Julia Seeliger
  • not my president … aber.

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    2. June 2010 | Trackback | Internet ausdrucken
    scissors

    Ursula von der Leyen soll Bundespräsidentin werden. In der Netzcommunity gehen die Hüte hoch, denn von der Leyen ist dort ein rotes Tuch, seit sie im Jahr 2009 (mit dem Argument, sie wolle Kinderpornografie bekämpfen) Internetsperren propagierte. Das sorgte (mit Recht!) für viel Empörung, es formierte sich eine Massenbewegung für Freiheit im Netz – gegen “Zensursula” (Kunstwort aus “Ursula von der Leyen” und “Zensur”).

    Jetzt also geht es wieder gegen “Zensursula”. Schon gibt es eine Kampagne “Not my president”, die aber eher deren Anhänger blamiert. Dass es bei “Not my president” keine/n Gegenkandidat/in gibt, ist zu verschmerzen – im Notfall könnte man ja auch noch eine Lolcat aufstellen. Das eigentlich kritikwürdige: Sollte es nicht eigentlich so sein, dass einem auch andere Themen als nur die Netzpolitik wichtig sind? Im Übrigen sollte man noch mal kurz drüber nachdenken: Es gibt neben den Von-der-Leyen’schen Netzsperren noch andere Gesetze: Zum Beispiel das BKA-Gesetz und die Vorratsdatenspeicherung.

    Zwar würde ich als Linke Von der Leyen ungern wählen. Dennoch: Wenn sie dann gewählt ist – woran angesichts der Verhältnisse in der Bundesversammlung wenig Zweifel besteht – so finde ich sie als Bundespräsidentin schon ok. Es gibt schlimmere in der CDU. Formulierungen wie “Not my president” passen zu George W. Bush. Wer solches auf Von der Leyen anwendet, zeigt nur seine mangelnde politische Differenzierungs-Kompetenz.

    Ich selbst hätte gerne eine schöne Sommerkampagne mit einer renommierten Person, die Von der Leyen explizit in der Netzpolitik etwas weltanschaulich Fundiertes entgegensetzen kann, gemacht. Den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag mehr an die Öffentlichkeit gebracht und die mittelfristige Zukunft des Netzes. Präsidial gefachsimpelt: “Was sind unsere Werte? Wo wollen wir hin?”. Und nebenbei noch buntes und aktionistisches gemacht. Den Netzsperren-Sommer 2009 nochmal revivaln lassen. (hach, wat war et schön … )

    sperrwache

    Sperrwache am 18.6. am Brandenburger Tor.

    Leider fiel mir nur eine passende Netzcommunity-Kandidatin ein, und die will nicht. Andere Kandidaten finden sich nicht. Jens Reich, Hans-Jürgen Papier oder Gerhart Baum oder Leutheusser-Schnarrenberger – gähn. Ich füge da noch Marianne Birthler und Joschka Fischer hinzu, dann könnten das auch die Grünen vorschlagen.

    Deswegen werde ich den Präsidentschaftswahlkampf an mir vorbeiziehen lassen. Meine freie Zeit hätte ich ja sehr gern für eine bunte Sommer-Netzpolitik-Kampagne (die übrigens so gut wie fertig ist) genutzt. Jetzt also: in den Park gehen, tanzen und Drogen nehmen.

    Denn ab morgen beginnt er endlich: der Sommer!


    Foto: Franz Patzig/CC-BY



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82 Responses to “not my president … aber.”

  1. als Ministerpräsidententochter und Adelige schwebt sie von Natur aus schon in höheren Sphären, also warum nicht?

    Mehr Sorgen macht mir, dass jemand ins Arbeitsministerium folgen könnte, der die Hartz IV Empfänger sinnlos mehr quält (natürlich ohne an die Wurzeln des Problems zu gehen), um sich beim konservativen Stammtischflügel der regierenden Koalition und dessen Wählern einzuschleimen.

  2. Im Arbeitsministerium folgt Rüttgers. Ist doch logisch.

  3. als Bundespräsidentin schon ok ? Bei dem offensichtlichen Postengeschachere und von der Leyens Zensur-Wahlkampf-Gebahren finde ich diese Formulierung arg verfehlt. So eine Person sollte das deutsche Volk nicht vertreten.

