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Vielfalt der Familienformen
21Das Papier wurde mit einer Gegenstimme und wenigen Enthaltungen beschlossen. Ich bin sehr zufrieden! Sobald ich ihn online finde werde, ich den Beschluss verlinken.
Der kommende Landesparteitag wird sich mit den Themen Bildung und Familie beschäftigen. Zu Bildung ist schon viel gesagt und in diesem Bereich werden andere eine Menge Energie einbringen. Mein Höhepunkt des Parteitags wird der Antrag “Vielfalt der Familienformen anerkennen” (PDF) sein.
Alleinerziehende und nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern machen inzwischen 26 Prozent der Familien aus. In Berlin wächst sogar fast die Hälfte aller Kinder (47 Prozent) in alternativen Familienformen auf. Eigentlich ist es deswegen unzutreffend, von “Alternativen Familienformen” zu sprechen:
Regenbogenfamilienl(i)eben ist die gesellschaftliche Normalität.
Regenbogenkinder sind gleich viel wert! – Urheber/in (Lizenz)Den Staat hat es nichts anzugehen, ob die Eltern einen Trauschein haben: Unser Leitbild ist die gesellschaftliche Akzeptanz und staatliche Neutralität in Bezug auf die verschiedenen gelebten Familienformen. Deswegen muss Schluss sein mit den Privilegien der Ehe, zum Beispiel dem Ehegattensplitting. Unser Ansatz ist es, Kinder direkt zu fördern und nicht die Möglichkeit, Kinder zu bekommen. Wir haben einen verteilungspolitischen Ansatz gewählt: Die Bevorzugung der Ehe führt auch zu materieller Ungleichheit. Familien jenseits der Ehe, vor allem Alleinerziehende und bildungsferne Familien, überwiegend mit Migrationshintergrund, sind besonders stark von Armut betroffen.
In dem Antrag kommt auch ein “Familienvertrag” vor. Unser Ziel ist es, die sozialen Eltern zu stärken, ohne die biologischen zu schwächen: Das geht nur mit Mehrelternschaften. Wir schlagen deswegen den Familienvertrag als neues familienrechtliches Institut vor, denn er ermöglicht mehr Flexibilität. Dieser Teil des Antrags war am umstrittensten, denn oft kommt es, wenn Beziehungen auseinandergehen, zu Streitereien, in denen Kinder als “Pfand” missbraucht werden. Das wollen wir nicht. Der Familienvertrag, so schlagen wir vor, soll beurkundet und beim Jugendamt hinterlegt werden. Auch hier wieder das Hauptaugenmerk auf die soziale Sicherung des Kindes: Mindestens zwei Erwachsene sollen unterhaltspflichtig sein. Außerdem soll der Familienvertrag auch schon vor der Zeugung des Kindes eingegangen werden und im Laufe der Zeit angepasst werden können. Leitbild ist dabei immer die Dauerhaftigkeit der Beziehung.
Der Familienvertrag ist eine ziemlich neue Idee und wird in der kommenden Zeit noch weiter durchdiskutiert werden. Einwände waren, dass er zu bürokratisch sein könnte. Zudem muss sichergestellt sein, dass das Kind nicht in den Strudel von Eltern-Streitereien kommt. Im Hinterkopf behalten sollte man, dass das kein Gesetz ist, welches wir da gemacht haben, sondern Leitlinien für eventuelle Gesetzesänderungen.
“Vielfalt der Familienformen anerkennen” ist in einem langen Prozess entstanden: Seit 2006 wurden im Landesverband Berlin Papiere hierzu in den Gremien diskutiert. Der Landesverband NRW hat einen ähnlichen Antrag beschlossen, ich bekam aber auch schon Lob von dort, dass unser Antrag “wirklich toll” sei – weil schon weiter und konkreter als der von NRW. Auch die Grüne Jugend hat bei ihrem letzten Bundeskongress in Würzburg – enthalten im Leitantrag “gemeinsam frei leben” – einen Familienvertrag beschlossen. Das Thema ist also bundesweit schon in verschiedenen Gruppen diskutiert worden. Und jetzt auf dem Berliner Landesparteitag – es bleibt spannend!
