Julia Seeliger
  • Parteirat: Debatte zu Tornados

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    5. March 2007 | Trackback | Internet ausdrucken
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    Wollen wir dem Tornado-Einsatz zustimmen? Diese Debatte prägte heute das Geschehen im Parteirat. Wir haben einstimmig ein Papier beschlossen (PDF). Ich konnte diesem Beschluss zustimmen, da ich nicht der Auffassung bin, dass man sofort aus Afghanistan abziehen darf. Man sollte aber das Zusammenspiel zwischen NGOs und militärischen Aktionen besser in Einklang bringen. Klar ist, das hat Claudia Roth eben noch mal in der Pressekonferenz gesagt, dass der zivile Wiederaufbau höchste Priorität haben muss. In welcher Art und Weise der Einsatz von Tornados hier einen sinnvollen Beitrag leisten kann, war im Parteirat umstritten, neun Mitglieder haben zugestimmt, sechs – darunter auch ich – haben den Einsatz abgelehnt. Im Bundesvorstand der Bündnisgrünen ging es 5:1 gegen den Einsatz aus.

    Es gibt zahlreiche Argumente für und gegen den Einsatz. Beide Seiten eint die Überzeugung, dass ein Kurswechsel in Afghanistan absolut notwendig ist. Wie dieser herbeigeführt werden kann und welche Rolle dabei die Tornados spielen, ist aber umstritten.

    Von den BefürworterInnen des Tornado-Einsatzes wird auch angeführt, dass bereits jetzt ein Strategiewechsel der Amerikaner bzw der NATO im Ansatz zu erkennen sei. Ob und wann dieser Strategiewechsel kommen wird, ist aber umstritten. An der Bewertung dieses Strategiewechsels schieden sich die Geister. Wer meinte, dass dieser eher nicht kommen wird, sprach sich auch eher gegen den Tornadoeinsatz aus, denn dieser könnte auch den ISAF-Einsatz im Norden schwächen, ja gefährden.

    Aus Sicht der BefürworterInnen hängt der Erfolg von ISAF auch von einer bestmöglichen Aufklärung und Informationsgewinnung ab, es gebe daher militärische Argumente für einen solchen Einsatz. Zudem könne der zivile Aufbau im Süden ohne militärischen Schutz, der durch eine breite Aufklärungsarbeit abgesichert ist, nicht gelingen. Er sei sogar darauf angewiesen. Die BefürworterInnen führen auch an, dass die Tornados ein besonders flexibles, weitreichendes Aufklärungsmittel seien, sie könnten mit Infrarotkameras sehr genau und präzise arbeiten. Aufklärung könne somit dazu beitragen, Opfer unter der Zivilbevölkerung zu verringern. Weiterhin könnten die Tornados auch zum Schutz der in Afghanistan stationierten Soldaten beitragen. Es ergäben sich für ein gemeinsames Vorgehen der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan und mit Hinblick auf angekündigte Angriffe durch neuformierte Taliban besondere bündnispolitische Verpflichtungen und damit auch Aufgaben in deutscher Verantwortung. Nur wenige Länder haben überhaupt solche Tornados: Deutschland verfüge als einer der wenigen Staaten über solch breite Aufklärungsfähigkeiten.

    Die BefürworterInnen vertreten darüber hinaus die These, dass eine Verweigerung der Tornados mit der Bündnissolidarität gegenüber den NATO-Partnern nicht vereinbar wäre. Kanada beispielsweise habe in Vergangenheit bereits erhebliche Verluste erlitten, die Niederlande, die einen ähnlichen Strategieansatz verträten wie wir, würden ebenfalls von der Aufklärung profitieren.

    Aus Sicht der GegnerInnen kann der Tornado-Einsatz die eher erfolgreiche ISAF-Strategie im Norden gefährden. Es besteht die Sorge, durch den Einsatz der Tornados schleichend immer weiter in Kriegshandlungen im Süden hineingezogen zu werden. Der Einsatz der Tornados sei sowohl zur Stabilisierungs- als auch zur Kampfunterstützung angedacht.

