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Kommerz-CSD subversiv gehackt!
8Ein kleiner Hack war das schon: Auf der gestrigen CSD-Parade in Köln sollte eine nicht angemeldete Fußtruppe der Parade verwiesen werden. Die Situation: Wir waren noch nicht weit gekommen, gerade mal auf dem Anstieg zur “Deutzer Brücke”, da reihte sich eine Gruppe hinter uns ein. Es waren gute alte Bekannte aus meinen Zeiten im Schwulen- und Lesbenzentrum Bonn. Sofort kamen wir ins Gespräch, Begrüßungsküsschen wurden ausgetauscht, und wir begannen über alte Zeiten und neue Projekte (beispielsweise eine Reise zum CSD Rostock) zu plaudern. Nebenbei wummerten die Bässe des grünen Paradewagens, Begrüßungsgetränke wurden kredenzt.
Doch die Freunde währte nicht lange, das Unheil nahte in Gestalt eines netten, aber in jener Situation gemein aussehenden CSD-Verwaltungstyps. Die Gruppe sei nicht angemeldet und müsse die Parade verlassen. Er wollte den KKK (Kessenicher Kegel Klub, eine Fußtruppe aus Bonn, die in freundlich lächelnden rosa Polohemden demonstrierte) doch tatsächlich von der Straße werfen. Die Gruppe hatte sich nichts zuschulden kommen lassen – sie gehörte nur nicht zum “offiziellen CSD”.
Nach meiner Auffassung ist der CSD eine Demonstration gegen sexuelle Diskriminierung, für die Rechte von Schwulen und Lesben, Bisexuellen und Transgendern (and friends), eine Demonstration für Vielfalt und Toleranz. Der CSD ist eine Veranstaltung der Offenheit, für eine Gesellschaft, in der niemand ausgeschlossen ist. Ich kann verstehen, dass man im Vorfeld der Veranstaltung plant und verhindert, dass allzu viele Wagen mitfahren – und mit “allzu viele” meine ich “so viele Wagen, dass der Zug viel zu lange Zeit brauchen würde, um einmal durch Köln zu fahren”. Jedoch meine ich, dass auf einer Demonstration erst einmal alle teilnehmen dürfen und ihren politischen Auffassungen Ausdruck verleihen dürfen. Eine Einschränkung: Menschenverachtendes Gedankengut, das hat nicht nur auf dem CSD keinen Platz!
Der Kessenicher Kegel Klub wollte aber nur bei jener gestrigen Demonstration gegen sexuelle Diskriminierung (CSD) mitlaufen und allerhöchstens nebenbei noch ein bisschen tanzen und Lebensfreude versprühen. Das jedoch schien den CSD-OrganisatorInnen jedoch nicht zu gefallen, die Truppe sollte raus. Das wollten wir nicht auf uns sitzen lassen! Die Nachricht vom möglichen Rausschmiss einer engagierten Laufgruppe wurde von uns an die Leute auf dem grünen Paradewagen kommuniziert. Mein Misstrauen gegen eventuelle spießige Tendenzen in unserer Partei war groß: Lautstark forderte ich ein, dass mensch “etwas tun” müsse!
Etwas, und zwar etwas sehr gutes – das tat die Crew auf dem grünen Paradewagen dann auch: Kurzerhand wurden die “Überall wirds wärmer”-Shirts von oben heruntergereicht. “Überall wirds wärmer” war das offizielle CSD-Shirt der Kölner Grünen. Damit wurde der Kessenicher Kegel Klub zu einem Teil der grünen Fußtruppe und wurde nicht mehr von der CSD-Verwaltung behelligt.
Eine nette, Aktion, die ein kleines bisschen zur Offenheit des “großen” Kölner CSD beigetragen hat. Auch die Kölner Parade ist eine Demo!
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8 Responses to “Kommerz-CSD subversiv gehackt!”
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hmm – nur schade, dass solch ein “Einreihen” notwendig ist und dass selbst bei einer Veranstaltung wie dem CSD nicht einfach jeder sein darf was er nunmal ist – in diesem Falle der Kessenicher Kegel Klub.
Schade,
U. -
Christoph
Keine großen Umzüge im Rheinland ohne genaue Planung. Von allen Besatzungsmächten haben wir was übernommen – den Römern, den Franzosen und eben auch ein bißchen “Ordnung muss sein” von den Preußen. Sobald also ein Riesenevent stattfindet – sei es nun Rosenmontagszug oder CSD (der Natur nach übrigens keine Demos, sondern Prozessionen) – stehen die (ehrenamtlichen!) OrganisatorInnen vor gewaltigen Herausforderungen und müssen irgendwie ein paar Fäden in der Hand behalten, so ist das nun mal. Und gewisse Vorsicht ist geboten – wenn man nicht mehr die Zugbeteiligung vorher plant und beliebig Gruppen hinzustoßen können, besteht auch die Gefahr, dass unkontrolliert politisch oder kommerziell grenzwertige AkteurInnen teilnehmen.