  4. @Julia

    du bist schlau, aber erklär mir bitte mal jetzt schon genau, was da in NRW bei der Regierungsbildung rauskommen wird…

  5. Ach erlehmann. 🙂 Du findest VdL also so schlimm wie George W. Bush? Dann bist du wohl einer dieser “Piraten” 😀

  6. “‘Der’ Netzcommunity gehen die Hüte hoch”? Wer ist “die” Netzcommunity? Mein Eindruck ist, dass zu Recht Frau von der Leyen die Eigenung für das Amt abgesprochen wird. Hierfür gibt es viele Gründe. Das netzpolitische Moment ist dabei nur ein Teilaspekt. Weitere Argumente gibt es unter anderem in diesen Quellen:
    http://www.youtube.com/watch?v=4bho19Rvoso&feature=youtu.be&a
    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32741/1.html
    http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/1-6-millionen-euro-die-teure-imagepflege-der-ursula-von-der-leyen;2593210

  7. Darf man fragen, welchen Kandidaten du für fähig halten würdest, auch wenn du ihn nicht willst? 🙂

  8. “als Bundespräsidentin schon ok”? Ich finde mitnichten, dass von der Leyen ein Profil hat, das auf das Amt des Bundespräsidenten passt. Intellektuell, Denkerin, Ausgleichend, zur richtigen Zeit die richtigen kritischen Worte sagen, Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen? Kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Wer sollte wohl Maßstab sein: Carstens oder von Weizsäcker?

  9. Dein Hauptargument ist also das die Netzgemeinde Zensi auf ein Thema runterreduziert.

    Dabei müsstest du nur *ein wenig* genauer hinschauen und würdest viele Links zu weiteren Schandtaten von ihr finden.

    http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/1-6-millionen-euro-die-teure-imagepflege-der-ursula-von-der-leyen;2593210

    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32741/1.html

    http://www.cdu.de/archiv/2370_25847.htm

    http://www.youtube.com/watch?v=oHYSuGIj9Ws&feature=youtu.be&a

    Hinter diesen Links geht es um weit mehr als nur Netzthemen.

  10. Niko

    Du hast mich falsch verstanden.
    Ich halte eine Kandidatin für eine solche Kampagne explizit gegen Leyen (und gegen eine schlechte Netzpolitik) für geeignet. Vielleicht gibt es noch mehr. Kennst du welche? Über Vorschläge wäre ich sehr gücklich.

    Von der Leyen halte ich für fähig, aber ich will sie nicht. Norbert Lammert halte ich für geeignet. Auch viele andere.

    Aber für den Zweck, den ich oben nannte, sind die gemachten banalen Vorschläge (Reich, Papier, Baum, Schnarri) nicht geeignet. Die anderen können ja ihr Bundesverfassungsgericht huldigen oder sonstwas, ich mach da nicht mit.

    jens23 Von der Leyen ist mir bekannt. Dennoch gibt es in der CDU viel schlimmere. Auch wenn ihr Vater Ernst Albrecht ist.

  11. Und nur weil es noch Schlimmere gibt ist sie schon geeignet für den Posten des Bundespräsidenten? *amkopfkratz*

  12. Liebe Julia,

    man braucht kein Pirat zu sein, um VdL als unfähig fürs Präsidentenamt zu halten. Warum du voraussetzt, dass man so “schlimm” sein muss wie George W. Bush, um “not my president” sein zu können, erschließt sich mir nicht. Ich denke, dass man durchaus anders und “weniger schlimm” sein kann als der ehemalige US-Präsident, um nicht geeignet zu sein. (Letztlich hinkt der Vergleich sowieso zu stark, da dem Präsidenten in den USA deutlich mehr Kompetenzen zukommen als in Deutschland.)

    Gerade der Punkt, den du ansprichst, ist nicht nur für die Netzgemeinde wichtig: Die Kampagne im Frühjahr und Sommer 2009! Internetsperren sind nicht das einzige Thema, das in der Politik wichtig ist. Aber hier zeigt sich doch, dass Frau von der Leyen vermutlich nicht dazu befähigt scheint (selbst mit juristischen Beratern!), das Grundgesetz zu achten. Viele Juristen und auch Bürger haben dem Gesetzentwurf früh bescheinigt, verfassungswidrig zu sein – sie hielt daran fest. Nur durch Änderungen wurde es später überhaupt unterschrieben – vorher wurden jedoch massive Bedenken seitens des ehemaligen Bundespräsidenten angekündigt.