    Mit den Tornados würde im Süden eine falsche militärische Strategie unterstützt und jährlich zusätzliche 70 Millionen Euro für einen Kampfunterstützungseinsatz ausgegeben, zugleich unterbleibe die notwendige massive Verstärkung der zivilen Hilfe. Es stehe zu befürchten, dass die durch die Tornados freigestellten britischen Flugzeuge zu einer Intensivierung des militärischen Vorgehens im Süden beitragen. Zudem könne das präzise Aufklären das hohe Risiko ziviler Opfer überhaupt nicht entscheidend reduzieren, weil Talibankämpfer und Zivilisten äußerlich nicht zu unterscheiden sind.

    Die GegnerInnen führen zusätzlich noch an, dass sich mit den Tornados angedrohte Selbstmordanschläge aus der Luft weder erkennen noch verhindern ließen, auch wenn der Verteidigungsminister dies als Begründung für einen Einsatz anführt. Andere Aufklärungsmittel wie Drohnen seien effektiver.

    Man müsse auch Nein sagen können: Man könne die Bundeswehr nicht nur deshalb in einen riskanten Einsatz schicken, weil man sich einer Anfrage aus Brüssel vermeintlich nicht entziehen können.

    Desgleichen könnten die Tornados zu einer verfehlten Kolumbianisierung der Drogenbekämpfung beitragen – mit fatalen Folgen. Der Opiumanbau macht einen Hauptanteil der Einkünfte der afghanischen Landbevölkerung aus, hier muss es in meinen Augen Alternativen geben. Eine Lösung wäre in meinen Augen, durch bilaterale Abkommen zwischen EU und Afghanistan legale Absatzmöglichkeiten für das Opium zu ermöglichen.

    Ich habe mich gegen einen Tornado-Einsatz ausgesprochen, weil ich meine, dass man die Gefahr für den ISAF-Einsatz nicht zu unterschätzen ist. Ich bin aber auch nicht dafür, sofort aus Afghanistan abzuziehen.


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11 Responses to “Parteirat: Debatte zu Tornados”

  1. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass dies ein Krieg der Amerikaner ist. Sollen die Amerikaner die Schmutzarbeit machen und ihre Särge nach Hause fliegen!

    Komplettabzug so schnell wie möglich!

  2. Ich halte einen Einsatz der Tornados für völlig falsch und man sollte auch den restlichen Abzug in die Wege leiten.

  3. Der Afghanistaneinsatz ist im Grunde genauso falsch wie der Irakkrieg, aber kurz nach den Anschlägen 2001 waren alle irgendwie “heiß” drauf nen Schuldigen zu finden und Afghanistan mit seinem von regionalen Warlords und Drogenbaronen kontrollierten Land schien am geeignetsten um sich auszutoben. Schnell wurde die Achse des Bösen definiert und der erste Schlag gegen die Taliban und den von der westlichen (zivilisierten?) Welt fand viele Freunde. Auch RotGrün sprang auf diesen Zug auf. Ob das die richtige Entscheidung war, darüber kann man lange streiten. Das Ergebnis kennen wir. Entscheidender ist die Frage, wie wir damit umgehen.

    Ein Abzug wäre ebenso falsch wie unverantwortlich. Wir haben daran mitgewirkt das Terrorregime in Kabul zu stürzen, aber wir müssen auch daran arbeiten, diesen Menschen eine Perspektive zu geben und die Regionalherrschaft der Provinzherren zu brechen. Wenn wir den Menschen die Möglichkeit geben eine offene und in sich gefestigte Zivilgesellschaft aufzubauen, werden wir einen guten Partner beim Versuch haben, den nationalen und internationalen Terror im Keim zu ersticken. Gerne schreibt man dabei vom Krieg gegen den Terror, aber dass Gewalt Gewalt nicht besiegen kann, sollte eigendlich bekannt sein. Durch den Aufbau einer soliden Infrastruktur und die Einrichtung von Schulen und Krankenhäusern können wir mehr erreichen als durch Bomben und mehr Soldaten. Würden konspirative Kräfte die neuerrichteten Einrichtungen angreifen, die durch unsere Entwicklungsarbeit mit der Bevölkerung aufgebaut wurde, verlöre diese recht bald an Rückhalt in der Bevölkerung. Die Bundeswehr hat einen guten Ruf in Afghanistan. Diesen sollten wir durch den Einsatz von Tornados nicht aufs Spiel setzen.

