Julia Seeliger
  • Meine Widersprüche bei netzeitung.de

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    25. July 2007 | Trackback | Internet ausdrucken
    scissors

    Heute und in den kommenden drei Tagen bin ich bei der netzeitung im Interview. Wie es sich gehört, sind die prägnantesten Zitate auch gleich zur Überschrift verwurstelt worden.

    netzeitung screenshot

    “Meine Widersprüche” bezieht sich auf mein Staatsverständnis. Ich meine damit, dass ich für einen starken Sozialstaat bzw starke sozialstaatliche Institutionen bin – geradezu sozialdemokratisch – damit aber nicht gleichzeitig will, dass der Staat alles Private über seine BürgerInnen wissen muss. So n Widerspruch ist das in meinen Augen gar nicht, sondern typisch grün. Freiheit von sozialen Ungerechtigkeiten, von ökonomischen Zwängen – und auf der anderen Seite Bewegungsfreiheit, Freiheit, seine sexuelle Orientierung zu leben, Freiheit, seine Meinung zu äußern – ob im Netz oder sonstwo.

    Politisch bin ich sozusagen das Gegenteil von FDP.

    Hier gibts den zweiten Teil, benannt mit “Mein Internet”.
    Und jetzt ist auch der dritte Teil erschienen: “Meine Politik”


    Einsortiert: julia in der presse


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32 Responses to “Meine Widersprüche bei netzeitung.de”

  1. > Stattdessen wird wahrscheinlich das Angebot Ihrer Partei kommen, auf
    > einem sicheren Listenplatz ins Parlament einzuziehen […]
    > Die werden Sie als junge, linke, fotogene und Internet-affine Frau
    > ins Parlament schicken wollen

    Immer wieder erstaunlich, wie sich Journalisten so die Politik vorstellen!

  2. dachte ich da auch 🙂

  3. Humpty Dumpty

    Hallo, Julia, das hört sich alles schön an und ich nehme dir dein Engagement für den Sozialstaat auch ab – aber interessiert das auch deine Parteioberen? Die Grünen sind jetzt in der Opposition, da lässt sich’s trefflich experimentieren und neu ausrichten, aber was bleibt?
    Wie kommt’s, dass man die Grünen nicht unbedingt mit der sozialen Frage in Verbindung bringt? Schlechte Kommunikationspolitik?
    Das (kommunizierte) Image das Grünen liest sich momentan “Bobo+Bürgerrechte+Umwelt”. Ein Irrtum wahrscheinlich, aber auch die FDP scheint das so zu sehen, neuerdings. Vielleicht sollte man sich klarer gegen neoliberale Wirtschaftspolitik aussprechen. Um Missverständnisse zu vermeiden.

  4. Das ist nicht nur typisch grün, das ist einfach nur richtig.
    Rousseau hat da doch mal was gesagt… mit den Starken und Schwachen und dem Gesetz und der Freiheit. Wie war das noch gleich? *grübel*
    Die FDP jedenfalls will eine Doppelsorten Freiheit…
    Die Freiheit derjenigen die sich alles kaufen können und der anderen die nichts zu verlieren haben.

  5. Warum muss Hartz IV denn nicht weg?

  6. vermutlich. weil es zu kurz greift das ende von hartz 4 zu fordern, sondern auch alternativen aufgezeigt werden müssen.
    erfreulicherweise wird bei den grünen die idee des bedingungslosen grundeinkommens immer stärker.
    aber auch eine grundsicherung wäre ein fortschritt.

    ich habe durch bekannt und verwandte hartz 4 erlebt und finde es menschenverachtend.

  7. […] Auf Julia Seeligers Blog (lange Jahre Schatzmeisterin der Grünen Jugend und jetzt im Parteirat von Bündnis90/die Grünen), bin ich auf ihren Verweis gestoßen, dass ein Interview von ihr bei der Netzzeitung erschienen ist. […]

  8. > Ich meine damit, dass ich für einen starken Sozialstaat bzw starke sozialstaatliche Institutionen bin – geradezu sozialdemokratisch – damit aber nicht gleichzeitig will, dass der Staat alles Private über seine BürgerInnen wissen muss.