    Als Bundespräsidentin wäre es ihre Aufgabe, Gesetze auf Verfassungskonformität zu überprüfen. Das traue ich ihr nicht zu.
    (Und das ist nur ein Aspekt, warum sie nicht geeignet ist, das Bundespräsidentenamt auszufüllen.)

  13. Tja, dann engagier dich, wenn dein Herz blutet und deine Seele weh tut, wenn VdL Präsidentin ist.

    Och, und die Grundgesetz-Bemerkungen sind ja auch putzig.

  14. Du liebst die Provokation und bist auch echt gut darin *verneig* 🙂

  15. Frau v.d.L. ist nicht mal ministrabel, geschweige denn in irgendeiner Form geeignet für das höchste Staatsamt!
    Sie hat im Leben bisher nichts geleistet, ausser die Tochter von Ernst Albrecht zu sein, reich zu heiraten und in der Folge sieben Bälger auszuscheißen. In der CDU reicht das evt. als Qualifikation zur Familienministerin, aber sonst?

  16. Frau v.d.L. ist nicht mal ministrabel

    Hallo, Realitätscheck!

  17. >Das eigentlich kritikwürdige: Sollte es nicht eigentlich so sein, dass einem auch andere Themen als nur die Netzpolitik wichtig sind?

    Ganz genau. Und genau deshalb ist von der Leyen ungeeignet. Ihr Verhalten bei der Zensurkampagne ist nur ihr allerschönstes Werk.

  18. Ihr Verhalten bei der Zensurkampagne ist nur ihr allerschönstes Werk.

    Kennst du noch andere Argumente?

  19. Ach bitte, bei diesem “not my president” mach ich doch auch nicht mit. Und du hast ja Recht: Die ist kein Bush (dafür müsste sie erstmal einen Krieg beginnen, Gefangenenlager einrichten und Kinderbücher falschherum halten).

    “Ok” ist sie allerdings nicht: Eine Person mit selbstverschuldetem Scheiß-Image sollte eben keinen repräsentativen Posten besetzen.

  20. Ihr Image ist nur in deinen Augen “Scheiße”. Allgemeinpolitisch gesehen gibt es bei Leyen Licht ud Schatten. In der Familienpolitik hat sie im Nachhinein gesehen etwas Gutes bewirkt. Man beachte, dass ihre Nachfolgerin Köhler .. äh Schröder Leyens Fortschritte gerade abwirtschaftet (Elterngeld für Arme wird voraussichtlich gekürzt).

  21. Deine Bemerkungen, dass “mein Herz [blute] und meine Seele weh [tue]” haben nicht im geringsten mit meinen Äußerungen zu tun. Und ob und wie ich mich engagiere, werde ich schon sehen. Doch geht es hier um meine Meinung, oder nicht? Du gibst auch deine Meinung wieder und rufst nicht zu Aktivismus auf, VdL zu unterstützen. Darum geht es nämlich gar nicht.

    Es wäre auch schön, eine längere Antwort darauf zu erhalten, warum meine Grundgesetz-Antworten “putzig” seien. Wenn es kein gutes Argument meinerseits ist, mach’ mir doch einfach schnell klar, wo ich mich irre. Dann haben wir das aus der Welt geschafft.

    (Im Übrigen scheint mir, dass du deine Kommentatoren nicht ernst nimmst. Aber das ist wieder ein anderes Thema.)

  22. [Grundgesetz-Bemerkungen] natürlich.

  23. Adliss
    Das da oben waren zwei Antworten in einem Kommentar. Auf dich bezog sich nur das mit dem Grundgesetz.

    Mich nervt explizit (zum Beispiel auch bei Piraten), dass sie keine eigene Wertebasis nennen, sondern stets nur “das Grundgesetz” hochhalten. Das finde ich hohl und entleert, genauso wie die Angewohnheit, das Bundesverfassungsgericht abzufeiern.

    Ich finde das Grundgesetz-Argument bei Leyen nicht stichhaltig. Das Netzsperren-Gesetz wurde von der ganzen großen Koalition beschlossen. Da ist das Problem, nicht beim “Grüßaugust”.

    Leyen würde das nicht besser und nicht schlechter machen als andere. Sie hat da Juristen im Bundespräsidialamt.

    Ich kann deswegen nicht alle Kommentare in meinem Blog ernst nehmen, ja so ist es. Vielleicht mal wirkliche Argumente nennen, warum man jetzt die Welle gegen Leyen machen muss? ich weiß es nämlich leider nicht.

