zeitrafferin
Julia Seeliger-
17. September 2007 | 50 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
Der erste Parteirat nach der Sonder-BDK ist jetzt vorbei. Aus meiner Sicht ist der Ball jetzt bei der Bundestagsfraktion: Dort muss diskutiert werden, wie man nun mit dem Parteitagsbeschluss umgeht. Ich bin der Überzeugung, dass die Fraktionsspitze aufgefordert ist, nun auch für den Beschluss zu werben. Was ich bisher dazu in der Presse gelesen habe, sieht nicht so aus – so vergleicht Undine Kurth aus dem Fraktionsvorstand im Gespäch mit der “Leipziger Volkszeitung” die Bundesdelegiertenkonferenz mit dem SED-Politbüro.
“Ich habe nicht die DDR hinter mich gebracht, wo mir eine zentrale Parteileitung vorgeschrieben hat, wie ich zu denken und zu stimmen habe, um jetzt mein Abstimmungsverhalten von der Weisheit der Entscheidung eines Parteitages abhängig zu machen”
Natürlich wird es Abgeordnete geben, die sich (mit Recht) auf ihr Gewissen berufen – das akzeptiere ich. Eine solche Entscheidung, das hat Reinhard Bütikofer heute morgen auch noch mal in der Pressekonferenz betont, muss aber mit großer Ernsthaftigkeit getroffen werden. Wer diese Ernsthaftigkeit vermissen lässt, muss sich fragen lassen, ob für ihn oder sie ein Mandat im Deutschen Bundestag die richtige Berufung ist.
Der Beschluss der Bundesdelegiertenkonferenz wurde im Parteirat unterschiedlich interpretiert. Die einen unterstrichen die doch sehr große Ähnlichkeit zum “BuVo-Antrag” (Primat des zivilen Aufbaus – und vor allem die militärische Absicherung des zivilen Aufbaus) und machten deutlich, dass sehr wahrscheinlich die Ablehnung des Tornado-Mandats in den BuVo-Antrag hineingestimmt worden wäre und dass der von mir kritisierte “Formelkompromiss” wohl keine Chance gehabt hätte.
Auf der anderen Seite gab es aber auch – in meinen Augen “Unverbesserliche” – Stimmen, die die Ernsthaftigkeit des Beschlusses anzweifelten, ja sogar die Legitimität des Parteitags an sich anzweifelten. Inhaltlich das wichtigste Stichwort sind hier die “Bündnisverpflichtungen”. Das Ganze gewürzt mit der inzwischen wohlbekannten Polemik, auf die ich weiter unten noch näher eingehen werde. Kritisiert von dieser Seite wurde auch die angeblich so aufgeheizte Stimmung, beispielsweise bei der Rede von Dany Cohn-Bendit, der sich Buh-Rufe anhören musste. Dazu nur meine Meinung: Erstens war der Parteitag für einen friedenspolitischen Grünen-Parteitag sehr harmonisch, zweitens waren die Buh-Rufe berechtigt (Dany hatte in seiner Rede die These aufgestellt, dass diejenigen, die nicht seinem Antrag folgen wollten, “verantwortungslos” wären) und drittens sind für mich persönlich Zwischenrufe Element politischer Kultur, so dass man an dieser Stelle mal nicht so rumjammern sollte.
Noch ist alles unklar, wie es jetzt weitergeht. Ich erhoffe mir, dass die Bundestagsfraktion in ihrer Weisheit den Robert-Zion-Antrag beraten wird, und zwar in einer ernsthaften Art und Weise und nicht so, wie es bisher geschah. Polemik und Gerede wie “Nun haben sich die Grünen von ihrer außenpolitischen Linie verabschiedet” oder die “Kindergarten”-Diffamierungen Cohn-Bendits sind völlig fehl am Platze. Durch derartige Interviews erhält die Presse einen falschen Eindruck vom Ausgang der BDK, die falsche Interpretation des Zion-Antrags wird dadurch nur verstärkt und sorgt für zusätzliches Zündfeuer. Mitnichten haben die Grünen einen sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan gefordert, wie es jetzt in manchen Medien kolportiert wird.