    Da ist mir Grundeinkommen/-sicherung lieber, ein möglichst einfaches System, dass keine großen und starken Institutionen erfordert.
    Der bürokratische Warteflur-Wohlfahrtsstaat jedenfalls ist wenig sozial und wenig freiheitlich. Man füllt ellenlange Formulare aus (reichlich persönliche Daten werden gesammelt), alle mögliche Gelder werden an (überwiegend gar nicht so arme!) Bevölkerungsteile ausgeschüttet und man darf den ganzen Apparat inklusive unkündbaren SesselfurzerInnen bezahlen. Und eine Umverteilung von oben nach unten – eigentlich mal Sinn dieses Ungetüms – lässt sich nicht wirklich erkennen.

    > Politisch bin ich sozusagen das Gegenteil von FDP.

    So habe ich auch mal gedacht, in meiner etatistischen Postpubertät. Mittlerweile bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass die Freiheit des Wirtschaftssubjektes von der übrigen individuellen Freiheit nicht zu trennen ist und der starke Staat, von wenigen vergangenen Jahrzehnten in der westlichen Welt abgesehen, immer eine Bedrohung für den Einzelnen darstellt.

  9. Kann ich Christoph nur zustimmen. Nur bei dem Grundeinkommen bin ich sehr skeptisch.

  10. @Christoph und fpk

    Für euch sind also, sagen wir mal, Gesetze zur Förderung der Steuerehrlichkeit dasselbe wie Schäubles “War on Terrorists”?

    Interessanter Ansatz!

  11. > Für euch sind also, sagen wir mal, Gesetze zur Förderung der Steuerehrlichkeit dasselbe wie Schäubles “War on Terrorists”?

    Soll beides den ‘gläsernen Bürger’ schaffen.

  12. Entschuldige, mein lieber Christoph,

    bei solch einem Thema sollte mensch doch etwas inhaltlicher an die Sache herangehen. Will jetzt nicht das blöde Wort bemühen … oder doch …

    Differenziert!

    🙂

  13. @Christoph
    Und ich nehme an die Auswirkungen ökonomischer Dynamiken auf “befreite Wirtschaftssubjekte” wirken sich in eurer Welt nicht negativ auf die individuelle Freiheit eben dieser Wirtschaftssubjekte aus?
    Interessant…
    Was ist Geld eigentlich?
    Machtanspruch. Wenn gegenwärtig bereits eine Minderheit von Menschen den Großteil aller Machtansprüche gegenüber allen anderen Menschen hortet…
    …führt dies sicher nicht zu individueller Freiheit.
    Natürlich muss der Warteflursozialstaat weg… und ein Grundeinkommen soll durchaus den Menschen die Möglichkeit geben sich durch und durch (abgesichert) emanzipatorisch selbst zu ökonomisieren.
    Das bedeutet aber nicht den steinzeitlichen Wildwuchspseudofreiheits Manchesterkap… na du weißt schon. Allerdings… hast du dafür überhaupt plädiert?
    Vielleicht nicht? Was steckt hinter deiner “Freiheit des Wirtschaftssubjektes”? Erklär mal.

  14. Humpty Dumpty

    Schade, dass auf meinen Kommentar nicht eingegangen wird …

  15. @Humpty Dumpty

    Das liegt zum einen daran, dass viele Leute die Grünen nur mit “5 Euro (!) den Liter Benzin” in Verbindung bringen, zum anderen ist es schon so, dass bei uns einige soziale Gerechtigkeit mehr über die globale Schiene definieren (und da kommt die Umweltkomponente mehr zum Tragen), zum anderen haben wir auch ProtagonistInnen, die das Soziale immer erst im zweiten Satz – wenn überhaupt – nennen.

    Das stört mich auch. Es ändert sich aber auch einiges, und beim Bundesparteitag im November haben wir das Thema “Soziale Sicherung” fett auf der Tagesordnung. Da erhoffe ich mir einiges!

  16. […] Und damit das hier wenigstens noch irgendeinen Informationsgehalt hat: Jule gibt derzeit interessante Interviews. Guckstu hier… […]

  17. Sorry Humpty.
    Ich glaube mit deiner Einschätzung hast du recht. Andererseits sind haufenweise Leute in der Partei die das ändern wollen. Und ich glaube dies wird gelingen. Vertrau der normativen Kraft des Faktischen.

