zeitrafferin
Julia Seeliger-
13. March 2008 | Ein Kommentar | Trackback | Internet ausdrucken
In der taz findet sich ein Artikel zu Kultur und Geschichte der Gewissensentscheidung: “Karriere und Gewissen”.
Ein KommentarDer Gesetzgeber hat es wohlweislich unterlassen, zu definieren, was eigentlich eine Gewissensfrage heißt. Gemeinhin versteht man darunter den Rekurs auf moralische Grundsätze angesichts von schwierigen Entscheidungssituationen. Es gilt, das Für und Wider zu erörtern, abzuwägen und dann “mein Gewissen” sprechen zu lassen. Dieser Prozess der Überlegung ist gemeint, wenn Immanuel Kant vom Gewissen als “innerem Gerichtshof” spricht, wo Kläger und Beklagte ihre Argumente vorbringen und wo schließlich der Richter – das “Gesetz in mir” – das Urteil spricht. Bei Kant ist das eine unhintergehbar mit der Individualisierung zusammenhängende menschliche Fähigkeit.
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18. September 2007 | 14 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
Auf SPIEGEL ONLINE findet sich ein ganz interessanter Artikel, ein buntes Potpourri mit Stimmen aus Basis und Funktionärsebene. Insbesondere die Berliner Ebene hat sich vielstimmig geäußert:
Die meisten Vorsitzenden drohen bei abweichendem Stimmverhalten nicht offen mit Strafe – im Gegensatz zum Landesverband Berlin. “Wenn Parlamentarier allzu häufig gegen die Meinung der Parteimehrheit stimmen, dann muss die Partei daraus Konsequenzen ziehen bei der nächsten Kandidatenaufstellung”, hatte Landeschefin Barbara Oesterheld in der “taz” gedroht. Ihre Vorstandskollegin Julia Seeliger wurde noch deutlicher: Wer sich gegen den Beschluss entscheide, werde bei der Listenbildung “nicht mehr aufgestellt”. Auch der Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele aus Berlin forderte die Parlamentarier auf, “das Votum des Parteitages ohne Abstriche öffentlich zu vertreten”.
“Drohgebärden sind fehl am Platz”
Die grüne Vizechefin in Berlin, Irmgard Franke-Dressler widerspricht dem Kreuzberger Abgeordneten: “Insbesondere Ströbele hat sich in der Vergangenheit doch auch oft die Freiheit genommen, anders zu entscheiden”, sagt sie. “Viele sehen alles immer nur durch die eigene Brille.” Es werde zuwenig nach objektiven Kriterien entschieden. Franke-Dressler gesteht jedem Abgeordneten zu, sich nach freiem Willen zu entscheiden. “Ich möchte keinen Abgeordneten unter Druck setzen”, sagt sie. Über eine Listenaufstellung vor der nächsten Wahl würden nicht Einzelpersonen entscheiden, sondern eine Mitgliederversammlung.
Ein ähnlicher Artikel findet sich in der taz.
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17. September 2007 | 50 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
Der erste Parteirat nach der Sonder-BDK ist jetzt vorbei. Aus meiner Sicht ist der Ball jetzt bei der Bundestagsfraktion: Dort muss diskutiert werden, wie man nun mit dem Parteitagsbeschluss umgeht. Ich bin der Überzeugung, dass die Fraktionsspitze aufgefordert ist, nun auch für den Beschluss zu werben. Was ich bisher dazu in der Presse gelesen habe, sieht nicht so aus – so vergleicht Undine Kurth aus dem Fraktionsvorstand im Gespäch mit der “Leipziger Volkszeitung” die Bundesdelegiertenkonferenz mit dem SED-Politbüro.
