner Frau eine Gasmaske zum Geburtstag geschenkt.” Freund: “Eine Gasmaske?”- “Ja, erstens sieht sie damit besser aus und wenn ich den Stöpsel zuhalte, dann zappelt sie so schön beim Sex.”
“Wann fährt eine Frau in den Winterurlaub? Nie, denn zwischen Küche und Schlafzimmer fällt kein Schnee!”
Ich lache ja auch gerne und mache auch häufig und mit Leidenschaft politisch unkorrekte Witze, aber ich finde, das ist doch zu viel für ein Magazin, das von Neun- bis Zwölfjährigen gelesen wird. Astrid Rothe-Beinlich. frauenpolitische Sprecherin des grünen Bundesvorstandes, hat deswegen auch schon einen LeserInnenbrief an die Bravo gesendet.
Nicht genug, dass Frauen und Mädchen in diesen „Witzen“ einzig als Sexobjekte diskreditiert und erniedrigt werden. Die Mädchen sollen sich auch noch zusätzlich lächerlich machen, indem sie diese weitergeben. Wie passt dies mit dem Anspruch zusammen, Mädchen zu einer selbstbewussten Persönlichkeit bilden und zu selbstbestimmter Sexualität erziehen zu wollen?
Ihnen muss bewusst sein, dass ein derart fahrlässiger Umgang mit Sexismen und Frauenverachtung Folgen haben und zur Legitimation derartigen Handelns unter Jungen und Männern dienen kann – schließlich soll darüber sogar gelacht werden, ganz nach dem Motto: Mädel hab Dich nicht so. Ich rede hier von sexueller Gewalt, die durch Sie aufs Unerträgliche verharmlost wird.
Das kann ich nur unterschreiben – da werden schon kleine Mädchen eingenordet, ihre Bedürfnisse nicht zu artikulieren, da werden kleine Mädchen darauf getrimmt, der passive, unterwürfige, “zappelnde” Part zu sein. Wenn sie dann später Sex haben, haben sie bestimmte Rollenbilder schon verinnerlicht. Ich habe kein Problem mit Sex, aber ich habe ein Problem damit, wenn Rollenbilder in den Medien vorkommen (das können Billig-Pornos auf youporn sein, oder eben diese bescheuerten Witze in der BravoGIRL), die dazu führen, dass gesellschaftliche Klischees verfestigt werden, was dazu führt, dass Vorstellungen von Sex existieren, die dazu führen können, dass die Bedürfnisse von Frauen nicht oder nur unzureichend befriedigt werden.
Dazu kommen, was man an dieser Stelle auch mal beachten sollte, natürlich die Bedürfnisse aufgeklärter Männer, die ebenfalls keinen Bock auf Sexismus und permanente Erniedrigung von Frauen haben. Ich möchte hier niemand auch bashen, der oder die auf Erniedrigung steht und das betreibt. Letztlich kann man auch noch die Heteronormativität kritisieren, aber eine solch weitgehende Kritik ist bei einem derart chauvinistischen Sexismus wohl eine Ecke zu weit gedacht – man sollte diesen Aspekt aber auch noch anführen, ich hab die BRAVO lange nicht mehr gelesen, gehe aber davon aus, dass die Lebensrealitäten von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Transgendern and Friends da inzwischen auch vorkommt.
Wenn aber in so früher Jugend Rollen eingeübt werden, Verhaltens- und Denkweisen eingeschliffen, dann ist es nicht einfach, sich für die eine oder die andere Art, Sex zu haben, zu entscheiden. Dann nimmt Frau Erniedrigung, schlechten Sex und Sexismus einfach so hin. Franz-Josef Wagner würden solche Frauen gefallen, der ist ja offenbar auch mit “langsamem Sex” überfordert
Wie viele Schwiegermütter soll ein Mensch/Mann noch ertragen? Wie oft soll er hören, dass er nicht auf die Toilettenbrille pinkeln soll und den tropfenden Wasserhahn im Bad reparieren – und langsam beim Sex sein soll?
… aber wer hört schon auf FJ Wagner? Ich nicht! Deswegen finde ich es sehr richtig, dass Astrid diesen Brief verfasst hat. Solch ein Sexismus darf nicht unkommentiert stehen bleiben!
Ganz sexfeindlich gibt sich dagegen die konservative Kampagne “Aktion Kinder in Gefahr”. Dort kann ein Appell an Merkel, Köhler und Von der Leyen unterschrieben werden, der die BRAVO “stoppen” soll.
In was für einer Welt werden unsere Kinder und Enkel aufwachsen, wenn die Flut von Pornographie, Blasphemie und Unmoral in den Medien immer weiter ansteigt?
Aber der Feind Nr. 1 der Kinder ist die Zeitschrift BRAVO, die jede Woche mit einer Auflagenstärke von 800.000 Exemplaren erscheint und schon von Kindern ab sechs Jahren gelesen wird, wie der Verlag in einer Presseerklärung vom 29. Juni 1999 selbst zugibt. Es darf nicht so weitergehen, daß die Kindheit in Deutschland durch sogenannte “Jugendzeitschriften” wie BRAVO, die in Wahrheit erotische Blätter sind, zerstört wird.
Das bewerte ich selbstredend ganz anders: Es wurden keine Kindheiten zerstört, sondern gerettet. Millionen Kinder und Jugendliche wurden durch “Dr. Sommer” aufgeklärt, sie haben gelernt, wie sie sich vor Aids oder ungewollten Schwangerschaften schützen können. Das ist ein großer Verdienst der Bravo. Und wenn nicht das Schwesterblatt “BravoGIRL” sexistische, erniedrigende und überhaupt nicht kindgerechte Witze abdrucken würde, würde ich direkt, sofort, jetzt, eine laut klingende Lobeshymne anstimmen.
Gerade gefunden: Kadda hat bereits gestern einen Artikel bei Neon zum selben Thema verfasst. Darin finden sich drei Thesen
Welche Botschaft schickt BRAVO Girl?
- Nur wer gut aussieht und sich „richtig“ stylt und bewegt, kann ein gutes Selbstbewusstsein haben – ist etwas wert
- Diese gut gestylten Girls sollen akzeptieren, dass es normal ist, wenn Jungs über gewaltverherrlichende, frauenfeindliche und diskriminierende Witze lachen und
- Zeigen, dass sie sich selbst auch nicht ernst nehmen können, indem sie den Jungs noch solche Witze erzählen.
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