  18. > Was ist Geld eigentlich?
    Machtanspruch. Wenn gegenwärtig bereits eine Minderheit von Menschen den Großteil aller Machtansprüche gegenüber allen anderen Menschen hortet…
    …führt dies sicher nicht zu individueller Freiheit.

    Naja, Geld ist nur ein Tauschmedium. Du beziehst dich auf Eigentumsunterschiede. Die sind nicht prinzipiell ein Problem. Meine Freiheit als Gebrauchtfahrradbesitzer wird nicht dadurch eingeschränkt, dass es Menschen gibt, die sich Dutzende luxuriöser Neufahrräder kaufen können. Und in einem demokratischen Rechtsstaat kann ein Reicher einen Armen nicht ohne weiteres zur Sau machen. Bei Grundeinkommen ö.ä. erst recht nicht, das ist ein besserer Schutzmechanismus als jeder ‘starke’ Wohlfahrts(bürokratie)staat.
    Eigentumsunterschiede sind vor allem dann ein Gerechtigkeitsproblem, wenn sie unfair entstanden sind, z.B. durch Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen oder – siehe globale Armut – durch protektionistische Wirtschaftspolitik. In den meisten dieser Fälle ist es staatliche Politik, die diese Ungerechtigkeiten hervorbringt.
    Der freie weltweite Agrarmarkt z.B. wäre DAS Instrument zur Entwicklungshilfe, nicht irgendwelche Zahlungen, die – wenn überhaupt – nur ansatzweise das kompensieren können, was durch widersinnige und ungerechte staatliche Ausgaben an Schaden angerichtet wird. Insofern hat die Friedman-Ecke durchaus ihren Punkt, dass auch staatliche Umverteilungspolitik (mit ihren vermeintliche guten Absichten) ihre massiven Gefahren birgt.

    > Das bedeutet aber nicht den steinzeitlichen Wildwuchspseudofreiheits Manchesterkap… na du weißt schon. Allerdings… hast du dafür überhaupt plädiert?

    Durch alles, was irgendwie in die Nähe eines Grundeinkommens kommt, rückt der Manchesterkapitalismus in weite Ferne. Würde dann nämlich jemand für einen “Hungerlohn” arbeiten, täte er dies freiwillig und hätte immer noch genug Geld in der Tasche.

    > Was steckt hinter deiner “Freiheit des Wirtschaftssubjektes”? Erklär mal.

    Es besteht strukturell kein Unterschied zwischen individueller Freiheit in nicht-wirtschaftlichem und im wirtschaftlichen Kontext. Ökonomisch gesehen geht es bei beidem sowieso um das Gleiche, Bedürfnisbefriedigung.

  19. Lieber Christoph,

    ich bitte dich aber mal, realistisch darüber nachzudenken, unter welchen Voraussetzungen Märkte diese Eigenschaften entfalten können. Ein schönes Beispiel las ich kürzlich in einem ansonsten sehr guten Interview von Fritz Kuhn: Er erzählte, dass er sich auch schon vor einem halben Jahr Öko-Strom bestellt hat. Da frage ich: Wenn sogar der in diesem Segment absolut informierte Verbraucher – und darüber hinaus einer ohne Geldsorgen – sich nicht schon seit Jahren Ökostrom bestellt hat, wer denn dann?

    Gerade angesichts der immer schlimmer werdenden ökologischen und sozialen Probleme auf diesem Erdball ist es doch sträflich anzunehmen, dass man nur die Märkte befreien müsse, und der Rest würde sich schon regeln. Das, so meine ich, ist zu kurz gedacht.

  20. > Gerade angesichts der immer schlimmer werdenden ökologischen und sozialen Probleme auf diesem Erdball ist es doch sträflich anzunehmen, dass man nur die Märkte befreien müsse, und der Rest würde sich schon regeln.

