Julia Seeliger
  • Fürs Klima, fürs Huhn, für den Bauch: Bio

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    26. January 2007 | Trackback | Internet ausdrucken
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    Am Freitag wurde ich von Radio Teddy, einem privaten Kinderradio, zu Bio-Essen interviewt. Ich bin mal gespannt, wie der Beitrag wird, denn zu diesem Thema haben mich noch gar nicht so viele JournalistInnen befragt.

    Nebenbei ein Surftipp: The Meatrix – Tolle Flash-Filme zur Massentierhaltung, verknüpft mit der “The Matrix”-Story.

    meatrix

    Manche Leute wissen gar nicht so genau, was Bio jetzt eigentlich bringt. In den letzten Monaten gab es in der Presse immer wieder seltsame “Tests”, bei denen herausgefunden werden sollte, ob Bio jetzt gesünder ist oder gar besser schmeckt. Ich finde es zwar sehr gut, dass Bio jetzt auch mit einer Art Wellness-Gedanken verknüpft wird – denn natürlich ist ein Apfel, auf den keine synthetischen Pflanzenschutzmittel gegossen wurden, erstmal auch gesünder. Und ganz viele Menschen – ich auch nicht – möchten keine Gentechnik im Essen.

    Aber bei “Bio” gehts auch um mehr. Es geht um Umwelt und Klima, denn ein konventionelles Schnitzel benötigt mehr Energie bei der Herstellung und es verschmutzt die Umwelt mit mehr Schadstoffen – die Lebensmittel-NGO Foodwatch hat ausgerechnet, dass ein konventionelles Stück Fleisch eigentlich genauso viel kosten müsste wie ein Stück Bio-Fleisch – wenn man die ökologischen Folgekosten mit einberechnet. Beim konventionellen Schweineschnitzel werden die Umweltkosten auf die Allgemeinheit abgewälzt (also die Schäden, die bei der Herstellung eines solchen Schnitzels an der Umwelt entstehen, beispielsweise die Verschmutzung des Wassers und des Bodens, Erosion, Schäden durch Monokulturen). Deswegen ist es auch so billig. Wer konventionelles Fleisch kauft, spart also Geld auf Kosten anderer – meist von Kindern (weil diese ja noch länger in der verschmutzten Umwelt leben müssen) oder auch auf Kosten von Menschen in den ärmeren Ländern (weil dort, zum Beispiel in Afrika, der Klimawandel viel spürbarer ist als in Europa, schon jetzt!).

    Dass Bio-Essen auch ein ganz wichtiger Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz ist, vergessen so einige. So war ich kürzlich bei “Hart aber Fair” als Zuschauerin zu Gast, und musste beobachten, wie der stellvertretende Handelsblatt-Chefredakteur Roland Tichy Bemerkungen fallen ließ wie “Mit Müsli-Essen kommen wir auch nicht weiter!” Ich meine: Doch klar! Ökologisches Essen zu kaufen, das ist eins von den Dingen, die wir als Verbraucher für globale Gerechtigkeit tun können. Aber manche Menschen verstehen eben den Zusammenhang von “ökologischem Essen” und den Vorgängen auf unserem Planeten nicht.

    Auch aus Tierschutzgründen ist Bio eine gute Wahl. Die Tiere haben ganz einfach mehr Platz und müssen auch mal nach draußen gelassen werden. Das hat ja auch Auswirkungen auf das “Produkt”: Ein unglückliches Huhn schmeckt nicht so gut, es hat Stresshormone im Fleisch und war wahrscheinlich öfter krank. Häufig bekommen die Tiere, die “konventionell” gehalten werden, mit dem Futter Antibiotika und Mast-Hormone. Das darf bei Bio nicht gemacht werden. Da kann man sich denken, dass das Biofleisch weniger Rückstände enthält – dazu kommt die artgerechtere Haltung. Hühner sind Tiere, die in großen Gruppen andere Hühner “anhacken” und sich “unter Stress” setzen.

    Und ein Broiler, der sein Leben lang Stress hatte (und wenn das Leben nur 30 Tage dauerte) schmeckt nicht besonders gut. Der Bio-Broiler kostet vielleicht achtmal soviel wie das konventionell aufgezogene Huhn – aber muss es denn auch jeden Tag Fleisch sein? Konsumverzicht kann auch mal nicht schaden – oder aber zumindest, dass wir alle uns mal klarer machen, was wir überhaupt so essen.