  24. Guter Punkt: Plom hat sich ja auch schon zu Recht über diesen Verfassungspatriotismus lustig gemacht. Und dabei muss man gar nicht lange nachdenken, um bei GG oder BVerfG fragwürdige Normen zu finden, z.B. die nur Männer betreffende Wehrpflicht oder diese Sache mit dem Inzestverbot (sexuelle Selbstbestimmung, my ass).

  25. Ich hab es gerade schon getwittert. Für eine Kampagne gegen Zensursula wäre die natürliche Gegenkandidatin Franziska Heine. #mypresident

  26. Für eine Kampagne gegen Zensursula wäre die natürliche Gegenkandidatin Franziska Heine.

    Die ist leider noch nicht 40 Jahre alt.

  27. Die ist leider noch nicht 40 Jahre alt.

    Es geht um eine symbolische Kampagne.

  28. Es geht um eine symbolische Kampagne.

    Ich hätte lieber eine etwas ernsthaftere symbolische Kampagne gehabt. Mit einer Kandidatin über 40, die von einem Mitglied der Bundesversammlung vorgeschlagen wird.

  29. Finde es etwas schräg, der “Netzcommunity” jetzt vorzuwerfen, ihren Unmut über eine Kandidatin ohne Hinweis auf potenzielle GegenkandidatInnen zu äußern. Und auch wenn die Zensurdebatte nicht alles ist – eine Ministerin, die wohl doch am meisten Aufsehen durch die “Zensursula”-Debatte erregt hat, halte ich für das Amt der Bundespräsidentin nicht für geeignet.

    Ich möchte eine Bundespräsidentin oder einen Bundespräsidenten, die für Eigenständigkeit, eine liberale Grundhaltung und parteiübergreifende Integrität steht. Ursula von der Leyen tut dies nicht. Einige der ehemaligen BundesverfassungsgerichtspräsidentInnen passen dagegen ganz gut zu diesem Anspruch, und auch die derzeitige Justizministerin könnte ich mir gut vorstellen. Ebenso wie ein paar “schwarz-grüne” Alternativen von Töpfer bis Fischer. Insofern finde ich, auch wenn der Stil diskutiert werden kann, gut, wenn das Netz zeigt, dass es ein Gedächtnis hat.

    Das hilft nun leider nicht wirklich dabei, die PräsidentInnen-Wahl entscheidend zu beeinflussen. Was mich dabei gerade wirklich ärgert (und was mich letztlich auch an den letzten ein bis zwei Absätzen in deinem Blogpost oben stört), ist die Tatsache, dass FDP und SPD Medienberichten zufolge jetzt schon signalisieren, dass Ursula von der Leyen ja eigentlich doch ganz gut geeignet wäre. Das geht mir zu schnell – und ist mir zu Merkel-hörig.

  30. Ah, I see. Dann habe ich das falsch verstanden mit dem ersten Teil deiner Antwort. 🙂

    Ich kann verstehen, dass es nervt, wenn Leute ohne eigene Meinung das GG vorschieben und das BVerG abfeiern. Darum ging es bei mir aber weniger: Es ist wichtig, dass man das GG ins Spiel bringt, denn es ist das für den Präsidenten bindende Dokument. Wenn man einen des versuchten Mordes Verurteilten als Strafrichter vorschlägt, hältst du das doch sicher auch für unpassend, oder?

    Ich finde das Grundgesetz-Argument bei Leyen nicht stichhaltig. Das Netzsperren-Gesetz wurde von der ganzen großen Koalition beschlossen.

    Das wurde beschlossen, richtig. Aber die Frage ist doch, ob das richtig war. Denn, egal ob andere zugestimmt haben oder nicht: Es war VdL Idee, sie hat sie vorangetrieben. Und völlig egal, ob da noch mehr Leute sitzen, die der gleichen Meinung waren wie VdL oder “viel schlimmer sind” – das rechtfertigt nicht die Probleme, die mit dem Gesetz einhergingen. (Hier kommt die eigene Wertebasis ins Spiel:) Das Netzsperren-Gesetz schränkt die Freiheiten derer ein, die sich rechtskonform verhalten, um diejenigen zu verfolgen, die sich rechtswidrig verhalten. Das halte ich für kritikwürdig. Ich schätze Freiheit mehr als Sicherheit. Ich bin bereit, gewisse Risiken in Kauf zu nehmen, um ein bestimmtes Maß an Freiheit zu erhalten. Zudem war das Gesetz einfach unwirksam, da der Kinderschutz nicht im Vordergrund stand. Aber darauf will ich nicht weiter eingehen, das wurde schon oft genug durchgekaut.