    Ich bleibe bei meinem Beispiel westliche Agrarpolitik/weltweite Armut. Da sieht man, zu wieviel Fairness Märkte in der Lage wären, wenn sie nicht durch staatliche Ungerechtigkeit verfälscht würden.
    Weitere Probleme in Entwicklungsländern werden durch abartige politische (staatliche!) Regime verursacht.
    Gefahren durch Konzerne entstehen im wesentlichen dann erst, wenn sich staatliche Entscheidungsträger von ihnen korrumpieren lassen, s. USA.

  21. “Ich muss ja nicht mit allem einverstanden sein, was meine Partei im Bundestag mitentscheidet. Und umgekehrt muss sie auch nicht jeden meiner Gedanken teilen.”

    Wo wir wieder beim Grund wären, wieso ich persönlich nicht einer Partei beitrete. Ich kann mich mit vielem nicht arrangieren, was von den Parteien vertreten wird, und ich möchte diese Entscheidungen nicht mittragen.

    “Wichtig ist, dass die Bedeutung und der Umfang der digitalen Welten in der Partei endlich ernst genommen werden.”

    Das bringt allerdings nichts, wenn VORHER Gesetze durchgewunken werden, ohne Hintergrundwissen über die Konsequenzen zu haben. Ich bin gespannt, ob der angesprochene Hackerparagraph wiederrufen wird. Wenn Gesetze einmal bestehen, sind sie ja bekanntlich schwer wieder los zu werden.

  22. @Christoph
    M.E. nach führt die klassische Kapitalakkumulation zu allererst zu jedweden Ungerechtigkeiten. Diese hast du aber überhaupt nicht erwähnt. Warum?

    Geld ist eben nicht nur ein Tauschmedium. Du verhakelst dich in diesem Punkt in der irreführenden Annahme das Ökonomische System abgegrenzt von gesamtgesellschaftlichen System betrachten zu können. Was natürlich Unsinn ist, ist Wirtschaften doch nichts anderes als eine soziale Überlebenstechnik.
    Im Gesamtzusammenhang bedeutet Geld eben Machtanspruch.
    Beispiel: In einem Land (ohne Grundeinkommen) ist jeder Mensch darauf angewiesen für sein Einkommen Lohnarbeit für jemand anderes zu leisten. Dieser “Andere” hat den Machtanspruch gegenüber unserem Arbeitnehmer.
    Natürlich kann ein Kioskbesitzer mglw. einem potentiellen Kunden den verkauf einer Flasche Bier verweigern. Aber überwiegend nicht sonst geht er pleite. Somit hat wieder derjenige mit dem Geld einen Machtanspruch gegenüber dem Kioskunternehmer.
    Und so weiter und so fort.

    Wenn gegenwärtig, ich wiederhole es gerne, eine verschwindend geringe Minderheit den Großteil akkumulierter Machtansprüche hortet, dann führt dies zu Verhältnissen die man nun einmal nicht als freiheitlich bezeichnen kann. Da ich beispielsweise einen bestimmten Anteil meiner Lebenszeit dem Diktum anderer Menschen zu unterwerfen muss während eben diese so etwas nicht tun müssen.

  23. > M.E. nach führt die klassische Kapitalakkumulation zu allererst zu jedweden Ungerechtigkeiten. Diese hast du aber überhaupt nicht erwähnt. Warum?

    Weil ungleiche Verteilung (von Ressourcen, Fähigkeiten etc.) erstens zu einem gewissen Grad unvermeidlich und zweitens zu einem gewissen Grad unproblematisch ist. Ich habe vielmehr kritisiert, dass diese Ungleichheit z.T. auf unfairem Wege zustandekommt.

    > Du verhakelst dich in diesem Punkt in der irreführenden Annahme das Ökonomische System abgegrenzt von gesamtgesellschaftlichen System betrachten zu können. Was natürlich Unsinn ist, ist Wirtschaften doch nichts anderes als eine soziale Überlebenstechnik.

    Letzterem stimme ich voll zu, und ich will das ökonomische System auch nicht abgrenzen.

    > Im Gesamtzusammenhang bedeutet Geld eben Machtanspruch.

    Das sehe ich anders. Do ut des, quid pro quo. Austausch gleichwertiger Güter.

    > Beispiel: In einem Land (ohne Grundeinkommen) ist jeder Mensch darauf angewiesen für sein Einkommen Lohnarbeit für jemand anderes zu leisten.

