Julia Seeliger
  • Skurril: Festgehalten wegen Schäublone

    6
    19. September 2007 | Trackback | Internet ausdrucken
    scissors

    Wie auf jetzt.de zu lesen ist, wurde ein bayerischer Informatikstudent wegen eines Schäublonen-Aufklebers am Auto festgehalten und für Stunden mit auf die Polizeiwache genommen.

    Bis vor zwei Wochen war Thomas K. ein unbescholtener Bürger. Dann wird der 22-jährige Informatikstudent aus München bei einer Polizeikontrolle in Schwabing angehalten, sein Auto durchsucht. An der Innenseite eines Fensters prangt das Konterfei von Innenminister Wolfgang Schäuble im Stil einer Graffitischablone – mit der Aufschrift „Stasi 2.0“.

    Der Anfangsverdacht lautete auf “Beleidigung”. Jetzt kam erstmal auf der Mailingliste des AK Vorratsdatenspeicherung heraus:

    Nach §194 StGB wird Beleidigung nur auf Antrag des Beleidigten verfolgt, also nur, wenn Schäuble Strafanzeige erstattet. Die Verfolgung von Amts wegen findet nicht statt. Die Staatsanwaltschaft darf daher kein Ermittlungsverfahren einleiten. Beleidigung ist kein Offizialdelikt.

    Ich selbst hab solche Bilder bisher nicht veröffentlicht und hole dies hiermit nach. Vielleicht verklagt mich Herr Schäuble ja – wenn er sich beleidigt fühlt …

    Schäublone

    Dass ich das bisher nicht veröffentlicht hab, liegt aber nicht daran, dass ich das Anliegen, sich gegen den Schäuble-Überwachungsstaat einzusetzen, nicht teile – im Gegenteil. Jedoch finde ich die Gleichsetzung von der Stasi-Überwachung mit den Plänen von Schäuble falsch. Apokalyptische Vorstellungen wie die, dass Schäuble gesetzlich vorbereitet, was dann ein kommender Diktator umsetzt, finde ich unlauter und wenig zielführend bei dem Kampf gegen Schäubles Unrechtsstaats-Überlegungen.


    Einsortiert: aktivismus, polizei, überwachung, vielfalt
    Verschlagwortet:

  • auch noch zum Thema




6 Responses to “Skurril: Festgehalten wegen Schäublone”

  1. Ihr lest den falschen Paragraphen: Sieh mal in §90b I StGB. Ob die Tat weiter verfolgt wird, muss das Organ entscheiden nach §90 II StGB, vorher steht aber erstmal die Ermittlung an. Im Ermittlungsverfahren wird ja erstmal alles abgeklopft, rechtliche Bewandnis hat es soweit nicht. Das einzig verwunderliche ist für mich, dass es solange gedauert hat, bis es wenigstens mal ein Ermittlungsverfahren gibt – immerhin wird hier der Bundesinnenminister mit einer verbrecherischen Organisation der DDR nicht nur gleichgesetzt sondern durch seine Darstellung sogar stellvertretend erwähnt.
    Bleibt abzuwarten, ob das Verfahren direkt eingestellt wird (immerhin gibt es ja noch eine Meinungsäusserungsfreiheit und ich wage nicht zu beurteilen, ob das schon eine Schmähkritik oder gar Beleidigung ist). Ich denke, der Minister wird durchaus noch den politischen Instinkt haben und bei Information durch die Ermittlungsbehörde keine weitere Verfolgung der Sache wünschen.

    @Julia: Du hast einen neuen Fan lese ich gerade? Wenn Fr. Pauli die Ehe befristen will (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,506669,00.html) erinnert mich das stark an “monogamie ist keine Lösung”.

  2. Das mit Frau Pauli ist echt super, ich werde ihr einen Motivationsbrief für ihre Kandidatur am Wochenende senden!

  3. Es ist allein schon eine Frechheit, dass der Typ überhaupt belästigt wurde. Wenn so ein T-Shirt nicht mehr erlaubt ist, dann will ich nicht wissen was uns noch blüht. “Stasi 2.0” ist dermaßen augenzwinkernd, dass es selbst dem simplesten Gemüt ins Gesicht springen sollte. Natürlich ist es (bislang) eine Übertreibung, aber das ist doch gerade das Humorvolle.

  4. Ich glaube nicht, dass die Schäublone eine diktatorische Absicht unterstellt. Die Stasi war ja auch nicht das gleiche wie die SED, und an jedem Vergleich lässt sich ein hinkendes Bein finden. Stasi 2.0 ist vor allem ein aufrüttelnder Protest gegen zu weit gehende Überwachungsmaßnahmen, die sich einer demokratischen Kontrolle entziehen und wie Du ja selbst sagst, einen Unrechts-Staat manifestieren könnten. Wie kann sichergestellt werden, dass das BKA keine zweite Stasi wird, wenn ihr die weitreichenden Befugnisse einer Geheimpolizei erteilt werden.

  5. > Apokalyptische Vorstellungen wie die, dass Schäuble gesetzlich vorbereitet, was dann ein kommender Diktator umsetzt, finde ich unlauter und wenig zielführend bei dem Kampf gegen Schäubles Unrechtsstaats-Überlegungen.

    Würde Schäuble alles umsetzen können, was er möchte, bräuchte kein Diktator mehr zu kommen, dann wäre er selber einer. Und in der Tat werden heute in Demokratien Überwachungsmaßnahmen umgesetzt, die an Unrechtsstaaten erinnern (siehe ein paar Millionen Videokameras in Großbritannien). Ob der große Bruder nun indirekt aus dem Deutschen Bundestag oder aus dem SED-Politbüro hervorgeht, ist vom faktischen und rechtsstaatlichen Ergebnis her so ziemlich egal.

  6. @Jens: §90 StGB II – der alte Fahnen- und Wappenparagraph? Seit wann ist die Schäublone ein hoheitliches Zeichen? Selbst wenn man § 90 I.1 StGB sehr weit auslegt, wird man den Bundesinnenminister als Verfassungsorgan kaum mit Stasi 2.0 + Schäublone _böswillig_ verächtlich machen können, da ganz sicher die Protestbewegung im Vordergrund steht. Das ist noch dünner als eine antraglose Ermittlung via §185 StGB. Da schlug mal wieder bayerischer Übereifer breit zu. Bleibt zu hoffen, dass das öffentliche Augenmerk hier eine Hofgerichtsentscheidung in FJS-Tradition verhindert.