-
Endlich: Auch mal die dünnen Kinder!
412 Points für Irmingard! Daumen hoch!
NR. 0879
Datum: 9. August 2007Hilfe für Frauen mit Essstörungen
Anlässlich der Studie der Techniker-Krankenkasse zu Essstörungen bei Jugendlichen erklärt Irmingard Schewe-Gerigk, Parlamentarische Geschäftsführerin und frauenpolitische Sprecherin:
Jeder dritte weibliche und jeder sechste männliche Teenager leidet heute unter Essstörungen, wie eine Untersuchung der Techniker-Krankenkasse zeigt. Als vorübergehende Teenagererscheinung lässt sich das längst nicht mehr abtun. Auch bei erwachsenen Frauen und sehr jungen Mädchen ist das Essverhalten zunehmend gestört.
Die politische Diskussion über das Essverhalten in Deutschland ist auf einem Auge blind. Während seit Jahren Strategien gegen Übergewicht erarbeitet werden, sieht die Gesellschaft stillschweigend dabei zu, wie eine ständig wachsende Zahl von Frauen – und allmählich auch von Männern – aus Sucht nach dem Dünnsein gefährlich erkrankt. Jede/r Zehnte hungert sich gar zu Tode. Hier ist auch die Politik gefordert. Wir werden nach der Sommerpause zu fraktionsübergreifenden Gesprächen über Magersucht und Bulimie einladen. Wir brauchen mehr Beratungsstellen und mehr wissenschaftliche Forschung. Auch Ministerin von der Leyen kann frauenpolitisches Profil beweisen: Wir fordern eine Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und Akteuren der Modeindustrie, in der sich Firmen, Agenturen, Designerinnen und Designer verpflichten, mit Models, die bestimmte Vorgaben unterschreiten, nicht länger zu arbeiten.
Magersucht und Bulimie haben zahlreiche Ursachen. Allein durch schlechte Vorbilder sind sie nicht zu erklären. Doch auf der Suche nach Glück und Anerkennung sind Schein und Makellosigkeit der Modewelt sehr leicht mit einer erstrebenswerten Realität zu verwechseln. Dann verheißt Dünnsein Liebe und Bewunderung. Jedes zweite Mädchen in Deutschland fühlt sich heute zu dick. Auch auf die Jungen beginnt das öffentliche Diktat der Schönheit zu wirken. Wirtschaft und Medien sollten deshalb dringend zu einem Schönheitsideal zurückfinden, das mit tatsächlichem Wohlbefinden vereinbar ist.
Noch eine Anmerkung von mir zu dieser endlich mal angebrachten Presse-Erklärung: Der Korrektheit halber muss man aber natürlich noch sagen, dass Esstörungen nicht nur Magersucht und Bulimie bedeutet. Eine umfassende Übersicht findet sich im entsprechenden Wikipedia-Artikel. Dennoch, wenn jedes dritte Mädchen sich “zu dick” oder gar “zu fett” findet, ist das sehr bedenklich und Irmingards PM schneidet das Thema Magerwahn endlich mal an – das war früher in der “Dicke-Kinder-Manie” viel zu kurz gekommen. Und sicherlich kann man auch noch feststellen, dass übermäßiges Essen, also Essucht, die eben nicht zu schlanken Figuren führt, auch eine ganze Menge mit gesellschaftlichen Schönheitsidealen und der Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper zu tun hat. Deswegen: Danke. Irmingard, Mager- Schönheits- und Körperwahn, das musste endlich mal kommen!
Einsortiert: die fraktion, gender
Verschlagwortet: dicke kinder, essen
auch noch zum Thema
4 Responses to “Endlich: Auch mal die dünnen Kinder!”
-
Ja. Wichtig. Sollte aber nicht nur zu einem Besprechen der Möglichkeiten zur Bekämpfung der Probleme verkommen – sondern vor allem zu einer Erforschung der Ursachen. Die Anmerkung, dass das Hauptproblem ja auch die gesellschaftlichen Schönheitsideale sind, halte ich für einen der wichtigsten Punkte, wo auf jeden Fall geschaut werden muss, wie man da entgegen wirken kann. Mindestvorgaben für Models finde ich beispielsweise gut (und funktionieren ja auch prima wie ja zum Beispiel die Dove-Werbemaßnahmen zeigen).
Grüße,
U. -
Auf jeden Fall ein wichtiges Thema. Ich kenne aktuell auch einen Fall, wo eine Frau eine Stelle nicht bekommen hat, weil sie offensichtlich magersüchtig ist. Sowas ist halt nicht nur eine private Angelegenheit, sondern beeinflusst in vielen Fällen auch das berufliche und soziale Leben ganz massiv.
-
Fabien
Also ich wäre dagegen die gleichen repressiven Ansätze die gegen die Übergewichtigen forciert werden auf die Untergewichtigen auszuweiten mit Vorschriften für Modeindustrie, etc
Allerdings ist es in der Tat wichtig endlich die Diskussion auf das Thema Untergewicht zu lenken. Es gibt Kommunen in Deutschland in denen 1/3 der Kindergartenkinder (!) signifikant untergewichtig sind. Nicht aufgrund von Schönheitsidealen sondern der Armut der Familien.
Toleranz für selbstgewähltes Unter- und Übergewicht aber Beendigung gesellschaftlich-staatlichen Drucks auf Ernährungsgewohnheiten inklusive der Sicherstellung einer angemessen Ernährung für alle Kinder zur Verhinderung von Mangelernährung. Das kann man ganz unideologisch und pragmatisch in die Tat umsetzen man braucht nur ein paar Milliarden für gutes Essen in den Betreuungseinrichtungen und höhere Regelsätze für Hartz-IV und Sozialhilfe Kinder.
-
Christoph
Das Thema ist sehr wichtig, zumal Magersucht in vielen Fällen in jungen Jahren zum Tod führt, während das ‘Übergewicht’ nicht ohne weiteres schädlich, und wenn dann nur in einem höheren Alter ist.
Hintergrund ist im Wesentlichen die Unterdrückung des Frauenkörpers, um Männer geht es dabei nur sekundär. (Wobei in schwulen Szenen manches an Schlankheits- und Jugendwahn übernommen wurde.)
Wie damit umgehen?
Stimme Fabien zu, dass der Schrei nach Regulierung hier fehl am Platze ist, irgendwo zwischen Hilflosigkeit und Ablenkungsmanöver.
Ein Berufsverbot für ‘untergewichtige’ Models finde ich genauso absurd wie Berufsverbote aufgrund anderer körperlicher Merkmale.Ich habe an anderer Stelle in diesem Blog schon mal vorgeschlagen, wenn schon Restriktionen für ein probates Mittel gehalten werden, dann bitte mit BMI-Durchschnitt für Models. Dann würde keine ausgeschlossen und das Gesamtergebnis wäre pluralistischer und interessanter.
Ich wiederhole auch, dass Laufsteg-Verbote einseitig sind und davon ablenken, wie es z.B. im TV- und Film-Business zugeht.
Und Mangelernährung aufgrund finanzieller Schwäche gilt es auch zu bekämpfen, das wäre eine politische Aufgabe anstatt wie Seehofer das Bild der schlanken HungerleiderInnen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit anzupreisen.