    Das gilt nur teilweise. In Deutschland z.B. in weiten Teilen des Lebenszyklus nicht, für viele Angehörige einer Familie oft nicht oder nur bedingt. Und: staatliche Transferleistungen, die zwar nicht prinzipiell die Idee eines wirtschaftlichen Arbeitszwanges aufheben, aber die Landschaft in dieser Hinsicht weiter pluralisieren.

    > Dieser “Andere” hat den Machtanspruch gegenüber unserem Arbeitnehmer.

    Anspruch auf gewisse Gegenleistungen, klar. Umgekehrt hat der Arbeitnehmer Anspruch auf die Entlohnung und (Bsp. Deutschland) auf vieles mehr. Die Macht gegenüber dem Arbeitgeber ist oft groß.

    > Natürlich kann ein Kioskbesitzer mglw. einem potentiellen Kunden den verkauf einer Flasche Bier verweigern. Aber überwiegend nicht sonst geht er pleite.

    Er muss eben abwägen. Viele Anbieter von Gütern oder Dienstleistungen haben sehr wohl die Möglichkeit, auszuwählen oder sind dazu gar gezwungen.

    > Somit hat wieder derjenige mit dem Geld einen Machtanspruch gegenüber dem Kioskunternehmer.

    Er hat Anspruch auf eine Flasche Bier. Das ist wenig Macht. Egal, ob der Käufer ein Hartz-IV-Empfänger oder Josef Ackermann ist.
    Und wer schon mal mit deutschen Handwerkern zu tun hatte, wird nicht der Auffassung sein, dass man sonderlich mächtig ihnen gegenüber ist, nur weil man ihnen Geld zahlt. Das gilt unabhängig vom eigenen Kontostand.

    > eine verschwindend geringe Minderheit den Großteil akkumulierter Machtansprüche hortet

    Schränkt ein Hauptaktionär eines Konzerns deshalb meine Freiheit ein? Nicht wirklich, außer in besonderen Fällen und auch da nur durch Mithilfe des Staates (Bsp.: der Hauptaktionär des US-Pharmariesen Johnson & Johnson finanziert Kampagnen gegen bestimmte Lebensstile, die aber ohne folgende staatliche Regulierung nur ein geringes Problem wären).

    > Da ich beispielsweise einen bestimmten Anteil meiner Lebenszeit dem Diktum anderer Menschen zu unterwerfen muss während eben diese so etwas nicht tun müssen.

    Es würde meiner Freiheit auch nicht helfen, wenn die Aldi-Brüder arm wären. Im Gegenteil, durch deren jahrelange Orientierung an Kundenwünschen (also auch: Unterwerfung unter Marktgesetze) sind sie eben steinreich geworden und Abermillionen Menschen auf der Welt profitieren von Qualität zu kleinen Preisen.

  24. Es würde deiner Freiheit aber helfen wenn die ALDI-Brüder genausoviel Zeit für eine Summe X aufwenden müssten wie Du. Mir geht grad die Zeit flöten, ich hoffe du weißt wie ich es meine.

    Ich halte es für einen Fehler in den Strom der Kritisierer eines allmächtigen Staates einzufallen. Erst Recht weil dies die gegnwärtige Trennung von Staat und Bevölkerung zementiert.
    Wir können uns, wenn du magst, insofern einigen: Das der Staat in den falschen Bereichen des ökonomischen Systems eingreift bzw. eben dies nicht tut.
    Kern und Knackpunkt der gesamten aktuellen Misere ist die unzureichende Redistribution von Kapital. Was dies angeht ist die Fehlleistung des Staates keine Regulierung sondern eine Unterlassung. Aber da nähern wir uns ja BGE-technisch langsam besseren Zeiten an. Zumindest im Kopf. Könnte das jemand auch noch dem Büti sagen? Danke.
    Schönes Wochenende!

