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Abgesurft: Fischer, Terror, Israel
15Gestern abend wurde mal wieder Joschka Fischer in meine Gedanken gespült. Während ich mit FreundInnen über Fischers Memoiren saß, bekam ich eine SMS aus REFORMER-Kreisen:
“Antizionismus ist letztendlich nicht anders als Antisemitismus”
Das hat Fischer in seinem Buch so geschrieben. Fischer stellt dort – ich las die Passage heute morgen in Ruhe, sie findet sich abgedruckt auch im aktuellen SPIEGEL – noch mal seine Positionierung zu Israel eindeutig klar. Es sei die Zeit im Juni 1967 gewesen, die Zeit des Sechstagekrieges und gleichzeitig der Tod von Benno Ohnesorg. In diesen Tagen habe er seine Position zu Israel geändert.
Nicht Israel war das Problem, so dachte ich zu dieser Zeit, sondern seine zionistische Orientierung
Sein ideologisches Dilemma löst Fischer in einer “postzionistischen” Position auf – in einem binationalen Israel, in dem Israelis und Palästinenser friedlich zusammenleben. In der Praxis, so räumt Fischer ein, “erwiesen sich diese Ideen … als blanke Illusion”.
Fischer kritisiert auch den schon damals existierenden Antisemitismus von links. Sehr positiv, insofern, ich kann mir den Seitenhieb nicht verkneifen, sind Fischers höchst kritikwürdige Auschwitz-Vergleiche beim Kosovo-Parteitag in Bielefeld weltanschaulich nicht nachvollziehbar. Mir fällt angesichts dieses Tabubruchs nur eine Erklärung ein: Macht und Ohnmacht. Fischer, ein Mann, der sich derart differenziert mit diesem Thema auseinandergesetzt hat, hat den “Auschwitz-Joker” gespielt, um den Bielefelder Parteitag “zu gewinnen”. Für ihn muss sich die Situation wirklich aussichtslos dargestellt haben.
Zu “Antisemitismus von Links” habe ich auf dem Webauftritt von Bettina Röhl – ich las heute auch mal wieder einiges über die RAF, unter anderen diesen interessanten Artikel über Frauen in der RAF – ein ganz interessantes Interview mit Ignatz Bubis gefunden.
Dass es auch einen linken Antisemitismus gibt, steht für mich schon lange fest, nicht erst seit heute. Die haben sich schnell gewandelt damals. Von einem Tag auf den anderen. Im Juni 1967 sind sie auf die Straße gegangen für Israel – es hieß damals die Israelis sollen ins Meer geworfen werden und dagegen gab es vom Frankfurter Asta Demonstrationen – im September 1967 haben sie dagegen den israelischen Botschafter hier an der Uni – die gleichen Leute – mit Tomaten und Eiern beworfen.
… und dann kamen sie und sagten: Herr Bubis, können sie nicht auf ihre Glaubensbrüder einwirken, dass sie von der Spekulation lassen sollen. Und da hab ich zu denen gesagt: ich kenne zufällig einen anderen Häuserbesitzer – wie hieß der noch, der hat hier mehrere Bordells gehabt – Schütz glaube ich oder so ähnlich, und ich sage: es tut mir leid, daß ich nicht weiß, ob er katholisch oder evangelisch ist, vielleicht ist er ja auch Buddhist, ich weiß es nicht. Was ich zufällig weiß, ist, daß er kein Jude ist. Und dann frage ich, der hat da im Westend Häuser auch gekauft, Bordells gemacht und so weiter. Haben sie versucht, sich mal zu informieren, ob sie darüber mit Bischof Lehmann oder mit Bischof Engelhardt sprechen sollen ? (…) aber es ist vielleicht auch nicht mal heuchlerisch, sie kapieren es nicht.
Die Rede ist von zwei Frankfurter PolitikerInnnen aus bürgerlichen Parteien. Joschka und Dany kommen ebenfalls in dem Bubis-Interview vor. Und das Ende ist wirklich skurril. FDP-Anhänger Bubis äußert sich zu Jürgen W. Möllemann. Zur Erinnerung: Der Name Möllemann ist untrennbar verbunden mit dem “Projekt 18“.