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21 Responses to “Vielfalt der Familienformen”
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Zum Thema habe ich aus rechtspolitischer Sicht einen Artikel in der Zeitschrift ForumRecht geschrieben. Er steht hier zum Download als PDF.
Schöne Grüße! -
Oh, Jan, vielen Dank!
Manche Artikel-Links auf deiner Seite gehen allerdings nicht – solltest dich an deine Seite nach dem Examen noch mal ransetzen. 😉
Ich hab dann mal in der Browserzeile etwas rumprobiert – da haben wir ihn: “Eherne Werte und alte Zöpfe” (PDF).
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danke für den hinweis – habs ausgebessert. das kommt halt mal, wenn mensch noch mit alter html-handarbeit werkelt 🙂
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Marco
Den Staat hat es nichts anzugehen, ob die Eltern einen Trauschein haben: Unser Leitbild ist die gesellschaftliche Akzeptanz und staatliche Neutralität in Bezug auf die verschiedenen gelebten Familienformen.
Bis hier hin dachte ich fälschlich, ihr hättet was begriffen. Dann habe ich das gelesen:
Unser Ansatz ist es, Kinder direkt zu fördern und nicht die Möglichkeit, Kinder zu bekommen. Wir haben einen verteilungspolitischen Ansatz gewählt.
Ich muss mir um meine bisherige Freiheitsfreund-/Freiheitsfeind-Bestimmung also keine Sorgen machen — Puh!
P.S. Den Grünen ins Gesicht scheißen!
Schluss mit angeblich “positiver” Diskriminierung! Schluss mit Gender-Mainstreaming! Schluss mit stalinistischen Gesellschaftsklempnereien! Schluss mit diesem linken Kollektivismus-Scheiß!
Freiheit! Privatsphäre! Markt!
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johannes
ganz guter text. ich werde ihn mal zur lak sitzung nächste woche mitnehmen.
das mit dem familienvertrag find ich noch nicht soooo ausgereift. warum nochmal können eltern das kind nicht als druck- oder rachemittel einsetzen ? weil der vertrag vor geburt des kindes aufgesetzt werden sollte/könnte/müßte? -
Klingt erstmal ganz gut. Interessant fände ich den Versuch, derartiges z.B. in Baden-Württemberg oder Bayern auf die grüne Tagesordnung zu setzen.
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SvenL
sehr guter artikel! wir haben in NRW einen längeren prozess dazu, der beschluss der LDK 2007 (den du verlinkt hast) war nur der auftakt. mittlerweile sind verschiedene arbeitstreffen gelaufen unter beteiligung von sechs LAGen, abgeordneten, grüner jugend etc… beim letzten treffen hatten wir eine familienrechtlerin zu gast, die sehr eindringlich die rechtliche situation nicht-verheirateter hetero- UND homosexueller paare im vergleich zur ehe dargestellt hat. daraus ergab sich eine intensive debatte um die notwendigkeit eines “familienvertrages” (oder “solidaritätsvertrages”) als zusätzlicher institution neben ehe und ELP. wir werden den prozess im sommer beenden und dann den sehr guten berliner antrag als basis für eine positionierung auch des NRW-landesverbandes nehmen.
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johannes
na, bin ja aus bayern, ich nehme es nächste woche mal mit zum lak gesundheit & soziales. mal sehen, wie es ankommt. wie gesagt, ich persönlich steige entweder beim “familienvertrag” nicht ganz durch oder das ganze ist noch nicht ausgereift.
in bayern wohl mal wieder eher ein thema für die – kaum vorhandenen – großstädte? -
Sie schreiben: “Den Staat hat es nichts anzugehen, ob die Eltern einen Trauschein haben:”
Würden Sie der Forderung zustimmen, das Grundgesetz
in Artikel 6 Absatz 1 zu ändern, d.h. im Satz
“Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.” die Wörter “Ehe und” zu streichen? -
da stimm ich Dir zu. auch ich sehe nicht, wie eine Beurkundung beim Jugendamt diese Probleme lösen sollte.