    Und wann wir es essen – alles hat seine Zeit … Zahlreiche Organisationen haben Jahreskalender herausgegeben, in denen man sich anschauen kann, welche Obst- und Gemüsesorten wann reif sind. Denn wenn wir im Winter Erdbeeren essen, dann müssen diese aus Ägypten hergebracht werden – ich finde so etwas übertrieben, müssen wir wirklich im Winter Erdbeeren essen? Ich meine: Also zumindest nicht jede Woche. Man findet diese Kalender beispielsweise bei oekolandbau.de, bei Greenpeace und bei den NRW-Grünen (PDF: Alles Frisch). Dort kann man genau ablesen, welches Gemüse wann Saison hat. Wer Gemüse isst, das “jetzt” in der Region wächst, isst eben auch Gemüse, das nicht so weit hergebracht wurde. Wie gesagt: Es darf auch mal eine Ananas sein, aber wer braucht Frühkartoffeln und Spargel im März?

    Nochmal zum Huhn – und seinem Ei: Wer das mit dem Bio-Ei ernst nehmen möchte, hat es schwer. Die meisten Eier, die wir essen, befinden sich nicht im Sechserkarton, sondern versteckt in Frischei-Waffeln, im Mensa-Essen, in Fertiggerichten … Aus den Augen, aus dem Sinn …

    Das beste ist doch immer: Selbst kochen. Wer – wie ich – dazu nicht immer Zeit hat, muss abwägen: Auch mal – im Restaurant, Fertiggericht, vom Lieferservice – die komischen Eier mit der Drei aus dem Käfig essen – oder es lassen. Belegte Brote sind auch lecker, finde ich zumindest – aber ich mag das wirklich niemand aufzwängen. Ich fände es nur schön, wenn sich alle Leute mal mehr Gedanken machen würden, wo ihr Essen eigentlich so herkommt. Und was es bedeutet, dies oder das zu konsumieren.

    Zu dem Thema hab ich schon häufiger geblogt:


    Einsortiert: öko


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5 Responses to “Fürs Klima, fürs Huhn, für den Bauch: Bio”

  1. Ja, die Bewußtseinsbildung, was unter dem Schlagwort “Bio” eigentlich noch alles zusammen kommt, fehlt den meisten Mainstream-Medien total. Daher finde ich Deinen Hinweis richtig & wichtig, weil er eben nicht nur das Produkt, sondern auch die Produktionsrahmenbedingungen als wichtigen Bestandteil von “Bio” hervorhebt.

    Die Reduktion auf “schmeckts besser oder nicht?” überspielt nach wie vor die Tatsache, daß die konventionelle Landwirtschaft fröhlich ihre Gifte ausbringt, die komischerweise keiner pur essen würde, aber im Sinne des “Pflanzenschutzes” ja unumgänglich sein sollen.

    Leider ist auch vielen Mainstream-Bio-Käufern nicht klar, was sie mit ihrem auf “hauptsache Bio” verengten Einkaufsverhalten anrichten. Ich kannte mal jemand, die nur in den Biosupermarkt ging, weil es dort so “billig” wäre, sie wollte auf keinen Fall in ein Naturwaren-Fachgeschäft. Weißmehlbrötchen waren ihre Lieblinge in dem Laden …

    Auch die Transportproblematik bei nicht-regionalen Produkten ist vielen relativ schnurz. Am meisten regt mich allerdings der Verpackungswahn bei Kosmetik- und Körperpflegemitteln im Naturwarenbereich auf, wo immer mehr aufwendig gestaltete Umverpackungen auftauchen, die meinen Papiermüll fröhlich vergrößern. Früher konnte ich einfach eine Tube Zahnpasta kaufen, heute ist ein Karton drumherum. Genauso bei Rasiercreme, Gesichtswasser und anderen Produkten.

