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Subjektiv und für Ergänzungen offen
17Arvid Bell bat mich gestern, einen rein subjektiven und polemischen Artikel über den 26. Bundeskongress der GRÜNEN JUGEND in meinem Blog zu veröffentlichen. Dieser Bitte komme ich gerne nach und hoffe auch auf zahlreiche Diskussionsbeiträge.
Erst einmal vorweg: Mir hat dieser Bundeskongress sehr gut gefallen. Gute Stimmung, ich hab viele nette Leute gesprochen, und ich hatte viel weniger Stress als bei den anderen Bundeskongressen. Die Uni war schön, es gab W-Lan und leckeres Essen. Und auch drei neue BuVo-Frauen wurden gewählt.
Dass mir der BuKo so gut gefiel, das hat auch damit zu tun, dass ziemlich schnell klar war, dass der Leitantrag inhaltlich nicht mehr die Konsistenz haben würde, die ich mir gewünscht hätte. Ich konnte mich also frühzeitig darauf einstellen, dass ich inhaltlich mit dem Leitantrag nicht so zufrieden sein würde, und dafür die anderen schönen Seiten des Kongresses so richtig genießen könnte.
Zum Leitantrag: Ich persönlich finde es politisch nun mal nicht richtig, das Kindergeld zu erhöhen, wenn wir gleichzeitig viel (und wenn ich viel meine, dann meine ich sehr viel) Geld in die Betreuungs- und Bildungs-Instututionen stecken wollen. Mein Eindruck: Viele Leute gingen beim Bundeskongress ganz einfach davon aus, dass unendlich viel Geld zu verteilen ist. Das finde ich nicht gerade solide!
Die Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen war emotional, aber nicht ganz so hart und polemisch wie die Debatte um Pazifismus in Erfurt vor einem Jahr. Es gibt gute Argumente für und gegen ein Grundeinkommen. Fakt ist: Teil eines “ermutigenden Sozialstaates” ist ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht. Auch wenn es unterschiedliche Ansätze gibt, bleibt doch die Tendenz: Wir gelten vermeintliche Ansprüche an das Sozialsystem mit einer Zahlung dieses Geldes ab. Für mich aber ist ein soziales Netz viel mehr: Ich persönlich gehe davon aus, dass Schwache mehr unterstützt werden sollen als Starke, und dass es mit einer Geldverteilung nicht getan ist. Warum den Leuten allein Kohle zuweisen? Für mich hat das auch etwas mit einem “Ruhigstellen mit nem Batzen Kohle” zu tun – und das finde ich neoliberal!
So kam es auch – nach dieser Debatte um das Grundeinkommen – zu einer sehr polarisierten “Flügel-Stimmung”. Mein Eindruck: Man unterstellte den GegnerInnen des Grundeinkommens, sie seien “Realos” und stempelt sie zu uninspirierten und angepassten Menschen. Aus zwei Gründen finde ich dies zu kurz gesprungen:
1) Vielfalt zählt! Wer bei einem politischen Thema vielleicht etwas konservativere Meinungen vertritt, kann bei einem anderen Thema ganz anders drauf sein. Schubladendenken lässt die Kreativität verarmen. Wer sich allzu sehr an den bündnisgrünen Flügel-Schubladen verbeisst, verliert den Blick für das wirklich Progressive und kann keine neuen Ideen entwickeln.
2) Schwarz-Weiss-Denken schadet. Wer sich im Dualismus verhaftet, kann kaum vieldimensionale Ideen entwickeln.
3) Differenzieren nützt! Auch wenn die “Offene Radikale Plattform” bei der GRÜNEN JUGEND – jetzt auch mit Mailingliste – meine Sympathie hat: dass man den Sozialismus nicht sofort und nicht “von oben” einführen kann, ist ja wohl klar. So muss man genau wissen, wie man an das Ziel kommt. Sonst ist die schönste linke Politik wertlos, weil man in der Parlamentsarbeit, bei der Realisierung der Ziele von den Konservativeren verarscht wird. An dieser Stelle muss ich mal Reinhard Bütikofer loben, der – wie ich in der taz las – gesagt hat “Ich halte nichts von einer radikalen Politik, die keinen Weg beschreibt, wie man von hier nach dort schreiten kann.”