  25. .. das dem direkten Tauschzyklus entnommene Kapital hat die Bedeutung eines Potentials, die Macht besteht dann nicht darin, es konkret einzusetzen, sondern es ggf. NICHT zu tun (oder seinen Einsatz selektiv vorzunehmen, das koennen auch ethisch-moralisch fragwuerdige Entscheidungen sein, etwa polnischen Firmen keine Auftragee zu erteilen etc.), insofern hat Dennis recht, wenn er sagt, Geld bedeutete Macht, nur liegt die Macht eben in ihrem potentiellen nicht-Anwenden begruendet. All das wird ja im wesentlichen in Gesells Programm entkraeftet, das Christoph wohl in etwa vertritt, hier sollen die reinen Gesetze des Marktes zu ‘Grerechtigkeit’ fuehren, die Frage bleibt nur hier: was ist Gerechtigkeit? Spaetestens seit Entstehung der christlichen Kulturen, aber nicht nur dort, sind Gesellschaften darin uebereingekommen, von Geburt an ‘Schwaechere’ zu schuetzen oder den Schutz dieser Individuen mit Wert zu versehen, was beileibe ja keine Selbstverstaendlichkeit ist. Der Mensch hat eine ‘natuerliche’ Anlage, das ‘ueberlegene’ anzuerkennen, das laesst sich in jedem Wolfs- oder Affenrudel beobachten, nur finden Menschen es heute gerecht, wenn der/die Schoenste das beste Leben hat, oder der/die Staerkste, der/die Schlaueste? Christophs und Gesells Mentalitaeten weisen tief in den Abgrund von Eugenik, Archaismus und tendenziell Menschenverachtung und genau deshalb muss es Instanzen geben, die Menschen vor anderen Menschen bewahren.

  26. > Es würde deiner Freiheit aber helfen wenn die ALDI-Brüder genausoviel Zeit für eine Summe X aufwenden müssten wie Du.

    Nein, warum sollte ich missgünstig sein gegenüber den Herren? Deren Reichtum schadet doch niemandem, im Gegenteil, ihr Discount-Imperium trägt wesentlich zur Versorgung der Bevölkerung bei. Wenn der Bundestag ein halbes Jahr seine Aktivitäten einstellt, dann stört das keinen oder hilft sogar, wenn Aldi ein halbes Jahr geschlossen wäre, oh wei.

    > ch halte es für einen Fehler in den Strom der Kritisierer eines allmächtigen Staates einzufallen.

    Der Staat (mit Ausnahme von ein paar Jahrzehnten in der westlichen Welt) ist eine Gefahr für das Individuum, eine Verselbständigung und Ausuferung unterdrückerischer Impulse. Deshalb gehört der Staat an die kurze Leine und schwere Kette.

    > Erst Recht weil dies die gegnwärtige Trennung von Staat und Bevölkerung zementiert.

    Oben sitzen immer zuviele, die die breite Masse der Individuen steuern, regulieren, kanalisieren, fesseln wollen. Wer glaubt etwas Besseres zu sein, als der kleine Mann/die kleine Frau auf der Straße und Macht über diese missbraucht, hat Widerstand verdient.

    > Kern und Knackpunkt der gesamten aktuellen Misere ist die unzureichende Redistribution von Kapital.

    Ro(s)t. Kernpunkt des Elends ist die Unterdrückung des Menschen durch den Menschen. Und die wird durch sozialistische Gleichmacherei nun wirklich nicht aufgehoben, im Gegenteil.

    > Was dies angeht ist die Fehlleistung des Staates keine Regulierung sondern eine Unterlassung

    Ich würde mir mehr Unterlassung seitens des Staates wünschen. Einfach mal 4 Jahre lang keinerlei Gesetzgebung, und dem Land geht es anschließend besser. Man hätte 2005 mit dem Beginn dieser Wahlperiode anfangen sollen.

  27. > nur finden Menschen es heute gerecht, wenn der/die Schoenste das beste Leben hat, oder der/die Staerkste, der/die Schlaueste?

    Was ist denn das “beste Leben”, woran macht es sich fest? Das individuelle Streben nach Glück ist subjektiv und wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass andere ein gutes Leben haben. Mir fehlen die Milliarden der Aldi-Brüder jedenfalls nicht. Entscheidend ist, dass mir keine Obrigkeit Steine in den Weg legt.

    > weisen tief in den Abgrund von Eugenik, Archaismus und tendenziell Menschenverachtung

    Auch wenn den Troll ignorieren sollte, weise ich doch darauf hin, dass sich mein Tun und Denken gegen Dinge wie Eugenik und Menschenverachtung wendet.