    VdL hat selbst mit den juristischen Beratern nicht zurückgesteckt. Warum sollte sie also im Bundespräsidialamt – ebenfalls mit juristischen Beratern – anders handeln?

    (Wie gesagt, ist es ein anderes Thema, wie du deine Kommentatoren behandelst. Ich kann verstehen, dass man einige nicht ernst nehmen kann.)

  31. Aber Till:

    Wer wäre der/die Gegenkandidat/in?

    Ich finde Leyen, wie gesagt, auch nicht toll. Aber es ist erstens sachlich falsch, sie auf die Netzsperren zu reduzieren (auch wenn sie da keine gute und auch keine präsidiale Figur gemacht hat) und mich stört das um so mehr, weil es viele gibt, die meinen, Politik in Deutschland hätte mit der Netzsperren-Debatte begonnen. Da verallgemeinern sie wohl ihr eigenes Leben (ohne seit letztem Jahr dazugelernt zu haben).

    Mir wäre auch jemand anderes lieber (Lammert, jemand liberales überparteiliches), aber wir haben auch Köhler überlebt (der immerhin als Argentinien-Zerstörer startete).

    Zum Glück haben die Bundespräsidenten in Deutschland nicht so viel zu sagen. Deswegen, so finde ich, sollte man sich lieber auf wichtigeres fokussieren. Und deswegen schrieb ich auch, dass die Große Koalition die Netzsperren beschloss, nicht Köhler und dass auch Leyen mit ihren Unterschriften nur das Elend unterzeichnet, das das Parlament ihm vorlegte.

    Und es gäbe auch einige, die mir weniger lieb wären. Aber im Grunde, wie gesagt, haben die Präsidenten nicht so viel zu sagen, und das ist auch gut so.

    Ich fand deswegen auch die Kritik an Köhler, als er das Netzsperren-Gesetz unterschrieb, falsch. Diejenigen, die das Netzsperren-Gesetz aufheben können, sitzen im Bundestag.

  32. @Julia: Du machst mein ich genau den gleichen Fehler, denn du hier der “Zensursula”-Gruppe vorwirfst, wenn du GegenkandidatInnen daran misst, ob sie netzpolitik-kampagenfähig sind. So verstehe ich das jedenfalls.

    Gerade mit einem Politikverständnis, dass nicht erst mit der Netzsperren-Debatte anfängt, und mit dem Verständnis, dass eine Bundespräsidentin eher eine symbolische Funktion ist, wäre es jetzt – genau in diesem Moment – möglich, eine Mehrheit für z.B. Leutheusser-Schnarrenberger zu organisieren. Oder für Töpfer. Aber nein: es verläuft alles nach Schema F, die schwarz-gelbe Regierung einigt sich auf Merkels Vorschlag, und weil die SPD die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung kennt, gibt sie sich dann – nach ein paar Luftballons gestern – staatsmännisch und signalisiert Zustimmung. Und plötzlich ist – wie bei der großen Koalition, die das Netzsperrengesetz unterschrieben hat – die Wut der Community auf “Zensursula” das einzige, was zumindest symbolisch noch vor deren Einzug in Bellevue steht.

    Warum dann noch 1244 Menschen am 30.6. zu einer Bundesversammlung fahren müssen, erschließt sich mir nicht so wirklich. Hier wünsche ich mir manchmal eine mutigere Republik mit mutigeren Parteien – und finde diese (Grundsatz-)Frage wichtiger als die Frage, welche Aktionsformen zur Äußerung symbolischen Protests besser geeignet sind, und welche nicht.

  33. Till, es ist nicht möglich, eine Mehrheit gegen Schwarz-Gelb zu organisieren, und dass Schnarrenberger antritt (und gewählt wird), ist auch nicht realistisch.

    Es ist klar, dass eiine Person von der schwarz-gelben Koalition aufgestellt wird. Wenn sie keine gemeinsame aufstellen, sind sie am Ende, und wenn eine gemeinsame Kandidat/in nicht gewählt wird, auch. Deswegen werden sie alles tun, damit sie sicher durchs Ziel gehen bei der Bundesversammlung (das ist doch klar).