4) Auch Realos sind Menschen. “Realo” oder “Reala” ist kein Schimpfwort, sondern lediglich die Selbst-Zuordnung zu einer Gruppe.
5) Nicht zuletzt: Es gibt gar nicht so wenige Realos, die für ein Grundeinkommen sind.
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17 Responses to “Subjektiv und für Ergänzungen offen”
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Gut, dass du die Art der Debatte um das Grundeinkommen kritisierst. Denn je länger die Diskussion ging, desto weniger wurde auf die imho Gegenargumente eingegangen.
Aber ansonsten war es wirklich, wie du auch schreibst, ein schöner Buko.Grüße vom fernen Bodensee…
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Hey Lukas,
wo bleiben nur die anderen Kommentare. Arvid, du Guter, wo bleibst denn du? -
Joschka
Guten Tag,
ich sitze hier in der FH-Wilhelmshaven und habe soeben den “rein subjektiven und polemischen Artikel über den 26. Bundeskongress der GRÜNEN JUGEND” gelesen. Und er entspricht meinen Gedanken.
Ich habe am Samstag Abend nach dem Abendessen einen Änderungsantrag zu den vier Sockelpunkten gestellt. Der nicht angenommen wurde.Hinterher meinte Sven relativ leise zu mir, das würde seinen ganzen Antrag zerstören. Aber er hat ja Glück gehabt, das mein Änderungsantrag nicht durch gekommen ist.
Nun gut Sven ist Visionär und es ist wichtig Visionen zu haben um zu wissen wo man hin will. Besonders hilfreich kann das bei der Schreibung eines Grundsatzprogrammes sein.
Aber das Thema muss realistisch angegangen werden. Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist unrealistisch und zudem nicht wünschenswert.Ich fragt am Montag meinen VWL Prof. nach seiner Meinung und er meinte, dass das Grundeinkommen der Volkswirtschaft schaden würde.
Unser Wirtschaftssystem ist wohlweißliche die Marktwirtschaft. Dieses existierte schon im Mittelalter, nur dass halt mit Waren und nicht mit Geld getauscht wurde.
Jeder lebt nach dem Ökonomischen Prinzip. (Es soll mal jemand beweisen, dass mensch nicht nach dem Ökonomischen Prinzip lebt.)
Ein besseres Wirtschaftssystem als die Marktwirtschaft gibt es meiner Meinung nach nicht oder ist noch nicht erfunden.
Die Zentralverwaltungwirtschaft wird nicht funktionieren, da der Mensch sich durch seine Individualität auszeichnet und sich von anderen differenzieren möchte.Die Zukunft wird in etwa so aussehen, dass (nationalbezogen)durch den technischen Fortschritt die Armen im Verhältniss reicher und alle aber insgeasamt etwas Ärmer werden. Durch den demographischen Wandel wird es aber einen größeren Arbeitskräftebedarf im Pflege- und Kulturbereich geben. (Ich habe selbst erlebt wie Menschen im Altenheim als Ware(kapitaler Gegenstand)und nicht als Menschen behandelt werden.)
Letztlich wird genug Arbeit für alle dasein.
Sicherlich ist es aber ohnehin nötig, wie im Antrag gefordert, dass die Institutionen gestärkt werden.
Menschen die nicht genug verdienen um einigermaßen gut leben zu können, sollten eine Aufstockung bis zu einem gewissen Betrag erhalten.Somit landen wir bei einem Kombilohn.
Und das entsprach der Intention meines Änderungsantrags.
Viele Grüße von
Joschka -
Linux
Auch wenn ich mich zu den Realos zähle, würde ich mich einem mehrheitlichen Wunsch nach einem Grundeinkommen natürlich nicht in den Weg stellen, dafür sind wir ja alle brave Demokraten, die andere ausreden lassen, zuhören und sich ans Protokoll halten, wenn andere am Podium stehen!
IMO hätten wir aber auch den ermutigenden Sozialstaat als einen möglichen Weg in Richtung Grundeinkommen nennen können. Somit wäre der Leitantrag wohl um einige Seiten gewachsen, aber die inhaltliche Konsistenz wäre geblieben.