Auch finde ich es völlig korrekt, einer Vorlage der Bundesregierung, wenn sie einem nicht gefällt, nicht zuzustimmen. Reinhard Bütikofer wurde in der heutigen Pressekonferenz auch gefragt, was denn wäre, wenn alle Parteien im Deutschen Bundestag den Zion-Antrag beschlossen hätten. Ob man sich nicht mit einer Nichtzustimmung aus der Verantwortung ziehe. Ich hätte auf diese Frage geantwortet, dass ja in einem solchen Fall die Forderungen an die Bundesregierung, die in dem Zion-Antrag formuliert sind, erfüllt würden. Die Partei hat sich ja genau deswegen für eine Nichtzustimmung entschieden, weil ihr einfach nicht in den Kopf geht, wieso man einer Sache zustimmen muss, mit der man nicht einverstanden ist.
Das sollten diejenigen, die jetzt über den Zion-Antrag lamentieren, mal zur Kenntnis nehmen!
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Verschlagwortet: gewissensentscheidung, sonder-bdk, undine kurth -
13. September 2007 | 56 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
Am Montag haben wir im Parteirat über den Kompromissvorschlag des Bundesvorstandes beraten. Ich habe mich bezüglich dieses Kompromisses enthalten und habe lange überlegt, ob und wie ich dies publizieren möchte.
Dem Kompromiss konnte ich nicht zustimmen, weil er für mich die gesamte Veranstaltung ad absurdum führt. Die Sonder-BDK wurde einberufen, weil Unklarheit bestand, ob alle Bundestagsabgeordneten bei der Tornado-Abstimmung in Einklang mit der Kölner BDK gehandelt haben. In März ging es im Parteirat und in der Bundestagsfraktion hoch her, weil die Mehrheit der Abgeordneten die Zustimmung zum Tornado-Mandat durch den Kölner Beschluss gedeckt sahen. Danach begann die grüne Basis, Unterschriften für die Sonder-BDK zu sammeln – das Quorum wurde erreicht, am Wochenende fahren wir nach Göttingen.
Es kam bei der Beratung des Leitantrags – gelinde gesagt – zu Unstimmigkeiten, sowohl innerhalb des Bundesvorstandes der Partei, als auch zwischen der Bundestagsfraktion und der Parteispitze. Schon jetzt, vor dem Parteitag, sind die Inhalte des Leitantrags – zivilen Aufbau stärken, Polizei aufbauen, Korruption bekämpfen, Frauenrechte sichern – weit in den Hintergrund getreten. Auch die Diskussion um die drei Mandate – Operation Enduring Freedom (der Einsatz der Amerikaner im Süden) ISAF (das bisher auch von den meisten grünen Abgeordneten unterstützte Mandat im Norden Afghanistans) und das Tornado-Mandat (die Aufklärungs-Tornados) birgt nicht unbedingt die größte Sprengkraft, auch wenn es bei den Tornados spannend werden könnte.
Nein. Erst durch die Ankündigung der Bundesregierung, ISAF und Tornados in einer verbundenen Abstimmung beschließen zu wollen, begann der Nervenkrieg. Ich möchte hier nicht alles ausbreiten – die Presse weiß es gewiss schon – jedoch bin ich sehr in Sorge um die Debatte und die Entscheidungen, die wir in Göttingen treffen müssen. Inzwischen überlagern Personaldebatten und Machtfragen die Diskussion. Ein großer Teil der Bundestagsfraktion will in Kontinuität der letzten Jahre dem ISAF-Mandat weiterhin zustimmen. In der Abwägung bewerten die meisten – trotz harscher Kritik am Kurs der Bundesregierung – das ISAF-Mandat als wichtiger und die Zustimmung zum verbundenen Mandat als klares Zeichen für die Menschen in Afghanistan. Man dürfe diese “nicht alleine” lassen, eine Nicht-Zustimmung würde eine Abkehr von der bisherigen grünen Außenpolitik bedeuten.
Kleine Nebenbemerkung: Ich bitte an dieser Stelle ernsthaft darum, in den Kommentierungen auf Bemerkungen wie “die Grünen haben ihre Ideale verraten” abzusehen, man muss realistischerweise festhalten, dass die Kriegseinsätze durch die Beschlüsse von Rostock und Bielefeld, sowie durch Partei- und Wahlprogramme gedeckt sind, wenn auch die Entscheidungen damals zweifelsohne mit viel Blut, Schweiß und Tränen erkämpft wurden und möglicherweise anders abgelaufen wären, wenn die Parteitage damals vor den Entscheidungen im Bundestag stattgefunden hätten.
Ich meine, dass es der Partei am meisten dienen würde, wenn sich die Bundestagsfraktion bei der Abstimmung um das verbundene ISAF-Tornado-Mandat geschlossen enthalten würde. Mir geht es nicht primär um die Tornados, auch wenn man diese in die Abwägung mit einbeziehen muss. Aber Kritik am Kurs der Bundesregierung, Kritik an ISAF kann man doch nicht mit einem “Ja” deutlich machen. Das geht nicht in meinen Kopf hinein, es ist unlogisch, “Ja” zu etwas zu sagen, womit man nicht einverstanden ist.
