Julia Seeliger
  • Interview mit Markus Beckedahl von netzpolitik.org zur Abmahnung durch die Deutsche Bahn

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    12. February 2009 | Trackback | Internet ausdrucken
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    Abgemahnt von der Deutschen Bahn: Markus von netzpolitik.org

    Abgemahnt von der Deutschen Bahn: Markus von netzpolitik.org

    Markus Beckedahl betreibt das mehrfach preisgekrönte Blog netzpolitik.org – acht Jahre bloggt er von dort aus schon, ohne ein einziges Mal abgemahnt worden zu sein.

    Jetzt flatterte ihm eine E-Mail von der Deutschen Bahn in den Posteingang: Wegen der Veröffentlichung eines internen Memos soll Markus eine Unterlassungserklärung unterschreiben. Dies publizierte Markus in seinem Blog – innerhalb weniger Stunden rauschte es nur so, erst im Twitterwald, dann ging die Geschichte “Bahn vs. Blogger überall hoch.

    Was war passiert? Um ein wenig mehr Licht ins Dunkel zu bringen, habe ich heute nachmittag mit Markus ein Interview geführt: Es dreht sich um Geheimnisse und Transparenz, um Rechtsschutz für Blogger und darum, wie wir alle Markus jetzt unterstützen können.


    Zeitrafferin: Du wurdest von der Deutschen Bahn abgemahnt, weil du ein internes Memo veröffentlicht hast. Ist das nicht deren gutes Recht?

    Markus: Ob das deren gutes Recht ist, versuche ich gerade herauszufinden. Ich hab das Dokument zugespielt bekommen und kurz überlegt, ob ich es veröffentlichen soll. Aber ich finde, das Memo gehört in die öffentliche Debatte und es zirkulierte ja schon länger in den Medien. Ich wollte aber allen Interessierten die Möglichkeit geben, sich eine eigene Meinung zu bilden.

    Zeitrafferin: Was genau will denn die Bahn von dir?

    Markus: Die Deutsche Bahn hat mir eine Abmahnung geschickt und will, dass ich das Dokument wieder herunternehme und eine Unterlassungserklärung unterschreibe.

    Zeitrafferin: Was hängt an so einer Unterlassungserklärung noch mit dran? Kostet das was? Was sind die Folgen?

    Markus: Was genau die Folgen sind, versuche ich im Moment noch herauszufinden. Bisher stand nichts von Kosten in der Abmahnung. Aber ich bin kein Jurist und hole mir gerade erstmal Hilfe ein, um die zitierten Paragraphen zu verstehen. Mir wird ja “Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen” vorgeworfen. Mich interessiert im Moment auch, ob die Pressefreiheit mich schützt.

    Zeitrafferin: Gibt es Erfahrungen, wer besonders häufig abgemahnt wird? Trifft es Blogger/innen häufiger als klassische Journalist/innen?

    Markus: Ich weiß nicht, ob Blogger verhältnismäßig häufiger abgemahnt werden als Journalisten. Bisher hab ich acht Jahre ohne Abmahnung gebloggt. Aber viele Blogger haben keine juristischen Kenntnisse der komplizierten Gesetzeslage und bloggen oft unabsichtlich Sachen, die dann abgemahnt werden.

    Zeitrafferin: Wenn das so ist, wäre es nicht eine schöne Idee, dass sich Blogger/innen zu einer Art Rechtshilfevereinigung zusammenschließen, um sich gegen die Willkür zu schützen, oder gibt es derartige Schutzmöglichkeiten schon?

    Markus: Es gibt noch keine Vereinigung, wo Blogger sich Rechtsschutz holen können. Ich hab mir dazu auch noch keine abschließende Meinung gebildet. Sinnvoller wäre es, einige Gesetze wie das Telemediengesetz derart zu gestalten, so dass diese Gesetze nicht voller Tretminen für Bürger sind, die im Netz publizieren. Allerdings muss man klar sagen: Mein Fall ist nicht die typische Blogger-Abmahnung, sondern hier geht es eher um journalistische Fragen der Pressefreiheit.

    Zeitrafferin: Ist denn eine Abmahnung per E-Mail überhaupt rechtskräftig?

    Markus: Ich vermute mal, dass die Abmahnung parallel zur Post per Mail zugestellt wurde, um das Verfahren zu beschleunigen. Und dass die “richtige Abmahnung” per Einschreiben auf dem Weg ist.

    Zeitrafferin: Kann man gegen Abmahnungen eigentlich Widerspruch einlegen?

    Markus: Ich weiß nicht, ob man gegen Abmahnungen Widerspruch einlegen kann und informiere mich gerade. Aber die Deutsche Bahn AG ist ein großer Konzern und ich weiß nicht, ob ich einen Rechtsstreit durchstehen kann, weil mir dazu die finanziellen Mittel fehlen.