Umgekehrt ist der lebenslustige Mensch vor Ort spontan genug, sich solchen Aktionen spontan anzuschließen und auf diese Art und Weise mitzufeiern. Dadurch entsteht automatisch Reibung von ‘Fußvolk’ (hier im wahrsten Sinne des Wortes) und Obrigkeit (hier: rosafarbener).
Solche Reibungen werden in Kölle in jahrhundertelanger Tradition mittels rheinischen Lösungen zur Zufriedenheit aller aufgehoben.
Was auch in vorliegenden Fall wieder bestens gelungen ist 🙂 -
A.
(na jetzt hat uns Christoph diesen Spiessigkeitsexzess aber hinreichend gut erklaert, wo es nicht um seine Zigaretten geht, ist er offenbar eben doch ein law-and-order-Apologet)
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Christoph
Ach, von wegen Apologet. Ich habe nur erläutert, wie das so läuft mit den (etablierten!) Großprozessionen im Rheinland. Und wie man einen solchen Clash auf rheinisch löst, ohne daraus eine Auseinandersetzung zu machen, die in der konkreten Situation das Feiern gehemmt hätte.
In Berlin funktioniert das natürlich nicht, da setzt man auf rituelle Eskalation, s. 1. Mai. -
A.
Jetzt hast Du dich selbst an den Pranger gestellt. Selbst schuld, wenn mensch über was redet, wovon mensch keine Ahnung hat.
Wie gesagt, ich hab keine Lust darauf, dass Du hier in den Diskussionen andere Leute schlecht behandelst. Ich habe die Regeln für dieses Blog hier niedergelegt. -
A.
spiessigkeitsexzess
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A.
..was mich nur wirklich irritiert, entschuldigt dass ich das noch anmerken muss, ist, wie ihr die Durchsetzung einer Selbstverstaendlichkeit, naemlich dass einer Menschenmasse von schaetzungsweise, diese Zahlen sind voellig gleichgueltig, mehreren zehntausend Menschen noch einige Dutzend, moeglicherweise mit einem Pappschild bewehrte Menschen zugefuegt werden, als Triumph der ‘Offenheit’ darstellt wo nichts anders als die Pose eines kleinbuergerlichen Stiches gegen die Obrigkeit (so nach dem Motto: aetsch, jetzt bin ich doch um vier Uhr nachts bei rot ueber die Ampel gegangen) vorhanden ist, dieser auch noch euphorische Unterton der Schilderung dieser armseligen Szene durch Julia setzt dem Ganzen die Krone auf. Dass diese Leute auf dem Gruenen-Wagen erkennen, dass der einzige Weg, ein paar Leute mittanzen zu lassen darin besteht, das FORMALE auf so eine erbaermliche Art wiederherzustellen, ist ja nicht der ‘subversive Akt’, wie Julia so laecherlich anemerkt, sondern der Gipfel der Affirmation. Die Gruenen sind affirmative Spiesser jeglicher, und sei sie noch so dumpfen Regelbarkeit, als wenn etwa, nur um ein beispiel zu nennen, der Afghanistan-Einsatz der Tornados dadurch besser wuerde, dass man darueber abstimmt, die formale Machbarkeit letztlich selbstzufrieden ueber den Inhalt triumphiert. Man sollte sich vielleicht daran gewoehnen, dass der Feind in Wirklichkeit die eigenen Reihen pflastert, insbesondere unter Homosexuellen, die bekanntermassen keine Gelegenheit zur Affirmation und Hetze auf andere Minderheiten auslassen, mit dem Ziel etabliert zu sein, man haette diesen ‘Ordner’, der wahrscheinlich schon sehnsuechtig stundenlang an der Strecke stand, jede einzelne Gruppe in seinem Pixie-Heft abhakte und nur darauf WARTETE, seinen duemmlichen Auftritt inszenieren zu koennen, einfach ignorieren koennen, alternativ ihn mit seiner Federboa und seiner Bundfaltenhose knebeln koennen, aber das ist unter den (ge)rechten sueddeutschen Oekos natuerlich nicht moeglich.
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[…] Wie jedes Jahr machte ich mich auch heuer Anfang Juli auf den Weg nach Köln – der größte Feiertag meines Jahres, der “Cologne Pride” (CSD Köln), lockte. Am selben Wochenende fand übrigens der CSD-Budapest statt, wo es nicht ganz so fröhlich abging – dort warfen Nazis Eier, Flaschen und Steine auf die rund 1.000 Teilnehmer. In Köln ist der CSD nahezu in der Mitte der Gesellschaft, meine Vermutung ist, dass dies auch an der Karnevals-Tradition der Rheinmetropole liegt (Zoch is Zoch). Manche mögen die zunehmende Kommerzielisierung des CSD beklagen, ich finde es gut so, auch wenn Ford und Pharma beim CSD Köln mit dabei sind. […]