    > genau deshalb muss es Instanzen geben, die Menschen vor anderen Menschen bewahren.

    Umgekehrt müssen Instanzen bekämpft werden, deren Praxis die Unterdrückung der Menschen ist.

  28. Christoph, deine Logik fuehrt, konsequent angewndet, zu dem voelligen Rueckzug staatlicher Institutionen aus jedweder Verteilung zivilisatorischer Errungenschaften, insbesondere wuerde dies bedeuten, dass jemand der ‘schwach’ ist, nich nur nicht, wie heute, eine Wohnung und eine Ernaehrung hat, die ihn mehrere Jahre frueher sterben laesst, stattdessen wuerden elementare Leistungen wie Gesundheitsversorgung oder Bildung dem proklamierten Primat der indivuiduellen ‘Leistungsfaehigkeit’ untergeordnet. Der Reichtum der ALDI-Brueder ist doch nicht deshalb anzuprangern, weil ihre Familie von Rolls-Royces die Strassen verstopfte, sondern weil die hohe Gewinnspanne der ALDI-Maerkte (5-%) eine direkte Folge der elenden Situation der dortigen Angestellten ist, es ist also hier nicht nur so, dass das ‘Kapital’ ein a-posteriori Machtinstrument ist, es ist auch eine Folge initial ungleich verteilter und in der Folge grotesk verstaerkter Ungleichheiten der Machtkonstellationen/Faehigkeiten etc. Die Wirtschaft ist kein ‘lineares System’, in dem gleiche Anfangsbedingungen in hinreichend praezisem Sinen nahe innerhalb ihrer Zeitentwicklungen blieben, die Wirtschaft ist chaotisch, winzige Variationen der Anfangsbedingungen schaffen zuweilen riesige Variationen der Endpunkte, ueberall gibt es Bifurkationen, Phasenuebergange, kritische Kapitalmengen, ich bin kein Wirtschaftler, eine moderne Analyse der Phaenomene ist aber zweifellos voll davon. Diesen Phaenomenen muss ein humaner Begriff von Gerechtigkeit entgegengesetzt werden, der Folge einer Reflektion der Gegebenheiten ist, um diesen durchzusetzen, braucht man den Staat.

  29. Lieber Andreas, schön, dass du jetzt mit offenen Karten spielst und deine Identität preisgibst.

    > dass jemand der ’schwach’ ist, nich nur nicht, wie heute, eine Wohnung und eine Ernaehrung hat, die ihn mehrere Jahre frueher sterben laesst, stattdessen wuerden elementare Leistungen wie Gesundheitsversorgung oder Bildung dem proklamierten Primat der indivuiduellen ‘Leistungsfaehigkeit’ untergeordnet.

    Nein. Ich erinnere nochmals an den Zusammenhang staatlicher protektionistischer Wirtschaftspolitik im Westen mit globaler Armut. Regulierung seitens des Staates führt oftmals zum genauen Gegenteil dessen, was du als erstrebenswert siehst.
    Und elementare Leistungen abzuschaffen, ist nun wirklich nicht mein Drang. So viel Staat muss sein.

    > die hohe Gewinnspanne der ALDI-Maerkte (5-%) eine direkte Folge der elenden Situation der dortigen Angestellten ist

    Es wäre zu klären, wie viel ‘Ausbeutung’ dort vorliegt. Ob man von “Elend” sprechen kann, bezweifle ich erst mal. Je nach Lage könnte man aber zum Boykott aufrufen. Das ist auch Marktmacht.

    > es ist auch eine Folge initial ungleich verteilter und in der Folge grotesk verstaerkter Ungleichheiten der Machtkonstellationen/Faehigkeiten etc.

    Da ist was dran. Aber worin liegt das Problem?

    > Diesen Phaenomenen muss ein humaner Begriff von Gerechtigkeit entgegengesetzt werden, der Folge einer Reflektion der Gegebenheiten ist, um diesen durchzusetzen, braucht man den Staat.

    Der Staat und “ein humaner Begriff von Gerechtigkeit”. Dass ich nicht lache.