Allerdings, wen ich noch nie gewählt habe, das war mein Freund Möllemann, weil ich ihn menschlich nicht mag. Ich weiß auch nicht, warum. Aber er hat oft Recht.
Auszüge aus dem bisher unveröffentlichten Interview mit dem damaligen Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland Ignatz Bubis vom 9.7.99 über den Antisemitismus der Linken, die Frankfurter Häuserbesetzerszene und ihren Angriff auf den sogenannten „jüdischen Spekulanten“ und ihre Verwicklung mit dem palästinensischen Terrorismus, über die FDP und das Verhältnis der Deutschen zu den Juden.
Hörtipp zu diesem Blogbeitrag: Egotronic: “Walser – Fischer – Möllewahn”. Egotronic bringen am 16.10. übrigens ein neues Album heraus, das sich auf jeden Fall zu kaufen lohnt – vor allem, wenn man wie ich auf (antideutsche) Elektromusik steht.
Und auf die Springer-Presse ist Verlass. Gestern in der Bild bei “In and Out”: Coole Kids tragen kein Palituch.
Einsortiert: israel
Verschlagwortet: antisemitismus, fischer, frankfurt, juden, röhl
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15 Responses to “Abgesurft: Fischer, Terror, Israel”
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Christoph
> Fischer, ein Mann, der sich derart differenziert mit diesem Thema auseinandergesetzt hat, hat den “Auschwitz-Joker” gespielt, um den Bielefelder Parteitag “zu gewinnen”.
Man kann das so interpretieren. Man kann aber durchaus aus “Nie wieder Auschwitz” auch eine Maxime für das Handeln gewinnen, die das gewaltsame Vorgehen gegen Unrechtsregime beinhaltet.
Und was den Frankfurter Häuserkampf betrifft, so hat Dany Cohn-Bendit damals in aller Deutlichkeit gesagt, dass man sich Spekulanten wehre, egal, ob da nun auch ein Jude dabei ist.
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philipp matern
Man kann sich aber auch fragen, ob der Auschwitz-Vergleich gerechtfertigt war, ob er jemals gerechtfertigt sein kann und ob er nicht eine ehrliche Debatte über Alternativen und mögliche Folgen des eigenen Handelns gewaltsam verdrängt hat.
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“Nie wieder Auschwitz” ist genau so ein Totschlagargument wie “ich habe nichts zu verbergen…”, es zwingt dein Gegenüber sich zu rechtfertigen, im ersten Fall wie man ein Auschwitz wieder zulassen kann und im zweiten Fall warum man denn etwas zu verbergen hat.
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OT:
Hej Julia, neue Farbe? Giftgrün. Wie passend. 😉 -
Ich finde es schon bemerkenswert, das Julia sich so mit Joschkas Biografie – wie er sie sieht – auseinandersetzt. Sie hat keine persönlichen Berühungspunkte mit ihm gehabt, und es ist nur natürlich, dass sie einem so prominenten Grünen, der auch Parteigeschichte geschrieben hat, versucht, nachzuspüren. Sie passt sich nicht uns an, den Älteren, die ihn auch als Menschen gekannt haben und das finde ich absolut richtig! Solche Machtmenschen wie Joschka sind meistens nicht besonders umgänglich.Soviel dazu. Das kritische Nachspüren und Auseinandersetzen finde ich gut – auch ich glaube nicht, dass es eine reine Karrierefrage für Fischer war, dem Einsatz im Kosovo zuzustimmen. Ebensowenig glaube ich an Verschwörungstheorien, die besagen, dass er alles im Vorfeld gewusst und ‘einen Deal’ mit der damaligen amerikanischen Außenministerin Madeleine Albright gemacht hat. Ich halte das für viel zu schlicht, Fischer mag als Mensch sein wie er will, politisch war er auf seine Weise brillant. Wenn man das bestreitet, sieht man das nicht nüchtern genug. Manchmal hört es sich so an, wenn Grüne sich über die Militärintervention auf dem Balkan ereifern, als hätten wir den Krieg da angefangen… Das Feuer auf Milosevic haben ganz andere eröffnet, weil sie seiner nicht anders habhaft werden konnten, bzw. das Töten auf dem Balkan stoppen konnten. Natürlich hat die Politik Fischers sowohl als auch Volmers auf die Bündnispolitik als Grundpfeiler deutscher Außenpolitik gesetzt.Mulilaterismus – das ist eines der Grundstudien eines Politikstudenten im ersten Semester. Ich weigere mich ebenfalls, diese Entscheidungen in Grund und Boden zu verdammen. Das ist viel zu simpel, um die Tiefe der Probleme auch nur annähernd zu ermessen. Deshalb: Nur weiter so, Julia, ich verfolge deine ‘Vorlesung’! u.a. auch deswegen, weil ich mir das Buch dann nicht zu kaufen brauche;-) Grüße von Bärbel
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doofwienehupe
Fischer mag als Mensch sein wie er will, politisch war er auf seine Weise brillant. Wenn man das bestreitet, sieht man das nicht nüchtern genug.