    MfG Krisse

  4. Liebe Freundinnen und Freunde,

    der NRW-Landesvorstand hat sich heute gegen den Tornado-Einsatz in Afghanistan positioniert und den folgenden Beschluss gefasst.

    Viele Grüße
    Sven

    ************************************

    Landesvorstand der GRÜNEN NRW

    5.03.07

    Afghanistan braucht einen Strategiewechsel

    Der Landesvorstand der GRÜNEN NRW lehnt den von der Bundesregierung geplanten Einsatz deutscher Tornado-Flugzeuge in Afghanistan ab.

    Eine umfassende zivile Aufbaustrategie ist langfristig das richtige und einzige Mittel, Afghanistan zu stabilisieren. Daher ist die Bundesregierung aufgefordert, deutlich zu machen, in welcher Weise sie, auch im Dialog mit unseren Partnern in EU und Nato, den jetzt notwendigen Strategiewechsel voranbringen will. Es geht uns in der derzeitigen Debatte nicht um das Ob, sondern um das Wie des zivilen wie des militärischen Engagements. Dies haben wir Grünen auf dem unserem Kölner Parteitag auch mit breiter Mehrheit so festgestellt.

    In der bisherigen Ausrichtung der internationalen Afghanistan-Politik dominiert jedoch das Militärische gegenüber dem zivilen Engagement. Dies lässt sich auch anhand der zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel belegen. So überwiegen die von den USA für den militärischen Einsatz bereitgestellten Mittel mit 8,6 Mrd. Dollar bei weitem die für den zivilen Aufbau vorhandenen Ressourcen von 2 Mrd. Dollar. In ähnlicher Weise gilt dies auch für das deutsche Engagement. Ein einjähriger Einsatz von 6 Recce-Tornados würde 70 Mio. Euro kosten – dem stehen an Aufbauhilfe im gesamten Jahr 80 Mio. Euro gegenüber.

    Das umfassende Ziel des Nation-Building braucht deshalb einen politischen Strategiewechsel, insbesondere angesichts der sich seit dem letzten Jahr zuspitzenden Situation im Süden Afghanistans. Die internationale Afghanistan-Politik muss die bisherige Unausgewogenheit zwischen militärischem und zivilem Engagement zugunsten einer Verstärkung des zivilen Engagements überwinden. Auch die Bundesregierung muss erkennbar ihre zivilen Aufbauanstrengungen forcieren (z.B. deutliche Verstärkung des deutschen Polizeianteils).

    Diesem notwendigen Strategiewechsel dient ein Tornado-Einsatz jedoch nicht, er steht ihm vielmehr entgegen. Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat sich gegen eine Fortsetzung von OEF (Operation Enduring Freedom) ausgesprochen, da durch diesen Einsatz der Terrorismus in Afghanistan nicht bekämpft, sondern eher gefördert wird. Diese Gefahr wird auch nicht dadurch vermieden, dass die Tornados im Rahmen von ISAF eingesetzt werden sollen. Denn im Süden Afghanistans sind die Einsätze von ISAF und OEF-Einheiten unter dem gemeinsamen Oberkommando eines US-Generals nicht mehr zu trennen, wie jüngst auch der afghanische Außenminister bekundet hat.

    Der SPD-Fraktionsvorsitzende und ehemalige Bundesverteidigungsminister Struck hat schon ausgesprochen, was sein Nachfolger Jung gegenüber der deutschen Öffentlichkeit noch zu verbergen versucht: Bei dem Einsatz deutscher Tornados in Afghanistan handelt es sich um einen Kampfeinsatz. Denn die Aufklärung dient auch der Erfassung von Kriegszielen. Geschieht dies aus der Luft, ist darüber hinaus die Gefahr, dass diese Angriffe die Zivilbevölkerung treffen, besonders groß. Es ist nicht auszuschließen, dass die Bundesregierung mit einem Tornado-Einsatz eine erkennbar gescheiterte Kriegsführung und die Entwicklungen im Norden Afghanistans gefährdet, die durch langwieriges und mühevolles ziviles Engagement erreicht wurde. Es sind stattdessen größere Anstrengungen notwendig, die Infrastruktur des Landes aufzubauen und die wirtschaftliche Entwicklung voranzubringen. So muss den BäuerInnen in Afghanistan eine wirtschaftliche Alternative zum Drogenanbau eröffnet werden, anstatt nur auf die Zerstörung der Opiumfelder zu setzen.

