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Julia Seeliger
  • 6. October 2007 | 59 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
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    Am heutigen Samstag fand die Landesdelegiertenkonferenz der Berliner Grünen statt. Auf der Tagesordnung stand auch das Thema “Zukunft der sozialen Sicherung”. Zwei Anträge lagen vor, einer, der einen bedingungslosen Grundsicherungssockel mit verbesserten Zuverdienstmöglichkeiten bei gleichzeitiger Stärkung der sozialstaatlichen Institutionen (“Neue Wege der individuallen Existenzsicherung”) vorsah, einer, der die Stärkung der sozialstaatlichen Institutionen in den Mittelpunkt (“Der ermutigende Sozialstaat”) und als absolute Priorität vorsah.

    Es kam der “ermutigende Sozialstaat” mit einer Mehrheit von 67:58 Stimmen durch. Danach wurde in diesen Antrag noch ein “Grundeinkommen auf Zeit” hineingestimmt, damit gemeint ist die Stärkung von Sabbaticals und ähnlichem. So etwas wurde im Landesverband bisher noch gar nicht diskutiert, ich meine aber, dass solche Ansätze, Arbeitszeit flexibler zu gestalten und Menschen Freiräume in der Mitte ihres Lebens – und nicht eben erst mit der Rente – zu ermöglichen, innovativ und richtig sind. Zur Zukunft der Arbeit gehören dringenst auch Debatten um eine gerechtere Verteilung von Arbeit und um eine Verkürzung von Arbeitszeit – das hat dieser Änderungsantrag erreicht.

    Mit dem Gesamtantrag bin ich zufrieden. Bezüglich eines bedingungslosen Grundeinkommens bin ich schwankend, ich muss aber sagen, dass ich ein Argument der GegnerInnen nicht entkräften kann und dass ich mich deswegen eher für eine Stärkung der staatlichen Institutionen ausspreche und eben meine, dass man dies nicht im luftleeren Raum diskutieren kann.

    Es geht um die Legitimität des Sozialstaats. Ich will einen funktionierenden, demokratischen Sozialstaat, der für viele da ist, und nicht nur für die Allerärmsten. Ich meine, dass der Entwicklung und Finanzierung eines solchen Sozialstaats die absolute Priorität zugesprochen gehört.

    Jedoch verwahre ich mich auch gegen polemisierende Argumentationen, wie sie immer wieder vorgetragen werden. Es wird immer wieder Götz Werner angeführt, der ein völlig unsolidarisches Grundeinkommensmodell vorschlägt. Es soll über eine Mehrwertsteuer von 50 Prozent gegenfinanziert werden – das hört sich für mich an, als wolle Herr Werner einfach mal seine Lohnnebenkosten senken, im Grunde werden die Leidtragenden aber diejenigen sein, die ihr ganzes Geld verkonsumieren. Denen würde eine derart erhöhte Mehrwertsteuer in der Tat sehr große Löcher in die Taschen reißen. Jedoch sind wir in der grünen Debatte weit über Werner-Polemisierungen hinweg, außer bisweilen in gewissen Gremien. Das hört jetzt aber hoffentlich auch bald auf.

    Auch werden immer der Thüringer Ministerpräsident Althaus (CDU) und sein neoliberales Bürgergeld angeführt, das auch von Teilen der FDP gefordert wird. Auch dies kann allerhöchstens ein stategisches Argument sein, klar, individuelle Transfers, Geldleistungen. Im Gegenzug wolle man beispielsweise eine Kopfpauschale für alle oder gar die Arbeitsagentur abschaffen. Das wollen wir Grüne natürlich nicht – solches würde hauptsächlich aus der Jamaika-Ecke gefordert – wer für eine Zukunft von Rot-(Rot)-Grün sei, der dürfe doch jetzt nicht für ein Grundeinkommen sein, man wisse doch, wie das mit den guten grünen Ideen in der Sozialpolitik endete – nämlich fünfmal durch den Vermittlungsausschuss gedreht als das Hartz-IV, das wir heute haben.

    Wir Berliner Grünen haben mit dem heutigen Beschluss unser Bekenntnis zu einer gut ausgestatteten Öffentlichen Hand bekräftigt, wir sind gegen die Privatisierung von Solidarität und bekennen uns klar zum Sozialen. Das ist positiv zu bewerten, zusammen mit dem Änderungsantrag von Michael Schröter zum “Grundeinkommen auf Zeit” ist ein Antrag durchgekommen, den ich sehr unterstütze und frohen Mutes weiterverbreiten mag.

    Im Vorfeld hatte die taz Berlin dazu schon berichtet – wie man an der Überschrift sieht, nicht unbedingt von Klugheit geprägt: “Grüne kopieren Linkspartei“. Jeder und jedem, der die Debatte aufmerksam verfolgt, ist bekannt, dass die Linkspartei mitnichten ein bedingungsloses Grundeinkommen fordert.

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