    Kurzum – das wesentliche Konzept einer Annäherung der Naturwarenbranche an den Mainstream-Kunden mit all’ seinen angezüchteten Macken kann nicht darin liegen, daß man sich stets nur nach unten anpasst, auch wenn das in den letzten Jahre immer häufiger der Fall ist. Eine Verbreiterung der Kundenbasis sollte nicht zu Lasten derer gehen, welche die Branche jahrzehntelang die Treue gehalten haben und sie überhaupt erst ermöglicht haben.

  2. uh, oh, Julia, was würden nur die Veganer zu deinen ‘die koennen auch mal ins Gruene’-Reflektionen sagen, ich dachte du bist ohnehin semi-Vegetarierin, du koenntest evtl. einmal eine Diskussion über Fischarten, die unter Tierschutz-Aspekten vertretbar konsumiert werden koennen und solche bei denen dies nicht der Fall ist, bringen, das ist tatsaechlich um einiges weniger klar zu formulieren.

  3. > Am Freitag wurde ich von Radio Teddy, einem privaten Kinderradio, zu Bio-Essen interviewt.

    Wie auf deren Website zu sehen, wurden auch Food Nannies wie Künast und Wiener interviewt. Da dürftest du dich positiv abheben.

    > aber muss es denn auch jeden Tag Fleisch sein?
    > aber wer braucht Frühkartoffeln und Spargel im März?

    Ist halt Geschmackssache. Gut ist, wenn man die Möglichkeiten dazu hat.

    > Wer Gemüse isst, das “jetzt” in der Region wächst, isst eben auch Gemüse, das nicht so weit hergebracht wurde

    Global konsumieren heißt auch, über den den Tellerrand der eigenen Scholle hinauszublicken. In die dörfliche Agrarromantik sollte man nicht abgleiten. Ich will nicht aufstehen, wenn der Hahn kräht.
    Und Produkte aus der Nachbarschaft sind nicht per se besser als Produkte von einem anderen Kontinent.
    Weder eine bananlose DDR noch Konsumnationalismus/-regionalismus erscheinen mir erstrebenswert.

  4. Lieber Christoph,

    ich habe mit Bedacht darauf hingewiesen, dass auch Ananas mal sein “darf”. Wenn die Transportkosten bzw. die ökologischen (und auch natürlich die sozialen) Folgekosten des Transports in der Ananas internalisiert würden, dann hätte ich überhaupt kein Problem damit, jeden Tag Ananas zu essen.

    Lieber Andreas,

    ich habe schon früher mal auf den Fisch-Planer von Greenspeace hingewiesen. Da steht alles zu den verschiedenen Fischsorten, und welche bedroht sind.

  5. ” Wenn die Transportkosten bzw. die ökologischen (und auch natürlich die sozialen) Folgekosten des Transports in der Ananas internalisiert würden, dann hätte ich überhaupt kein Problem damit, jeden Tag Ananas zu essen.”

    nun ja, unabhaengig davon- und das ist kein Argument der regionalen Mystik- ist nicht jede potentielle Folge taeglichen Ananaskonsums durch ‘internalisierte Folgekosten’ kompensierbar, einen Blick auf die CO_2-Bilanz etwa des eigenen Tuns zu werfen scheint mir durchaus nicht zwangslaeufig mit Konsumnationalismus zu korrelieren. Tatsaechlich ist es ja so, dass auf Tagungen von Klimaforschern sogenannte CO_2-Klingelbeutel herumgereicht werden, in die jeder seinem Gewissen und seiner Fluglaenge entsprechend, Ablass entrichtet, Schellnhuber kommt auf ein Saldo vom 100 (in Worten: einhundert) Fluegen jaehrlich, was im Zeitalter der elektronischen Kommunikation in der Wissenschaft ziemlich nahe an purem Zynismus ist. Es ist ziemlich schwierig, sich vom Regionalitaetswahn einiger Kreise abzugrenzen, ohne in das Gegenteil zu verfallen, das scheidende Moment ist vielleicht der Rationalismus, solange es also gute rationale Argumente dafür gibt, tendenziell regionaler zu kaufen, sollte man es evtl. auch tun. Solange man keine ‘Regionalfeste’ mit Blasmusik und Goethe-Lesungen a la Anthroposophen veranstaltet, liegt man evtl. noch im ‘sicheren’ Bereich.