Julia Seeliger
  • Priorität für eine starke öffentliche Hand – Keine Mehrheit für Grundeinkommen bei Berliner Grünen

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    6. October 2007 | Trackback | Internet ausdrucken
    scissors

    Am heutigen Samstag fand die Landesdelegiertenkonferenz der Berliner Grünen statt. Auf der Tagesordnung stand auch das Thema “Zukunft der sozialen Sicherung”. Zwei Anträge lagen vor, einer, der einen bedingungslosen Grundsicherungssockel mit verbesserten Zuverdienstmöglichkeiten bei gleichzeitiger Stärkung der sozialstaatlichen Institutionen (“Neue Wege der individuallen Existenzsicherung”) vorsah, einer, der die Stärkung der sozialstaatlichen Institutionen in den Mittelpunkt (“Der ermutigende Sozialstaat”) und als absolute Priorität vorsah.

    Es kam der “ermutigende Sozialstaat” mit einer Mehrheit von 67:58 Stimmen durch. Danach wurde in diesen Antrag noch ein “Grundeinkommen auf Zeit” hineingestimmt, damit gemeint ist die Stärkung von Sabbaticals und ähnlichem. So etwas wurde im Landesverband bisher noch gar nicht diskutiert, ich meine aber, dass solche Ansätze, Arbeitszeit flexibler zu gestalten und Menschen Freiräume in der Mitte ihres Lebens – und nicht eben erst mit der Rente – zu ermöglichen, innovativ und richtig sind. Zur Zukunft der Arbeit gehören dringenst auch Debatten um eine gerechtere Verteilung von Arbeit und um eine Verkürzung von Arbeitszeit – das hat dieser Änderungsantrag erreicht.

    Mit dem Gesamtantrag bin ich zufrieden. Bezüglich eines bedingungslosen Grundeinkommens bin ich schwankend, ich muss aber sagen, dass ich ein Argument der GegnerInnen nicht entkräften kann und dass ich mich deswegen eher für eine Stärkung der staatlichen Institutionen ausspreche und eben meine, dass man dies nicht im luftleeren Raum diskutieren kann.

    Es geht um die Legitimität des Sozialstaats. Ich will einen funktionierenden, demokratischen Sozialstaat, der für viele da ist, und nicht nur für die Allerärmsten. Ich meine, dass der Entwicklung und Finanzierung eines solchen Sozialstaats die absolute Priorität zugesprochen gehört.

    Jedoch verwahre ich mich auch gegen polemisierende Argumentationen, wie sie immer wieder vorgetragen werden. Es wird immer wieder Götz Werner angeführt, der ein völlig unsolidarisches Grundeinkommensmodell vorschlägt. Es soll über eine Mehrwertsteuer von 50 Prozent gegenfinanziert werden – das hört sich für mich an, als wolle Herr Werner einfach mal seine Lohnnebenkosten senken, im Grunde werden die Leidtragenden aber diejenigen sein, die ihr ganzes Geld verkonsumieren. Denen würde eine derart erhöhte Mehrwertsteuer in der Tat sehr große Löcher in die Taschen reißen. Jedoch sind wir in der grünen Debatte weit über Werner-Polemisierungen hinweg, außer bisweilen in gewissen Gremien. Das hört jetzt aber hoffentlich auch bald auf.

    Auch werden immer der Thüringer Ministerpräsident Althaus (CDU) und sein neoliberales Bürgergeld angeführt, das auch von Teilen der FDP gefordert wird. Auch dies kann allerhöchstens ein stategisches Argument sein, klar, individuelle Transfers, Geldleistungen. Im Gegenzug wolle man beispielsweise eine Kopfpauschale für alle oder gar die Arbeitsagentur abschaffen. Das wollen wir Grüne natürlich nicht – solches würde hauptsächlich aus der Jamaika-Ecke gefordert – wer für eine Zukunft von Rot-(Rot)-Grün sei, der dürfe doch jetzt nicht für ein Grundeinkommen sein, man wisse doch, wie das mit den guten grünen Ideen in der Sozialpolitik endete – nämlich fünfmal durch den Vermittlungsausschuss gedreht als das Hartz-IV, das wir heute haben.