    Zeitrafferin: Zu dem konkreten Sachverhalt: Der Staat muss ja schon auch Regeln festlegen, die sicherstellen, dass die Geheimnisse von Firmen nicht verraten werden. Wie ist das denn überhaupt bei diesem konkreten Memo? Hat da schon jemand eine Beurteilung abgegeben, ob es sich da überhaupt um eine rechtswidrige Veröffentlichung interner Geschäftsgeheimnisse der Bahn handelt?

    Markus: Der Landesdatenschützer aus Berlin hat in einer Pressemitteilung gestern geschrieben:

    “Dass die Deutsche Bahn nun den Vorwurf des Geheimnisverrats durch den Datenschutzbeauftragten erhebt, ist allerdings absurd. Denn der Prüfbericht, den das Magazin Der Stern zur Grundlage seiner Berichterstattung am 21.Januar 2009 genutzt hatte, war vorher von dritter Seite an die Presse geleitet und damit öffentlich geworden. Die Deutsche Bahn hat ihrerseits bereits am 20. Januar 2009 im Detail und im Vorgriff zu den Vorwürfen in einer Pressemitteilung Stellung bezogen. Der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, der dem Informationsfreiheitsgesetz des Landes unterliegt, hat bei seiner Erwiderung also kein schützenswertes Geheimnis preisgegeben.”

    Insofern ist es gerade etwas unklar, ob das jetzt konkret ein Verrat von Betriebsgeheimnissen ist oder nicht. Vielleicht will die Deutsche Bahn mich auch nur einschüchtern. Das kläre ich gerade.

    Zeitrafferin: In der Microblogging-Plattform Twitter schlug deine Abmahnung ja große Wellen. Kann man auf diesem oder anderen Wegen im Netz Druck aufbauen, immerhin ist das Image der Deutschen Bahn und insbesondere Hartmut Mehdorns derzeit ganz schön angeschlagen …

    Markus: Es dürfte für die Online-Reputation der Deutschen Bahn AG nicht gerade dienlich sein, so gegen mich vorzugehen. Man sollte auch bedenken, dass das von mir veröffentlichte Memo bis dato wenig Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Aber nun lesen es sehr viele Menschen. Und finden gleichzeitig die Abmahnung unverhältnismäßig. Als Kommunikations-Berater hätte ich der Deutschen Bahn auf jeden Fall empfohlen, nicht so vorzugehen.

    Zeitrafferin: Wie kann man dich jetzt unterstützen?

    Markus: Im Moment kann man mich durch Aufmerksamkeit unterstützen. Vielleicht erkennt die Deutsche Bahn AG ja von sich aus, dass das Vorgehen keine gute Idee war und beendet die Sache frühzeitig ohne Unterlassungserklärung und gut ist es. Innerhalb der nächsten beiden Tage weiß ich genau, ob ich Chancen vor Gericht habe und ob ich das durchfechten will. Dann könnte ich auch finanzielle Unterstützung brauchen. Aber ich würde ungern viel Geld einsammeln, nur um ein Gerichtsverfahren durchzustehen. Geld kann man viel besser für politische Arbeit nutzen.

    Andere über die Abmahnung

    Das Netz vergisst nie – schon gar nicht solche Bahn-Memos!


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27 Responses to “Interview mit Markus Beckedahl von netzpolitik.org zur Abmahnung durch die Deutsche Bahn”

  1. Alleine die Einstellung von Markus, kein Geld einzusammeln, weil man das viel besser für politische Arbeit nutzen kann, macht ihn sehr sehr sympathisch und noch mehr unterstützendswert. Ich hoffe für ihn, dass das alles gut ausgeht.

  2. […] Markus‹ Abmahnung, dazu kommen mehr als hundert Tweets. Einen besonderen Hinweis verdient hat das Interview, das Julia Seeliger mit Markus dazu geführt […]

  3. Bahn mahnt netzpolitik.org ab…

    Der Ruf der Deutschen Bahn ist eigentlich kaum mehr zu beschädigen. Die Mehdorn’schen Hausjuristen haben es trotzdem geschafft. Markus Beckedahl, der Macher von netzpoltik.org, wird unmissverständlich gebeten, ein von ihm veröffent…

  4. Man kann mit einer negativen Feststellungsklage gegen eine Abmahnung vorgehen. So hat es Stefan Münz damals auch gemacht als SelfHTML abgemahnt wurde. Die gewinnaussichten in diesem Fall kann ich nicht beurteilen.