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Wir haben uns für diesen Antrag dagegen entschieden, denn es gibt schon Urteile, die besagen, dass aus diesem Grundgesetzparagrafen keine staatliche Privilegierung der Ehe abgeleitet werden muss.
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johannes
dass das passiert (kinder als druckmittel etc) hängt stark mit der psychologischen situation und disposition der sich trennenden partner ab. sollten wir eine pschologische trennungsberatung zur pflicht erheben?
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johannes
ich find’s ja schon mal ganz interessant, dass dein merkel – artikel so hohe wellen ausgelöst hat, dein ldk antrag aber nicht.
ich hab das jetzt mal mit kolleginnen und kollegen (auch welche von jugendämtern) diskutiert. bis auf die sache mit dem “familienvertrag” ist alles konsens (und auch nicht neu für grüne-sympathisanten). beim “familienvertrag” sehen wir eine ganze reihe von problemen: prkatische (für die jugendämter wäre das sehr viel arbeit und auch reichlich bürokratisch) und psychologische (wie sieht es mit der mitbestimmung des kindes aus? wird da wieder über seinen kopf entschieden? gibt’s nicht im schlimmsten fall einfach nur mehr erwachsene, die an ihm rumzerren?).
die idee ist gut, aber die welt noch nicht bereit. -
wie sieht es mit der mitbestimmung des kindes aus? wird da wieder über seinen kopf entschieden?
Wir haben letztens dazu noch mal diskutiert und sind zu dem Ergebnis, dass ab einem Alter von 12 Jahren das Kind mitbestimmen soll. Dies soll präzisierend noch in den Antrag hineingeschrieben werden.
Ansonsten: Der Antrag soll beim Jugendamt nur hinterlegt werden.
Ich finde das ganz toll, dass du das diskutiert hast. Danke! So etwas freut mich sehr!
die idee ist gut, aber die welt noch nicht bereit.
Das mit dem Familienvertrag muss noch viel weiter diskutiert werden, denkbar ist eine Konferenz hierzu. Wir wollen wirklich nicht, dass die Leidtragenden die Kinder sind, das läuft dem roten Faden in unserem Antrag ja gerade zuwieder. Das war aber auch ein Knackpunkt mit dem Familienvertrag, deswegen müsst ihr keine Angst haben, dass wir in diesem Bereich überstürzte Forderungen aufstellen.
Es ist gut, das sorgfältig weiterzudiskutieren, wie gesagt, man könnte mal eine Konferenz dazu machen.
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johannes
gute idee, ich wäre dabei!
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[…] Beim kommenden Landesparteitag wollen wir einen Antrag zum Thema Familienpolitik (PDF) diskutieren. Die Eckpunkte dieses Antrags habe ich im Blog-Artikel “Vielfalt der Familienformen” zusammengefasst. […]
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Felix Pahl
Hab mich über den Antrag sehr gefreut!
Nur eine Frage: Ich finde “Stiefeltern” klingt komisch — negativ besetzt und aus einem ganz anderen Diskurs. Warum nicht nur “biologische Eltern” und “soziale Eltern”?
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erlehmann
Negativ besetzt ? Du hast dir wohl als Kind zu viele schlechte Märchen anhören müssen … 😉
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[…] wird es spannend um den Familien-Antrag und es haben sich inzwischen auch Kontroversen ergeben. Ein von mir unterstützter Änderungsantrag […]
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[…] trotz Widerständen die Stelle der Frauenreferentin zu erhalten. Außerdem hatten wir eine tolle Debatte zum Familienvertrag. Jährliches Highlight waren für mich die Landesauschüsse mit unseren Abgeordneten Künast, […]
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Felix Pahl
Hier ist der Beschluß:
http://gruene-berlin.de/site/fileadmin/dateien/2008/LDK_April/Beschluss_Familienformen.pdf