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Julia Seeliger
  • 30. October 2007 | 56 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
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    Mal wieder auf allerniedrigstem Niveau haut SpOn was raus – diesmal eine Reportage zum Thema Prostitution in Berlin, verfasst von Anna Reimann, die immer wieder durch reißerische Artikel auffällt, und Marie Preuß. Sex sells haben die beiden Redakteurinnen sich wohl gedacht, und den latenten deutschen Rassismus können wir dann auch gleich mal mitbedienen.

    Straßenstrich mit Dumpingpreisen, Zuhälter aus Osteuropa, jetzt auch noch ein Großbordell: In Berlin droht ein ganzer Kiez ins Elend der Billigprostitution abzugleiten. Die Szene wird immer aggressiver – die Anwohner verzweifeln.

    So die Einleitung, schön, da hat sich der Spiegel mal wieder als “Bildzeitung für Akademiker” bewiesen. Im Reportagen-Text geht’s genauso weiter, Reimann, Henrik M. Broders Schwester im Geiste, hackt noch einmal so richtig auf Rot-Grün herum.

    Doch in den vergangenen Monaten kamen immer mehr Mädchen, vor allem aus Osteuropa. Viel zu viele für die paar Straßenzüge – und jetzt soll an der Kreuzung Kurfürstenstraße/Potsdamer Straße in Berlin-Schöneberg auch noch ein Großbordell eröffnen. Ein rot-grünes Reformgesetz von 2002 hat die Sittenwidrigkeit der Prostitution abgeschafft und sie damit faktisch legalisiert; das Gesetz erleichtert es den Betreibern, ein neues großes Laufhaus zu errichten. Zugleich erschwert es der Polizei Ermittlungen im Milieu – immer seltener schafft sie es, gegen Zuhälterei strafrechtlich vorzugehen.

    Ich frage mich, wer denn eigentlich zu den Prostituierten geht – sind das auch die bösen Ausländer, oder sind es nicht vielleicht doch eher die Familienväter und Geschäftsleute aus West-Berlin? Schön in diesem Zusammenhang ein paar Zahlen, gefunden im “Thema des Monats August 2004” bei der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf:

    In Deutschland bezahlen 1.2 Mio. Männer täglich für sexuelle Dienstleistungen und es gibt ca. 400.000 Prostituierte; die Bedürfnisse sind klar. Das seit Januar 2002 bestehende Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten erkennt die Bordellbetreiberin als Gewerbetreibende an und nimmt der Prostitution die Sittenwidrigkeit.

    In der Bundesrepublik Deutschland bezahlen 1,2 Millionen Männer täglich für sexuelle Dienstleistungen. Hm, wäre nicht eher hier der Ansatzpunkt? Sexuelle Dienstleistungen scheinen ja schon etwas zu sein, was die breiten Massen in unserem Land in Anspruch nehmen. Könnte es nicht sein, dass es ein erster Schritt in die richtige Richtung war, der Prostitution die Sittenwidrigkeit zu nehmen?

    Hauptsache hetzen. Die einzigen, die sich aus fachlicher Sicht kompetent zum Thema hätten äußern können, haben das nicht in die Richtung, die sich Reimann und Preuß wohl gewünscht hatten, getan:

    Katharina Zetin von “Hydra”, einer Berliner Beratungsstelle für Prostituierte, hat noch keine genauen Informationen darüber, wie die Osteuropäerinnen genau nach Berlin gekommen sind und inwieweit Menschenhändler involviert waren. Die Polizei will sich zur Lage in der Kurfürstenstraße derzeit nicht äußern.

    Wie gesagt, mal wieder ein Beispiel für einen Hetz-Artikel voller Blödheit – eigentlich war ich in letzter Zeit gar nicht so unzufrieden mit dem SPIEGEL, aber das ist dann mal wieder zu viel. Klar, die Leser – ergo der Markt – verlangen Sex and Crime – ich dagegen würde mich wirklich freuen, wenn der SPIEGEL mal sachlich über Prostitution in Berlin berichten würde.

    Nach der Verabschiedung des Prostitutionsgesetzes ging man in Berlin nämlich dazu über, Prostitution über das Baurecht zu bekämpfen. Der TAGESSPIEGEL berichtete.

    Nach geltendem Baurecht dürfen innerhalb eines Wohngebietes keine sexuellen Dienstleistungen angeboten werden, da dies dessen “Charakter beeinträchtigt”, heißt es unter anderem in dem Gesetzestext. Im Klartext: Die Bordelle stören das Zusammenleben. Der Bundesverband für sexuelle Dienstleistungen sieht dies anders. Er gab eine Studie bei der renommierten Sozialwissenschaftlerin Beate Leopold in Auftrag. Diese überprüfte zehn der Betriebe und kommt laut “Morgenpost” zu dem Schluss: “Es gibt keine Hinweise auf Störungen. Die meisten Frauen arbeiten ohne Zuhälter – ohne Zwang und Gewalt.”

    Wer zu logischem Denken in der Lage ist, kann sich ja vorstellen, wie gerne Männer beim Puffbesuch erwischt werden wollen. Deswegen – wie wahrscheinlich sind “Störungen”, hm?

    RBB KLARTEXT vom 02.05.2007:

    Kerstin Berghäuser, Bordellbetreiberin
    „Mir wurden milieubedingte Begleiterscheinungen vorgeworfen. Und darunter versteht man Gewalt, Zwang, unter anderem grölende Freier, die vor der Tür stehen.“
    KLARTEXT
    „Und, gibt’s das hier?“
    Kerstin Berghäuser, Bordellbetreiberin
    “Nein, das gibt’s hier nicht. Auch klingeln die Freier nicht bei anderen Mietern. Das Publikum, das uns besucht, das sind sehr seriöse Leute, Geschäftsleute, die wollen unerkannt hier rein und unerkannt wieder rausgehen.“

    Auch der Bundesverband für sexuelle Dienstleistungen machte innerhalb der Baurechts-Vorgänge noch einmal deutlich, dass Prostitution nicht gleich Prostitution ist.

    “Warum sollen nahezu ausschließlich von Frauen gegründete und geleitete Bordelle geschlossen werden? Wer will uns in die Hände einer Mafia treiben, die ähnlich wie in Hamburg oder Frankfurt die Prostitution beherrscht?”

    Außerdem – nicht nur in Berlin im Gespäch – eine Pauschalbesteuerung von Prostituierten. Das wird aber den Bedürfnissen vieler Prostituierter gar nicht gerecht, geplant ist nämlich vielerorts eine viel zu hohe Pauschale – und wie in dem SpOn-Hetz- Artikel richtig angeführt wird, verdienen einige Prostituierte kaum etwas, manche kommen auf nicht mehr als 25 bis 30 Euro am Tag.

    Und zum Schluss noch ein Link zu einem viel besseren Beitrag zum Thema Prostitution in Berlin – vom RBB. Gut, dass es die Öffentlich-Rechtlichen gibt!

    Prostitution in Berlin – da denkt man an Frauen in hochhackigen Stiefeln und engen Korsagen an der Straße des 17.Juni oder in der Oranienburger Straße in Mitte. Doch das Hauptgeschäft spielt sich eher unbemerkt ab: in Wohnungen. Schätzungsweise 300 bis 400 solcher Wohnungs-Bordelle gibt es in Berlin. ….

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