    Wir Berliner Grünen haben mit dem heutigen Beschluss unser Bekenntnis zu einer gut ausgestatteten Öffentlichen Hand bekräftigt, wir sind gegen die Privatisierung von Solidarität und bekennen uns klar zum Sozialen. Das ist positiv zu bewerten, zusammen mit dem Änderungsantrag von Michael Schröter zum “Grundeinkommen auf Zeit” ist ein Antrag durchgekommen, den ich sehr unterstütze und frohen Mutes weiterverbreiten mag.

    Im Vorfeld hatte die taz Berlin dazu schon berichtet – wie man an der Überschrift sieht, nicht unbedingt von Klugheit geprägt: “Grüne kopieren Linkspartei“. Jeder und jedem, der die Debatte aufmerksam verfolgt, ist bekannt, dass die Linkspartei mitnichten ein bedingungsloses Grundeinkommen fordert.


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59 Responses to “Priorität für eine starke öffentliche Hand – Keine Mehrheit für Grundeinkommen bei Berliner Grünen”

  1. @Julia

    Im Grunde hat es fpk perfekt ausgedrückt:
    Die bürokratische Verteilung von Geld ist immer mit Freiheitsverlust verbunden.
    Dem Menschen wird Zeit weggenommen (nämlich die, die er für das Geldverdienen aufbringt). Und ihm wird die Entscheidung weggenommen, was er mit dem in dieser Zeit Erwirtschafteten anstellt.
    Demokratie als mildernder Umstand ist da kein Trost. Wenn über die Verteilung von Mitteln entschieden wird (immer im Kopf behalten: Das sind Mittel, die Einzelne mit ihrer Arbeit erwirtschaftet haben.), dann bedeutet das demokratische Abstimmen über die Mittelvergabe nur, dass sich die jeweils lautesten und stärksten Lobbygruppen durchsetzen. Denn vergessen wir nicht, dass das demokratische Verfahren nichts weiter ist als das Abzählen von gehobenen Händen. Auf die Frage “Wer will noch was vom Kuchen?” bekommt nun einmal nicht unbedingt der Bedürftigste etwas. Sondern der, der die meisten Leute um sich schart um “Hier!” zu rufen.

    Man kann das nun gern sozial nennen. Von mir aus. Macht man eben diesen Begriff auch noch kaputt. Aber man sollte zumindest die logischen Grundlagen dessen, wie es funktioniert, nicht außer Acht lassen.

    Du sprachst das Thema Bildung an. Interessanterweise gibt es da eine hervorragende Idee, wie sich die Förderung dieses Bereiches mit Beibehaltung größtmöglicher Freiheit der Entscheidung des Einzelnen verbinden lässt: Bildungsgutscheine.

    Da muss man nicht hoffen, dass sich das in eine Bürokratie gesteckte Geld möglichst gerecht und sinnvoll wieder an die Bürger verteilt. Da gibt man dem Bürger eben die Freiheit, sein Leben selbst zu bestimmen.
    Statt Anträge auf nicht frei gewählte Leistungen zu stellen.

  2. Von mir ist ein längerer Artikel in Serverproblemen untergegangen. Kann man den noch aus irgendwelchen Mod-Schleifen retten? Habe keine Lust, den nochmal zu schreiben.

  3. @Julia (generell)

    Ich habe jetzt nicht nachgeschaut, ob es solch eine umfassende Diskussion zu einem einzigen Beitrag schon einmal gab, und wie es aussieht, lösen wir uns thematisch auch so allmählich vom Beitrag, müssten also eigentlich woanders weiter diskutieren. (Hat jemand eine Idee, wo, oder sind wir damit hier weiterhin gut aufgehoben?)