    Was wäre also das Ziel einer Kampagne mit einem Kopf, der VdL entgegensteht gewesen? Netzthemen wie Jugendmedienschutz-Staatsvertrag etc. voranbringen. Dafür hätte es aber eine Kandidatin gebraucht.

    So, wie das jetzt läuft, ist das einfach nur noch regressive Anti-Politik, gemacht von einigen mehr oder weniger gutaussehenden Männern und ranzigen Twitter-Accounts ohne Wertebasis.

  34. Genau das ist mein Problem 😉 – dass die Bundesregierung für sich beansprucht, den Präsidenten oder die Präsidentin auszusuchen. Ich will in einem Land leben, in dem ein Verfassungsorgan “Bundesversammlung” nicht nach der Pfeife der Kanzlerin tanzt. Dass das unrealistisch ist, ist mir auch klar. Unmöglich finde ich es nicht. Und insofern ist meine persönliche Kampagne die, die Konstruiertheit scheinbarer realpolitischer Sachzwänge ins Licht zu tragen.

    Aber doch nochmal zur Netzpolitik. Die Wahl ist am 30.6. Auch wenn die Bundesversammlung (realpolitisch gesehen) eine reine Showveranstaltung werden wird, können diese vier Wochen – wenn Ursula von der Leyen tatsächlich die designierte Kandidatin sein wird – dazu genutzt werden, eine Kampagne hochzuziehen. Bisher ist es keine – sondern der graswurzelige Unmut vieler über eine Entscheidung, die sie persönlich als völlig enttäuschend wahrnehmen. So jedenfalls meine Wahrnehmung, ohne Einblick in (Berliner) Hintergründe. Das ist weder Politik noch Antipolitik, sondern ein vorpolitisches Grummeln. Und wer auch immer die Zeit dazu hat, dieses Grummeln – das in den nächsten vier Wochen anhalten wird, wenn die Kandidatin UvdL heißt – zu kanalisieren, hat damit einen ziemlich großen politischen Resonanzraum – ob mit oder ohne Kopf an der Spitze.

  35. können diese vier Wochen – wenn Ursula von der Leyen tatsächlich die designierte Kandidatin sein wird – dazu genutzt werden, eine Kampagne hochzuziehen

    Ja, Alter! ich schrieb doch, dass die Kampagne bereits fertig ist. Bei einer Präsidentschaftswahl braucht man aber nun mal einen Kopf. Und ohne find ich’s echt nicht attraktiv.

  36. Es ist keine schlüssige Argumentation, der “Kampagne” (für mich sind das eher bloße Meinungsäußerungen, bzw. Unmutsbekundungen) vorzuwerfen, sie beschränke sich auf das Politikfeld “Netzpolitik” und gleichzeitig eine Gegenkandidatur zu befürworten, die von der Leyen auf dem Gebiet der Netzpolitik etwas entgegensetzen soll.

    Nein, von einer guten Bundespräsidentin erwarte ich intellektuelle und rhetorische Fähigkeiten, sowie ein reflektiertes Urteilsvermögen. Sie sollte auch unabhängig von tagespolitischen Fragen Debatten anstoßen, sprich eigenständige Gedanken entwickelen können. Beides kann VDL nicht, ihre familienpolitischen Ansätze in Ehren (aber auch die war eher am schwarz-gelben Klientel ausgerichtet. Beispiel: Steuerliche Absetzbarkeit von privater Kinderbetreuung.) Moderne und emanzipatorische Familienpolitik sähe anders aus. Aber zumindest innerhalb der CDU war das Avandgarde. Ich kenne von ihr keine Grundsatzrede zu anderen wichtigen politischen Gegenwarts- und Zukunftsfragen. Man kann ihr unterstellen, dass sich ihre Herangehensweise beim Thema Netzsperren verallgemeinern lässt und sie sich auch anderen Problemen auf diese Weise nähert. Abwarten, was noch passiert.