  30. ..die Frage ist doch nur, ob die ‘Zufaelligkeit’ der Dynamik eines freien oekonomischen Systems das ist, was Menschen heute unter ‘Gerechtigkeit’ verstehen, wenn es andere als staatliche Instanzen gaebe, die dem notwendige Randbedingungen auferlegen koennten und wenn ein Handeln dieser Instanzen im Interesse der ‘Schwaecheren’ gesichert waere, waere dagegen nichts einzuwenden, diese Rolle spielen wohl heute Gewerkschaften, Verbraucherverbaende, Mieterschutzverbaende etc. Der Staat exemplifiziert nur ein Moment der gewaehlten Beeinflussung, wo sonst die Mechanismen eines u.U. wie gesagt chaotischen Systemes herrschten, dass diese gewaehlten Mechanismen nicht gewaehlt werden muessen um ‘Schwache’ vor ‘Starken’ zu schuetzen ist ja evident, das war aber moeglicherweise nicht ganz das, wovon hier die Rede war, etwa koennte man sich ja einen Staat vorstellen, der kleine und mittlere Unternehmen mit horrenden Steuersaetzen, Schikanen u.ae. belegt und Riesen wie ALDI grundsaetzlich steuerbefreit und Betriebsraete verbietet, sicherlich, nur es ging um die Frage, ob ein freier Markt einer sozialen Marktwirtschaft vorzuziehen ist. Ich bin der letzte der Agrarsubventionen befuerworten wuerde, die den afrikanischen Markt mit europ. Weizen ueberfluten, aber man muss auch sehen, dass der afrikanische Markt auch ohne diese Unfairness massive Schwierigkeiten haette, konkurrenzfaehig zu sein, wie Jeffrey Sachs kuerzlich sagte, fehlen nach wie vor grundlegendste Voraussetzungen der Infrastruktur und Gesundheitsversorgung, wenn jeder zweite Bauer dort an Malariafolgen laboriert, gibt es keine ‘fairen’ Ausgangspositionen, die Probleme sind von solcher Dimension, dass hier nur staatliche, internationale Hilfen nuetzten.

    ‘Das Problem’ an jener ‘nicht-Konservativitaet’ der oekonomischen Dynamik ist, dass im Grossen eben tendenziell andere Bedingungen herrschen als im Kleinen, deine Vorstellung einer gelungenen Tauschwirtschaft gilt vielleicht fuer das System oertlicher Kraemer, Kesselflicker und Schuhmacher des Mittelalters, hier kann man sagen: der wirtschaftliche Erfolg ist eben ganz einfach abhaengig von Fleiss des Schneiders, wie gesagt verhaelt sich eine globale Dynamik aber eher so wie das globale Wetter: chaotisch, unvorhersehbar, extrem sensibel Anfangsbed. gegenueber, insbesondere ist das ganze kein hamiltonsches System, wo ‘die Energieerhaltung’ ja einen intuitiven Begriff von Gerechtigkeit etablieren koennte, stattdessen eexistieren ueberall Separatricen, die bei winzigen Aenderungen der Anfangsgebedingunen den einen zu Reichtum verhelfen, den anderen ins dissipative Loch eines attraktiven Armuts-Fixpunkts befoerdern.

    Der Staat entschaedigt oder hilft auch Opfern von Klimakatastrophen u.ae., ich sehe nicht, warum das in der Wirtschaft anders sein sollte, im uebrigen meine ich, dass man als allererstes das Preisdumping im Bekleidungssektor verbieten sollte, fahre bitte nach Bangladesch und frage eine dortige Weberin, wie hoch ihr Lohn ist und wie ‘gut’ ihr Leben.

  31. Interessantes Interview. Da denkt man sich so: wenigstens mal jemand der ein wenig Ahnung hat. Vielleicht gibts ja doch noch etwas Hoffnung, dass die ganzen Ahnungslosen aus dem defekten Oberstübchen Deutschlands verschwinden. Ich hatte sie schon aufgegeben.

  32. politisch das gegenteil der FDP?
    das klingt mir eher nach zu bemuehter abgrenzung und zu wenig kenntnisse ob der kernbereiche …

    was aber definitiv gut ist: monogamie ist keine loesung!
    das stuemmt … 😉