    Aber grundsätzlich besteht hier ein Problem in der Referenzierung anderer Beiträge. Wenn ich mich auf einen bestimmten Absatz innerhalb eines bestimmten Kommentars beziehen möchte, muss ich Autor, Uhrzeit (oder alternativ Beitragsnummer) und Absatznummer angeben. Komfortabler wäre es, Links setzen zu können. Hat WordPress das drauf? Auch längere Beiträge werden schnell zum Problem, selbst wenn sie gerade mal die KByte-Grenze übersteigen. (Beitrag 26 zum Beispiel ist das Ergebnis eines Unfalls, als dein Server erst mal vorgab, Beitrag 24 nicht angenommen zu haben, und ich es daraufhin mit einem Teil davon erneut versuchte; vielleicht kannst du die Nr. 26 mal leeren.)

  4. @Julia (generell)

    Ich habe jetzt nicht nachgeschaut, ob es solch eine umfassende Diskussion zu einem einzigen Beitrag schon einmal gab, und wie es aussieht, lösen wir uns thematisch auch so allmählich vom Beitrag, müssten also eigentlich woanders weiter diskutieren. (Hat jemand eine Idee, wo, oder sind wir damit hier weiterhin gut aufgehoben?)

    Aber grundsätzlich besteht hier ein Problem in der Referenzierung anderer Beiträge. Wenn ich mich auf einen bestimmten Absatz innerhalb eines bestimmten Kommentars beziehen möchte, muss ich Autor, Uhrzeit (oder alternativ Beitragsnummer) und Absatznummer angeben. Komfortabler wäre es, Links setzen zu können. Hat WordPress das drauf? Auch längere Beiträge werden schnell zum Problem, selbst wenn sie gerade mal die KByte-Grenze übersteigen. (Beitrag 26 zum Beispiel ist das Ergebnis eines Unfalls, als dein Server erst mal vorgab, Beitrag 24 nicht angenommen zu haben, und ich es daraufhin mit einem Teil davon erneut versuchte; vielleicht kannst du die Nr. 26 mal leeren.)

  5. @doofwienehupe 8. Oktober 00:27
    Klippschule? Ich wusste nicht, dass deine Benutzerkennung in solchem Maße Selbstoffenbarung ist. Du solltest zumindest an deinen Manieren arbeiten. Das schaffen auch Doofe.
    Wenn nicht jedes Geld Kapital ist, dann definiere doch mal beides. (Das ist nicht sinnlos; du glaubst nicht, welche Verwirrung selbst unter Notenbankern um den Begriff Geld herrscht.) Mach dir ruhig mal die Mühe und uns das Vergnügen. Dann können wir besser diskutieren.
    Nicht jede Wirtschaft ist eine kapitalistische Wirtschaft. Was eine Geldwirtschaft ist, weiß ich nicht – wahrscheinlich meinst du eine auf Basis von Geld handelnde Wirtschaft. Da teile ich deine Ansicht. Aber wir haben, so weit das Auge reicht, nur kapitalistisch geprägte Wirtschaftssysteme. Oder wo siehst du ein anderes? (Und bitte nicht Birma, Nordkorea oder Kuba anführen. Die zählen nicht.)
    Was das entscheidende Merkmal des Kapitalismus angeht, so haben wir unterschiedliche Ansichten. Folglich ist die weitere Diskussion über diesen Punkt wohl müßig. Das Stichwort *Privateigentum an Produktionsmitteln* dürfte von Marx stammen. Ich persönlich denke, dass er dort irrte, auch wenn seine Vermutung nahe liegt. Aber mit Leuten, die Marx hoch halten (oder auch irgendjemand anderen), ist schwer zu diskutieren, denn man endet bei denen immer an irgendeinem Tabu, irgendwelchen Grundsätzen, die heilig sind und die in Frage zu stellen ein Sakrileg ist. Das funktioniert nur, wenn man dieselben Tabus hat.
    Was deine Ansichten zum Schuldendienst angeht — vielleicht liest du mal @Christoph 00:00. Ich will das hier nicht doppelt schreiben.