“Ich habe nicht die DDR hinter mich gebracht, wo mir eine zentrale Parteileitung vorgeschrieben hat, wie ich zu denken und zu stimmen habe, um jetzt mein Abstimmungsverhalten von der Weisheit der Entscheidung eines Parteitages abhängig zu machen”
Natürlich wird es Abgeordnete geben, die sich (mit Recht) auf ihr Gewissen berufen – das akzeptiere ich. Eine solche Entscheidung, das hat Reinhard Bütikofer heute morgen auch noch mal in der Pressekonferenz betont, muss aber mit großer Ernsthaftigkeit getroffen werden. Wer diese Ernsthaftigkeit vermissen lässt, muss sich fragen lassen, ob für ihn oder sie ein Mandat im Deutschen Bundestag die richtige Berufung ist.
Der Beschluss der Bundesdelegiertenkonferenz wurde im Parteirat unterschiedlich interpretiert. Die einen unterstrichen die doch sehr große Ähnlichkeit zum “BuVo-Antrag” (Primat des zivilen Aufbaus – und vor allem die militärische Absicherung des zivilen Aufbaus) und machten deutlich, dass sehr wahrscheinlich die Ablehnung des Tornado-Mandats in den BuVo-Antrag hineingestimmt worden wäre und dass der von mir kritisierte “Formelkompromiss” wohl keine Chance gehabt hätte.
Auf der anderen Seite gab es aber auch – in meinen Augen “Unverbesserliche” – Stimmen, die die Ernsthaftigkeit des Beschlusses anzweifelten, ja sogar die Legitimität des Parteitags an sich anzweifelten. Inhaltlich das wichtigste Stichwort sind hier die “Bündnisverpflichtungen”. Das Ganze gewürzt mit der inzwischen wohlbekannten Polemik, auf die ich weiter unten noch näher eingehen werde. Kritisiert von dieser Seite wurde auch die angeblich so aufgeheizte Stimmung, beispielsweise bei der Rede von Dany Cohn-Bendit, der sich Buh-Rufe anhören musste. Dazu nur meine Meinung: Erstens war der Parteitag für einen friedenspolitischen Grünen-Parteitag sehr harmonisch, zweitens waren die Buh-Rufe berechtigt (Dany hatte in seiner Rede die These aufgestellt, dass diejenigen, die nicht seinem Antrag folgen wollten, “verantwortungslos” wären) und drittens sind für mich persönlich Zwischenrufe Element politischer Kultur, so dass man an dieser Stelle mal nicht so rumjammern sollte.
Noch ist alles unklar, wie es jetzt weitergeht. Ich erhoffe mir, dass die Bundestagsfraktion in ihrer Weisheit den Robert-Zion-Antrag beraten wird, und zwar in einer ernsthaften Art und Weise und nicht so, wie es bisher geschah. Polemik und Gerede wie “Nun haben sich die Grünen von ihrer außenpolitischen Linie verabschiedet” oder die “Kindergarten”-Diffamierungen Cohn-Bendits sind völlig fehl am Platze. Durch derartige Interviews erhält die Presse einen falschen Eindruck vom Ausgang der BDK, die falsche Interpretation des Zion-Antrags wird dadurch nur verstärkt und sorgt für zusätzliches Zündfeuer. Mitnichten haben die Grünen einen sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan gefordert, wie es jetzt in manchen Medien kolportiert wird.
Auch finde ich es völlig korrekt, einer Vorlage der Bundesregierung, wenn sie einem nicht gefällt, nicht zuzustimmen. Reinhard Bütikofer wurde in der heutigen Pressekonferenz auch gefragt, was denn wäre, wenn alle Parteien im Deutschen Bundestag den Zion-Antrag beschlossen hätten. Ob man sich nicht mit einer Nichtzustimmung aus der Verantwortung ziehe. Ich hätte auf diese Frage geantwortet, dass ja in einem solchen Fall die Forderungen an die Bundesregierung, die in dem Zion-Antrag formuliert sind, erfüllt würden. Die Partei hat sich ja genau deswegen für eine Nichtzustimmung entschieden, weil ihr einfach nicht in den Kopf geht, wieso man einer Sache zustimmen muss, mit der man nicht einverstanden ist.
Das sollten diejenigen, die jetzt über den Zion-Antrag lamentieren, mal zur Kenntnis nehmen!
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