Julia Seeliger
  • Beziehungsl(i)eben: Hervorragender Artikel von Franz Walter

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    11. December 2007 | Trackback | Internet ausdrucken
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    Oft war ich mit den Artikeln von Franz Walter (SPD) nicht so zufrieden, im letzten Jahr fiel er ja vor allem mit seinen “Träumen von Jamaika” auf. Doch dieser, “Die neue Kantinen-Mentalität”, ein Artikel über gewandelte Beziehungsbilder in der CDU – sowohl gelebt als auch programmatisch – ist so hervorragend, dass ich gar nicht weiß, was ich darauf zitieren soll. Aufhänger ist die gescheiterte Ehe von Günter Oettinger.

    Diese sozialkulturelle, von den Roten und Grünen kräftig geförderte Entwicklung öffnete den Raum eben auch für christdemokratische Führungsleute, neue Liebes- und Paarbeziehung zu beginnen. In den ersten Jahrzehnten der rheinisch-katholisch geprägten Alt-Bundesrepublik wäre das für einen prominenten CDU-Repräsentanten politisch sehr viel weniger gefahrlos gewesen, weil er damit in den eigenen Reihen und der dort produzierten gesellschaftlichen Normmentalität auf Widerstand und kräftige Ablehnung gestoßen wäre.

    Zumindest was das Liebesleben betreffe, herrsche in der Bundesrepublik eine “Allparteienkaolition”. Die “Zeit der Kulturkämpfe” sei vorbei, für die CDU werde es eng, das Bild werde diffuser, man werde auch programmatisch zu einem “Gemischtwarenladen”.

    In der modernen CDU herrscht normativ gleichsam eine Kantinenmentalität. Man nimmt sich aus den Vitrinen, was kulinarisch jeweils gefällt. Daher fällt auch das neue Programm der CDU so auffällig sammelsurisch aus.

    Auch an der Patriotismus-Front haben sich Umwälzungen ergeben, auch dieses Thema habe die Union nicht mehr für sich gepachtet, es eigne sich somit auch nicht als identitätsstiftendes Moment:

    Zu den kittenden Feinden der Christlichen Union gehörten einst insbesondere auch die Kritiker des Nationalen, die Polemiker gegen Heimat und Patriotismus. Doch dieser Typus befindet sich heute massenhafter im global agierenden Bürgertum als unter den Schutz- und Protektionssozialisten der eher kleinbürgerlichen Restlinken.

    Konservativ-katholische Prinzipienorthodoxie zumindest, die sei unter den Führungsfiguren der CDU rar geworden.


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One Response to “Beziehungsl(i)eben: Hervorragender Artikel von Franz Walter”

  1. Was libertäre Beziehungsmoral mit fehlender Authentizität in der CDU zu tun hat, bleibt mir verschlossen. Klar kann die CDU keinen Kulturkampf mehr gewinnen. Aber der Schluss, dass aus fehlenden bürgerlich-konservativen Werten nun gewissermaßen ein Vakuum entsteht, in dem keine verlässlichen Werte mehr zu finden sind, ist etwas unscharf: Schließlich wird durch die Akzeptanz von Oettingers Trennung von seiner Frau nicht nur die Aufweichung der ehemaligen Normen auch innerhalb der CDU deutlich – die offensichtliche Billigung des Vorgangs zeigt schließlich nur, dass die “traditionelle” Einstellungen (selbst in der CDU) überkommen sind. Und Respekt vor Individualität ist an sich schon ein Wert.

    Was die Glaubwürdigkeit angeht, kann man sich auf Parteien sowieso nicht verlassen, sondern sollte nach den Menschen gehen. Derart große Vereine haben zwangsläufig eine gewisse Breite, sofern ihre Mitgliedern Individualität zugestanden wird.