  5. Schönes Interview genau zur richtigen Zeit und ich glaube, Markus Position ist nicht die schlechteste.

    Gruß
    Thorsten

    manueller Trackback:

    Blogbuster Bahn

  6. […] Interview mit Markus gibt es bei der Zeitrafferin, außerdem hält er uns per Twitter auf dem aktuellen Stand der Dinge. Genau die richtige Zeit […]

  7. […] Selbst Spon berichtet nicht erst übermorgen sondern heute schon, und ist nicht der einzige “old media”-Vertreter. Und bei Google schaut es auch schon ziemlich danach aus, als ob der Wunsch der Bahn nach einem flachen Ball ein ziemliches Eigentor wird… (via) […]

  8. […] Seeliger hat kurz nach Bekanntmachung der Abmahnung das erste Interview mit mir gemacht. Bei Carta finden sich zehn Gründe, warum die Bahn diesen publizistischen Konflikt mit […]

  9. […] Memo sollte nicht in die Öffentlichkeit gelangen. Als der netzpolitik.org Blog dieses Memo veröffentlicht hat, kam kurze Zeit später eine […]

  10. […] Interview mit Markus Beckedahl zum Thema gibts bei Zeitrafferin. Ihm wünsche ich jetzt viel Erfolg gegen die Bahn – und Unterstützung gibt´s auf jeden Fall. […]

  11. wunderbares interview, julia 😉
    dennoch: mögen sich anlässe wie dieser nicht wiederholen. wird zeit, dass die bahn zusammen mit dem dfb n bissken nachhilfe in rechtskunde nimmt!

  12. So schnell ging das mit dem Interview? Die Abmahnung ist doch erst ein paar Stunden her.

  13. Dieses deutsche Abmahn(un)wesen, welches in der Art wahrscheinlich weltweit einmalig ist, nervt mich schon seit Jahren. Dass jetzt aber nicht mehr nur abkassiert wird, sondern auch Kritiker eingeschüchtert werden, scheint eine neue “Qualität” zu sein…

  14. So schnell ging das mit dem Interview? Die Abmahnung ist doch erst ein paar Stunden her.

    Ich bin im Thema drin. Dann geht sowas auch mal schnell.

    Und: Ich benutze einen Instant-Messenger bzw. Jabber.

  15. Ok. Erwischt. 😉
    Danke für das Engagement.

  16. […] Weblogs Deutschlands. Es dauerte nicht lange und zig Blogs schrieben darüber, Markus wurde interviewed und einige Internet Zeitungen – nicht nur aus Deutschland – berichteten eifrig. Selbstverständlich […]

  17. Danke für das Engagement.

    Och, jede/r tut doch, was geht. Du engagierst dich doch auch, und wenn es vielleicht nur durch einen öffentlichen Kommentar (hier in meinem Blog) ist!

    😉

  18. Hmmm, updatest du den Artikel sukzessive? Er wird mir jedenfalls immer wieder als „neu“ angezeigt im Feedreader. Sollte meine Vermutung stimmen, möchte ich dir das <ins>-Element nahelegen.

  19. Ja, ich update den Artikel von Zeit zu Zeit, regelmäßig ergänze ich die relevanten Reaktionen.

  20. Bei allem Negativen – positiv ist, dass wir in einem freien Land leben, wo es möglich ist, sich so frei zu äußern.

    Was uns in einer Demokratie Geborene als selbstverständlich und gegeben scheint, ist alles andere als das, wenn man sich die Welt anschaut.

    In diesem Sinne weiter so! Gut-Blog!

  21. Hmmm. Sollte ich mir auch wieder ein Weblog schreiben. Ich habe das länger Zeit getan. Ich sehe für mich momentan keinen Sinn dahrin.

    Nur so als Gedanke.

    Gruss
    Gunnar

  22. […] ein interessantes Zitat von Markus Beckedahl im Interview mit Bloggerin Julia Seeliger (Zeitrafferin). Zeitrafferin: Wenn das so ist, wäre es nicht eine schöne Idee, dass sich […]

  23. Der Ruf der Deutschen Bahn ist nicht mehr beschädigen.
    Die Deutsche Bahn ist das was Sie ist “deutsch”.

    Der Papst ist auch “deutsch” und Angela Merkl
    ist auch “deutsch”.

    deutschland deutschland, du bist schon auf der ganzen Welt für deinen MIST bgekannt.

    Ich wars nicht und ich habe Recht. Die Deutschen und ihr Recht. Deutsches Recht, mehr schlecht als Recht.

    Pass auf Deinen Pass auf ! Der richtige Pass zur richtigen Zeit bestimmt die Wahl, das wars für heut.

  24. […] Interview von Julia Seeliger […]

  25. Die Deutsche Bahn ist das was Sie ist “deutsch”.

    Der Papst ist auch “deutsch” und Angela Merkl
    ist auch “deutsch”.

    deutschland deutschland, du bist schon auf der ganzen Welt für deinen MIST bgekannt.

    Ganz schön nationalistische Einstellung 😉

  26. […] jetzt an netzpolitik.org und die BAHN denken muss dem stimme ich sofort zu. Genauso hier, nur alles eine Nummer kleiner. Die […]

  27. Petition zur Kostenfreiheit bei Abmahnungen bei fristgerechter Entfernung des Abmahngrundes…

    Eine noch bis zum 5. Januar laufende Online-Petition, die bereits fast 10.000 Zeichnungen erfahren hat, fordert die Einführung einer kostenfreien Vorstufe für Abmahnungen in Internetangelegenheiten. Im Rahmen dieser Vorstufe soll dem Abgemahnten die Ge…