  37. Im Verfassungsblog wurde ja bereits Di Fabio als guter Kandidat vorgeschlagen.

    Dass er allerdings von der CDU aufgestellt werden würde, ist doch dann eher unwahrscheinlich. Parteisoldaten gibs für den Posten ja genug…

  38. no: siehe hier

  39. Betrachten wir das Amt des Bundespräsidenten mal nüchtern, so stellen wir zwei Dinge fest: Der Amtsinhaber repräsentiert einerseits Deutschland – das könnte UvdL vielleicht ganz gut; aber andererseits ist er die letzte ethisch-moralische Instanz, die Gesetze unterzeichnet. Und ob UvdL wirklich prüft, ob die Gesetze “zum Wohle des Volkes” sind, ob sie dem Volk “nutzen” oder “Schaden von ihm abwenden”, wage ich dann doch etwas zu bezweifeln. Ich wünschte mir in diesem Amt jemand, der Gesetze wirklich auf diese Punkte prüft und nicht aus (partei)politischem Kalkül handelt.
    Die nächste Instanz (das BVG) entscheidet nach GG-konformität, nicht aber nach ethisch-moralischen Normen. In Deutschland (wie in vielen Ländern der Welt) fehlt aber eine solche Instanz oder sie wird mit Personen besetzt, die eher machtorientierten Interessen folgen, als tatsächlich im Sinne des Volkes zu handeln.
    Sicher sollte man gegenüber UvdL unvoreingenommen sein; kann man das aber? Neutralität sehe ich bei ihr leider nicht und “unter dem Wohle des Volkes” verstehe ich dann doch wieder etwas anderes (leider schweigen sich die Leute darüber aus, die sich an Eides statt dazu verpflichteten, was sie darunter verstehen).

  40. @Julia: Na, dann haben sich jetzt zumindest diverse Missverständnisse aus dem Weg geräumt. Ich gebe zu, ich habe ein paar Sachen in deinem Eintrag eher überflogen – und hatte das, was ich bisher auf Twitter von “not my president” mitgekriegt habe, in der Tat nicht für eine Kampagne gehalten, sondern für Ideen und Basteläußerungen einzelner Wesen aus der Multitude. Und habe mit dem Bild im Kopf deine Äußerungen zu einer Sommerkampagne irgendwie eher so verstanden, dass die mediale Dominanz der Präsidentschaftswahl eine – schon fertige unabhängige Sommerkampagne – überlagern würde. Mein Fehler.

    Bleibt die Frage: 29 Tage sind noch ein bißchen Zeit. Wieso bist du so sicher, dass das eine Kampagne ohne Kopf wird – wenn’s nur um die Symbolpolitik geht, hat die Kopffindung doch auch noch bis z.B. Montag Zeit, und kann dann in einem geschickten Moment platziert werden. Wer entscheidet sowas?

  41. Wer entscheidet sowas?

    Frag Markus. Nehme an, er weiß bescheid. Ich nicht. Will mich nicht mit Zensursula-Sprühschablonen wo hinstellen und “Bundeshitlerin” rufen. Ich gehe, wie gesagt, in den Park.

  42. Auch im Park lässt sich kampagnieren. Nee, ernsthaft: ein Artikel/Blogpost über die internen Machtstrukturen und die Entscheidungsfindungen der “Netzbewegung” wäre zwar vermutlich etwas, mit dem du dich bei ziemlich vielen Leuten unbeliebt machen würdest, wäre aber möglicherweise mal an der Zeit.

  43. Dass du gerne eine Alternativkandidatur hättest, sollte inzwischen jedem deutlich geworten sein 😉 Ich habe mich auf den Blogeintrag bezogen und nicht auf die Kommentare. Dein Posting hebt sich nicht von denenen ab, die du kritisierst. Es geht in eine andere Richtung, ist aber auch eine, wie Till schreibt, “vorpolitische”, aus einer spontanen Abneigung heraus geschriebene Meinungsäußerung. Ich glaube nicht, dass die Kampagne “fertig” ist. Und zwar deshalb, weil es noch keine offizielle Nominierung gibt und von einer “Kampagne” auch noch nicht die Rede sein kann. Sollte es eine Kampagne sein, könnte diese beides leisten: 1. breit gefächterte und fundierte Kritik an vdl (hierfür wäre eine gründliche Recherche zur politischen Karriere dieser Frau und zu ihren Standpunkten sinnvoll) 2. Bessere Kandidaten ins Spiel bringen, die deutlich die Schächen von VDL aufzeigen. Mir fallen ehrlich gesagt kaum passende Figuren ein. Die Person sollte nämlich von mehr Ahnung haben als “nur” von Netzpolitik. Das alles sind Träumereien angesichts der hiesigen Medienlandschaft und dem Einfluss derartiger netzbasierter Kampagnen. Die Realpolitik hat Till ja treffend analysiert. Kritik daran ist dennoch wichtig.