Tolle Argumentation. Total ueberzeugend.
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Christoph
Wer “doofwienehupe” ist, mag das vielleicht nicht nüchtern genug sehen 😉
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Grundsätzlich wäre es wohl sinnvoll, einen Unterschied zwischen Fischers mutmaßlichen oder (von ihm selbst) nachgedichteten Motivationen und der von ihm betriebenen Politik zu machen, denn von irgendeiner besonderen Verantwortung für Israel konnte zu seiner Amtszeit mit den Roadmap-Anmaßungen wie auch heute angesichts des Iran-Containments ja wohl kaum die Rede sein.
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Lästiges Erbe der Super-Egos
KOMMENTAR VON ULRIKE HERRMANN
Die Gleichzeitigkeit ist erstaunlich: Bei den Grünen kämpft Joschka Fischer um sein außenpolitisches Erbe; bei der SPD muss Exkanzler Gerhard Schröder erleben, dass sich Parteichef Kurt Beck von der Agenda 2010 distanziert. Die beiden Super-Egos Fischer und Schröder reagieren gekränkt, dass ihre Vergangenheit nicht die Zukunft Deutschlands bestimmen soll.
Mehr zum Thema* Interview Höhn über Fischer: “In der Summe hat er geholfen”>
* Fischer und Schröder: Die agilen Pensionäre>
* Joschka Fischers Biografie: Das Prinzip Härte>Ulrike Herrmann ist Autorin der taz. Foto: taz
Bei den Grünen spielte es auf dem Sonderparteitag zu Afghanistan explizit eine Rolle, dass man sich als Opposition nicht wie eine Regierungspartei verhalten könne – auch deswegen wurde der Tornado-Einsatz abgelehnt. Insofern ist die SPD der spannendere Fall, weil sich hier eine Regierungspartei von ihrer eigenen Regierungspraxis verabschiedet.
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Mit ihrer Kritik an der Agenda 2010 geht die SPD ein Risiko ein – und die Partei ist gespalten, ob sich das lohnt. Parteivize Jens Bullerjahn hat gewarnt, dass die SPD “die Linke niemals links überholen” kann. Stimmt. Aber Beck muss nicht nur die Linke fürchten. Viel schlimmer: Auch die CDU könnte links an der SPD vorbeiziehen. Der Parteitag in Dresden hat vorgeführt, wie flexibel die CDU sozialpolitisch sein kann. Und die jüngste Rede von Bundespräsident Horst Köhler hat gezeigt, dass selbst neoliberal geprägte Politiker entdecken, dass die Einkommensverteilung in Deutschland krass ungerecht ist.
Sozialpolitik kommt in Mode. Da reicht es für die SPD nicht mehr, nur für einen Mindestlohn zu plädieren. Bisher hat Beck versucht, den Moderator zu geben und zwischen den SPD-Linken und den Schröder-Fans zu vermitteln. Diesen Schlingerkurs hat er nun aufgegeben, auch wenn er rhetorisch Schadensbegrenzung betreibt und den Exkanzler lobt. Beck reagiert auf eine Epochenwende: Der momentane Konjunkturaufschwung ist der erste Boom, in dem die Armut wächst.