Ich freue mich aber schon auf die folgenden Debatten.
Greetz
Linux -
Tja, ich würde sagen dem Wunsch von Arvid wurde nur teilweise entsprochen den Polemik kann kaum erkennen eher eine gute Analyse des Bukos 😉
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Huhu
dass irgendein neoliberaler Wirtschaftsprofessor gegen das Grundeinkommen ist, kann ich schon nachvollziehen. Das ist aber nicht der Punkt.
Ich bin der Meinung, dass “Grundeinkommen” nicht “links” ist. Bzw. dass man nicht pauschal den GegnerInnen des Grundeinkommens unterstellen kann, irgendwelche “Grundwerte zu verraten” oder “etabliert und angepasst” zu sein.
Dies fiel mir auch bei der Debatte um die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf: Im derzeitigen System, da bin ich mit den GegnerInnen einig, ist die Erhöhung des Renteneintrittsalters Bullshit, dumm und unsozial. Aber wenn man das System auch an anderen Stellschrauben verändert (Sabbat-Jahre, mehr Zeit in der Mitte des Lebens) dann ist es auch sinnvoll, später noch ein bisschen weiterzuarbeiten. Nur zur Info: Als die “Rente” eingeführt wurde, erreichten die wenisgten Leute überhaupt das Eintrittsalter. Ich bin jetzt auch nicht dafür, dass man bis zu seinem Lebensende arbeiten muss, aber ich finde schon, dass man die Leute über 50 nicht pauschal in die Rente abschieben soll. Diese Leute haben viel Erfahrung und viele Fertigkeiten im Laufe ihres Arbeitslebens erworben, sie möchten diese weitergeben. Für eine moderne Arbeitsgesellschaft ist es auch äußerst sinnvoll, dieses Wissen zu nutzen.
Dies nur als Beispiel. Also noch mal: Was im derzeitigen System Gift ist, kann im anderen eine gute und gerechte Lösung sein. Bitte einfach mal etwas mehr über den Tellerrand schauen. Und radikal denken! Mehrdimensional!
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“Joschka” schreibt da oben: “Letztlich wird genug Arbeit für alle dasein.” Und das ist m.E. die Krux bei der Sache. Ich glaube nämlich nicht, dass letztlich genug — bezahlte — Arbeit für alle da sein wird. Wegen Globalisierung, wegen Rationalisierung, wegen Abbau von öffentlichen Sektoren usw. Dann bleiben ziemlich viele Leute übrig, die gerne was tun würden, aber niemand finden, der sie dafür bezahlt. Und genau in der Situation halte ich persönlich ein Grundeinkommen für eine kluge Sache (und sehe btw anders als Bütikofer durchaus auch Wege, um dahinzukommen). Insofern hat’s mich gefreut, in der taz zu lesen, dass die Grüne Jugend sich dafür ausgesprochen hat. Hier klingt das nun so, als sei der Stil der Debatte ziemlich unerträglich gewesen — ich war nicht auf dem Kongress, weiss aber, wie diskussionsfreudig Grüne sind und kann mir das deswegen lebhaft vorstellen. Fazit für mich: global (und lokal) wird die Arbeit die nächsten Dekaden deutlich weniger, das lässt sich auch durch mehr Wachstum nicht ändern (oder durch die Verschärfung von Zwangsmaßnahmen, Arbeitsplätze zu finden). Deswegen sind intelligente Lösungen dafür gefragt. Das Grundeinkommen wäre eine solche intelligente Lösung, eine Halbzeitgesellschaft auch, aber vielleicht gibt’s auch noch weitere. Darüber zu diskutieren (z.B. auf dem Zukunftskongress im September) ist wichtig und lohnenswert. Ohne sich zu sehr auf einen Weg einengen zu lassen.
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Zeitrafferin
@Till
Der heisst wirklich Joschka. Das ist sein Vorname.
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Christoph
Liebe Julia,
ich kann deine Ablehnung des Grundeinkommens nicht teilen. Eine linke, libertäre, emanzipative Sozialpolitik sollte die Menschen frei und unabhängig machen und sie gleich behandeln. Das erfolgt durch das Grundeinkommen. Was daran “neoliberal” sein soll, Leuten Kohle zu geben, ohne von ihnen irgendeinen Arbeitseinsatz zu verlangen, einfach nur, weil sie Menschen sind, auch ohne vom Kapitalismus verwertet zu werden, verstehe ich beim besten Wille nicht.