  6. Gute Manieren sind z.B., wenn man seine Postings nicht mehr als einmal abschickt. Und richtig: es ist sinnlos mit Leuten ueber Marx zu reden die ihn offensichtlich nur vom Hoerensagen kennen und die etwas profundere Kenntnis dann mit “hochhalten” verwechseln. Und noch sinnloser ist es mit Leuten zu diskutieren, die von vorneherein wissen, wie die Diskussion verlaufen wird.
    Sag bescheid, wenn Du mit (mindestens) dem Kapital durch bist – dann koennen wir uns gerne noch mal unterhalten.

  7. Das mit den Postings ist mir unangenehm. Aber wenn zu einem Posting ein Server-Fehler kommt, gehe ich davon aus, dass es nicht angekommen ist. Die Beiträge sind teilweise mit mehrtägiger Verspätung hier aufgetaucht. Ich hatte Julia darauf hingewiesen. Jetzt scheint es wieder zu funktionieren. Ich laste den etwas verlotterten Zustand der Postings also wenigstens z.T. der Technik an, und ich denke, das kannst du auch nachvollziehen.

    Ich habe nicht vor, mit dir über Marx zu diskutieren. Ich habe mich längere Zeit mit ihm befasst; nimm mir das einfach mal ab. Aber mir geht es nicht einmal bei Jesus von Nazareth um die Person, sondern immer um die Sache, also um das, was sie sagen und was mich angeht oder zumindest angehen könnte. So ist es auch bei Marx.

    Du hast zu einigen Dingen aus meinem Posting nicht Stellung genommen, nicht zur Definition des Kapitals (und bitte komm mir nicht mit einem Wälzer wie Marx’ “Kapital”; ich mag keine Stellvertreterdiskussionen; wer immer mit einem fremden Buch wedeln muss, wenn er argumentiert, hat selbst offenbar schwache Argumente) und nicht zu deiner Klippschuleinstufung. Aber das macht nichts, denn da ich mich jetzt nicht noch mal mit den MEW befasse, wirst du dich ja ohnehin nicht auf eine Unterhaltung einlassen.

    Und übrigens, was den zu erwartenden Verlauf der Diskussion angeht: Ich habe den Eindruck, dass du dir mindestens eine Jacke angezogen hast, die ich dir nur von ferne hingehalten habe; immerhin hast du dich ja vom Hochhalten ausdrücklich distanziert.

  8. Hallo Leute

    kleine Anleitung:

    Aber grundsätzlich besteht hier ein Problem in der Referenzierung anderer Beiträge. Wenn ich mich auf einen bestimmten Absatz innerhalb eines bestimmten Kommentars beziehen möchte, muss ich Autor, Uhrzeit (oder alternativ Beitragsnummer) und Absatznummer angeben. Komfortabler wäre es, Links setzen zu können.

    Jeder Kommentar hat auch einen Link. Einfach auf die kleine Zahl rechts oben am Kommentar klicken, dort versteckt sich der Link.

    Zitieren kann man mit [blockquote] und am Ende des Zitats [/blockquote] (ich kann das hier nicht ausschreiben, sonst wird das ja auch zitert angezeigt. Ihr müsst anstatt eckiger Klammern spitze Klammern verwenden, also diese <>. )

    Und ja, es gab schon zahlreiche Diskussionen, die mehr Kommentare hatten. Das ist zu Themen wie Familie und Drogen stets der Fall.

  9. Danke für die Tipps. Sollten die für WordPress-Unkundige – ist wohl von Blog zu Blog und Forum zu Forum auch nicht vollkommen einheitlich – vielleicht irgendwo auf einer kleinen Help-Seite mal notiert werden? Kannst du ja im Prinzip direkt dorthin kopieren.