  44. Till: Ach nein.

    no: Kampagnenziel? Mir gehts nicht um einen anderen Kandidaten, da ich, wie ich ja schrieb, davon ausgehe, dass VdL sicher gewählt wird, wenn Schwarz-Gelb sie aufstellt.

    Somit kann das Kampagnenziel nur sein: Mit einer charismatischen, inteligenten, präsidialen Kandidatin das Netzthema in Erinnerung an 2009 nochmal hochzuziehen und eine Debatte zu starten, wie es mit dem Netz und der Regulierung dessen in Deutschland weitergehen kann (und das ganze überdies konsistent in ein modernes Gesellschaftsbild einbetten).

    Ohne Kopf wird das aber nichts.

    Mein Ziel ist es nicht, Herrn Papier oder sonstwen als Gegenkandidaten zu installieren. Das muss dann schon die SPD tun.

  45. skibbi

    Ich finde mitnichten, dass von der Leyen ein Profil hat, das auf das Amt des Bundespräsidenten passt. Intellektuell, Denkerin, Ausgleichend, zur richtigen Zeit die richtigen kritischen Worte sagen

    Für mich ist alles ok, was nicht schlimmer als Köhler ist. Natürlich ist sie kein Weizsäcker.

  46. Wundert mich ein wenig, aber ich gehöre wohl doch zur Minderheit wenn ich sage am meisten stört mich nicht der Inhalt ihrer Politik, sondern die Art und Weise wie die Diskussion geführt wurde.
    Das Thema CP und Netzsperren kam IMHO nur auf um von ihrer wenig erfolgreichen Politik abzulenken. Sie hatte während der Diskussion offensichtlich kein Interesse an der Wahrheit, gegen ende des Wahlkampfs hat sie sich dann einfach irgendwelchen Mist ausgedacht (Indien das Kinderpornoparadies…).
    Und seit der Wahl wurde das Thema von ihr garnicht mehr angesprochen, würde sie das machen wenn sie wirklich von der Wirksamkeit überzeugt ist ?

    Deswegen wär mir z.B. der Lammert lieber, mit dem stimme ich politisch auch nicht zu, aber er wirkt auf mich nicht wie ein machthungriger Zyniker. (Vielleicht weiß ich einfach zu wenig über den 😛 )

    Viele in der Interwebcommunity überreagieren aber, stimmt.
    Mal sehen, vielleicht bekommen wir ja amerikanische Verhältnisse und es bilden sich Nerdmilizen wegen der Ursubama.

    Cheers.

  47. Bitte jemand mit Profil…

    Nach dem vielkommentierten Rücktritt Köhlers, ist Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen quasi designierte Bundespräsidentin. Eine Frau mit einen kometenhaften Aufstieg, der entgegen widersprüchlicher Angaben Karriere und Familie nicht vereinte, …

  48. Julia Seeliger

    Ich bin über Netzpolitik hier gelandet. Ich denke, Sie liegen richtig: Die Zensur-Ulla Debatte interessiert in Berlin keinen Menschen. Es geht nur um die Zukunft der regierenden Koalition. Da hat man für Zensur keine Zeit … . Da ist aber auch die Frage nach der Qualifikation der Kandidatin nur von begrenztem Interesse. Sie muss halt in die politische Landschaft passen.

  49. ach, jetzt werden poster auf netzpolitik von dir als trolle beschimpft. sehr schön. ein grund mehr deine seite nicht mehr zu besuchen. ich weiss. du kannst auf mich verzichten….ist ok..

  50. robert: Nö. nicht alle auf netzpolitik.org sind Trolle. Aber schon ne ganze Menge. Bist du gar selbst einer? Deine Argumentation “ich komm nie nie nie wieder her” hört sich an die “ich kündige mein taz-abo” (obwohl ich gar keins habe) oder “ich wähle die grünen nie wieder (hab ich ja im ernst eh nie gemacht)

    Also, bist du nur in deiner Trollehre beleidigt? Oder sind bei netzpolitik.org wirklich kaum Trolle? (ehrlich gesagt hab ich das in der Vergangenheit anders gesehen, und ist ja auch ok. Dann schreiben sie da und kommen nicht zu mir)

    nice guy: Lammert wäre echt ganz gut. Aber wenn Schwarz-gelb Leyen will (und so siehts aus), dann kriegen wir Leyen.