Schröder und Fischer waren Rhetoriker des apokalyptischen Sachzwangs. Nur ihr Kurs könne eine drohende Katastrophe abwenden; nur sie würden die Realitäten erkennen. Insofern ist es ironisch, dass es nun die unleugbare Realität der wachsenden Armut ist, die die SPD zwingt, sich von der Agenda zu verabschieden. Schröder, der Beschwörer des Sachzwangs, wird vom Sachzwang geschlagen.
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die neue egotronic-cd erscheint am 26.10.
beste grüsse,
torsun -
Hallo Bärbel Keiderling, wäre es nicht viel sinnvoller, hier vielleicht ein kurzes zusammenfassendes Fazit dieses Kommentars zu posten zusammen mit dem Link zum Original?
Ich glaube selbst taz-Artikel stehen unter Copyright, und im Zweifelsfalle kann es für die Betreiberin einer Website mitunter sehr unangenehm werden, wenn sich in irgendeinem auf ihrer Seite hinterlassenen Kommentar etwas befindet, was sich nach geltendem Recht dort eigentlich nicht befinden dürfte.
Es erscheint jedenfalls unverantwortlich, andere durch ein Posting derart angreifbar zu machen, zumal wenn man denjenigen offensichtlich schätzt.
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Krisse
Hab mir die Biographie auch gekauft und bis jetzt etwa die Hälfte gelesen. Joschkas Schreibstil gefällt mir sehr. Sein Bericht um den Kampf gegen die Fundis in den eigenen Reihen um eine Regierungsbeteiligung klingt teilweise dramatisch. Es als eine Abrechnung zu bezeichnen, ist da nicht ganz aus der Luft gegriffen.
Nichtsdestotrotz glaube ich, dass die Regierungsbeteiligung, trotz einiger Kompromisse, die den Grünen nicht leicht gefallen sind, die Parteientwicklung sehr vorangetrieben hat.
Nach dem Bundestagswahlkampf ’05 hab ich unglaubliches Mitleid mit Joschka gehabt, der wie kein anderer um jede Stimme kämpfte um dann zu sehen, dass es trotz des guten Ergebnisses für Die Grünen nicht zur Regierungsbeteiligung reichte.
Ich denke Rot-Grün hat einen, schmerzlichen aber notwendigen Schritt in die richtige Richtumg gemacht, der von der Regierung Kohl über Jahre versäumt wurde. Sicher wurden auch dabei Fehler gemacht, doch wäre das einer anderen Regierung auch passiert.
Jetzt ist es interessant, wie sich Die Grünen ohne Joschka witerentwickeln wird. Die Frage, ob wir einen Politiker wie ihn bräuchten, nervt, aber wir müssen zugeben, dass es im Moment eine gewisse Orientierungslosigkeit gibt, die überwunden werden muss.Ciao Krisse
PS: Das neue Design gefällt mir immer besser. *thumbs up*
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Das neue Design gefällt mir immer besser. *thumbs up*
Danke! Schön (knallig) grün, wa? Hab noch nicht so viele Drunkey-Loves gesehen, die auch die Header-Leiste umgefärbt haben … aber ist wirklich nicht so schwierig, nur ein paar Zahlen im CSS ändern…
Sebi hat mit Drunkey Love auch unübliches angestellt.
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Hallo liebe/r ‘Name erforderlich’, es ist keinesweges meine Absicht, irgendjemand in Schwierigkeiten zu bringen. – Sehr gerne sende ich demnächst den erforderlichen Link. Aber wäre es nicht angebracht, sich mit Namen hier zu Wort zu melden? Anonym zu posten halte ich persönlich für ganz schlechten Stil.
Beste Grüße, Bärbel Keiderling
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ich sehe jetzt nicht unbedingt den wiederspruch.
wie aber auch immer.joschka hat weas drauf als redner wie als schreiber! das problem, ich bin selbst mitglied, ist und bleibt aber die eigene partei und auch etwas joschkas vergangenheit!
“entweder ich mische hier mit oder es gibt was aufs maul” ist nicht die ideale visitenkarte!
auf der anderen seite hätte man es mit den maulhelden der “kelly generation” nie so weit geschafft.ps. mir tut es heute noch weh wie man mit petra kelly, seiner zeit umgegangen ist! vermutlich eines der größten wiedersprüchlichlkeiten dieser partei ist wie man mit seiner elite umgeht!