Der Kompromiss des Bundesvorstandes – es schmerzt mich, dies hier publizieren zu müssen, aber wie ich schon oben schrieb, es haben sicherlich auch schon andere diese Kritik der Presse zugetragen – ist in meinen Augen ebenfalls eine Kontinuität. Man versucht es mit einem Formelkompromiss, wie schon so häufig zuvor. Auch wenn ich in großer Sorge bin, was geschieht, wenn die BDK einen eindeutigeren Beschluss fasst und sich die Hälfte der Bundestagsfraktion nicht an diesen hält, so konnte und kann ich einem solchen Formelkompromiss nicht zustimmen und kann auch nicht schweigen, wenn mich Menschen fragen, was ich von ihm halte.
Auf der BDK werde ich für den Änderungsantrag der GRÜNEN JUGEND streiten – dieser plädiert dafür, den Abgeordneten eine Enthaltung in der Frage des verbundenen Mandats zu empfehlen.
Änderungsantrag zu A-01
Ersetze Zeile 433 bis 436 durch:
„BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen für einen verantwortungsvollen Umgang bei der Frage von Auslandseinsätzen. In dieser Tradition haben wir uns stets im Sinne der Menschen vor Ort für eine umfassende Friedens- und Sicherheitspolitik eingesetzt. Vor dem Hintergrund einer nüchternden Bilanzierung der höchst unzureichenden Bemühungen der Bundesregierung um einen echten Strategiewechsel beim Afghanistaneinsatz der Bundeswehr, sowie der bislang ausgebliebenen aber dringend notwendigen Neuausrichtung der internationalen Afghanistan-Politik, insbesondere in Hinblick auf die kontraproduktive Kriegführung unter der US-geführten Operation Enduring Freedom, sind wir in großer Sorge um den Erfolg des von uns befürworteten ISAF-Einsatzes der Bundeswehr. Es kann und darf keinen Automatismus Grüner Zustimmung zur Regierungspolitik und zu Auslandseinsätzen geben.
Da die Bundesregierung seit den letzten Mandatsverlängerungen keinerlei Anzeichen für ein ernstlichen Willen zu einem Strategiewechsel geliefert hat, können BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Antrag auf Verlängerung des ISAF-Mandates inklusive des ohnehin umstrittenen Tornadoeinsatzes nicht mehr uneingeschränkt zustimmen. Wir empfehlen unseren Bundestagsabgeordneten, dies bei ihrer Gewissensentscheidung über den Auslandseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan zu berücksichtigen und halten eine geschlossene Enthaltung bei der Mandatsverlängerung für ein sinnvolles und richtiges Vorgehen, um die grundsätzliche Zustimmung Grüner Politik zum UN-mandatierten ISAF-Mandat in der von uns geforderten Form deutlich zu machen und sich gleichzeitig nicht zum Spielball der Großen Koalition machen zu lassen, die einen Strategiewechsel kategorisch missachtet.“
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Verschlagwortet: sonder-bdk -
13. September 2007 | 6 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
Mehr auf Heise:
Schäuble isoliert: Innenminister verweist auf Localhost
Der Webauftritt des CDU-Politikers und derzeitigen Innenministers ist seit (…) Mittwoch nicht mehr erreichbar.
Zum Klicken und Testen, ob sie immer noch down ist: wolfgang-schaeuble.de
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Einsortiert: aktivismus, andere parteien, technik
Verschlagwortet: schäuble -
12. September 2007 | 6 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
Eben auf tagesschau.de gefunden:
Das FDP-Vorstandsmitglied Jorgo Chatzimarkakis hat die Fusion von FDP und Grünen zu einer Partei vorgeschlagen. Ab 2009 könnte “das große Projekt der politischen Mitte in Deutschland – die Etablierung eines nachhaltigen Liberalismus, die Fusion von FDP und Grünen”, vorbereitet werden, schrieb Chatzimarkakis im Magazin “Stern”
Das würde ich doch sehr bezweifeln. Mein Vorschlag dagegen: Die Linksliberalen bei der FDP können ja zu Bündnis 90/Die Grünen kommen – so wie Mathias Wittmann, Ex-Bundesvorstandsmitglied bei den Julis. Nochmal Herzlich Willkommen bei uns, Mathias!
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