Ein Grundeinkommen könnte alle fast alle Sozialleistungen und Subventionen ersetzen. Willst du lieber weiter die Gängelung des einzelnen durch das Ausfüllen seitenlanger, unverständlicher Formulare auf grauen Behördenfluren? Willst du dich maternalistisch um die “Schwachen” kümmern, statt den Menschen von vornherein materielle Unabhängigkeit zu geben und damit zu verhindern, dass die Leute überhaupt “schwach” und irgendwelcher ermutigender Sozialstaaten bedürftig werden?Wohlstand für alle!
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Joschka Milan Kipshagen
Wohlstand für alle bringt die Marktwirtschaft. Jeder der einbischen Ahnung hat und sich mal mit der Marktwirtschaft und ihren Wirkungen und Eigenheiten auseinandersetzt wird das erkennen.
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Ah ja 🙂
Ich denke nicht, dass man dies so pauschal sagen kann. Es gibt in der Welt genug Gegenbeispiele.
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Joschka Milan Kipshagen
Zum Beispiel?
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Nun denn,
du meinst doch nicht tatsächlich, dass allein die Marktwirtschaft “Wohlstand für alle” bringen kann? Das funktionierte nach diesem Spruch vielleicht in der Bundesrepublik der 50er …Allein der Markt richtet es nicht. Ein unregulierter Markt führt doch – laut Marx – zur Akkumulation des Kapitals in Oligo- und Monopolen. 🙂
Ich könnte Dir zustimmen, dass das gerechteste System eine gerecht regulierte soziale Marktwirtschaft ist. Aber Markt allein – dat bringts nicht.
Schau mal in die Länder des Südens, die würden sich bedanken, wenn Du behaupten würdest: Hey, kuckt mal, ihr habt den Markt, und jetzt ist der “Wohlstand für alle” bei Euch ausgebrochen. Aber auch in der Bundesrepublik – schau dich mal um: Bist Du wirklich der Auffassung, dass “bei uns” durch die soziale Marktwirtschaft “Wohlstand für alle” realisiert ist?
Ich war heute nachmittag bei einer Veranstaltung im “Bonner Loch”. Wenn Leute Pfand sammeln müssen, um über die Runden zu kommen (weil das ALG-II nicht reicht, oder noch schlimmer: Weil es gestrichen wurde), dann kannst du doch nicht behaupten, dass in der Bundesrepublik “Wohlstand für alle” herrscht.
Und das mal ganz abgesehen von denjenigen Systemen, in denen noch ein radikalerer Markt existiert.
Nein, nein. Der Markt allein – der kanns nicht richten.
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Joschka Kipshagen
Ja und nein.
Die Marktwirtschaft bringt die Effekte der Innovation und der Diffusion mit sich. Durch die Innovation kann immer mehr, immer schneller und mit vielweniger menschlicher Arbeitskraft produziert werden.
Die Technologien werden immer effizienter. Z.B werden in einigen Jahren kaum noch KassierInnen benötigt, weil es zentrale, computergesteuerte Kassensysteme geben wird (RFID). Das hat zur Folge, dass der Faktor Arbeit wegfällt. Lebensmittel werden billiger. Die heute armen Menschen können sich mehr von ihrem Geld kaufen.Ganz allgemein komme ich zu dem Schluss die Marktwirtschaft wird uns mengenmäßig Materiell besser stellen. Insgesamt werden die heute armen vergleichsweise Wohlhabender und alle im Schnitt etwas ärmer.
Das andere Problem liegt an der konkreten Ausgestaltung und Finanzierung der Sozialensystem. Da ist eine effizentere Umverteilung geboten.
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Ich habe auf meiner Seite eine Reform der Parlamentsarbeit dargestellt und hätte gern gewußt, welche Gegenargumente bestehen: http://www.deutschland-debatte.de/2007/07/05/demokratie-stuetzen-und-verbessern/, bitte postet hier, danke.
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