    Aus all diesen Gründen haben Bündnis 90/Die Grünen bereits auf ihrer Bundesdelegiertenversammlung am 03. Dezember 2006 in Köln folgenden Beschluss gefasst: “Eine Erweiterung des Bundeswehrmandats auf den afghanischen Süden lehnen wir ab, weil die Bundeswehr bereits das drittgrößte Kontingent stellt und eine große Verantwortung im Norden übernommen hat.”

    Wir wissen um den schwierigen Abwägungsprozess, in dem sich unsere grünen Bundestagsabgeordneten bei der anstehenden Entscheidung befinden. Wir sind uns auch unserer Verantwortung gegenüber den Menschen in Afghanistan, gegenüber den vielen internationalen Helfern der NGOs und auch gegenüber den Soldaten und ihren Angehörigen bewusst.

    Aber: Für uns NRW-Grüne überwiegen die Zweifel an der Sinnhaftigkeit eines Tornados-Einsatz vor der Hintergrund der jetzt notwendigen Entwicklung in Afghanistan.

    Wir bitten die grüne Bundestagsfraktion bei Ihrer Entscheidung über den Antrag der Bundesregierung dieses Votum des NRW-Landesvorstandes zu berücksichtigen.


    sven lehmann
    mitglied im landesvorstand
    bündnis 90/die grünen nrw

    jülicher str. 20
    50674 köln

    fon. (+49) 221 – 420 44 95
    mobil. (+49) 179 – 68 18 573
    fax. (+49) 221 – 97 25 710
    http://www.sven-lehmann.eu

  5. Ute Koczy
    Mitglied des Deutschen Bundestages
    Entwicklungspolitische Sprecherin der
    Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen
    Platz der Republik 1
    11011 Berlin
    Unter den Linden 50
    Raum 2096
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    Wahlkreisbüro Lemgo
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    K 0571-8892651
    M 0571-8892652
    x Ute.koczy@wk2.bundestag.de
    Ute Koczy, MdB · Platz der Republik 1 · 11011 Berlin
    Liebe Freundinnen und Freunde,
    der Antrag der Bundesregierung (Drs. 16/4298) zur „Beteiligung bewaffneter deutscher
    Streitkräfte mit einem Einsatzmodul TORNADO RECCE an ISAF (Internationale
    Sicherheitsunterstützungstruppe) zu Aufklärungszwecken“ wurde gestern im Bundestag
    eingebracht.
    Ich möchte Euch gerne darlegen, warum ich diesem Einsatz nicht zustimmen und den
    Antrag ablehnen werde.
    Afghanistan braucht in erster Linie einen Strategiewechsel
    Die Parole: „Sicherheit geht nicht ohne Entwicklung und Entwicklung geht nicht ohne
    Sicherheit“ stimmt ganz gewiss auch für Afghanistan. Aber ich stelle als
    Entwicklungspolitikerin fest, dass es immer noch keine Balance zwischen diesen beiden
    Polen gibt. Zwar wächst nach fünf Jahren auch bei der NATO die Einsicht, dass der zivile
    Aufbau massiv verstärkt werden muss, aber es fehlt die Strategie für eine Umsteuerung.
    In Afghanistan, so Citha Maaß von der Stiftung Wissenschaft und Politik, findet der
    Staatsaufbau ohne Staat statt. Damit ist umschrieben, warum die internationale
    Gemeinschaft so hart an die Grenzen des kulturellen und gesellschaftspolitischen Aufbaus
    einer Demokratie stößt. Insbesondere die US-amerikanische Seite hat größte
    Schwierigkeiten, sich diesen, auch ethnologischen Herausforderungen zu stellen.
    Gleichzeitig sind der Dialog und der Kontakt mit der Bevölkerung das einzige langfristige
    Mittel, Stabilität zu erringen. Eine solche Einschätzung findet sich häufig bei den zivilen, aber
    auch bei den militärischen ExpertInnen. Nur: Dies führt nicht etwa dazu, dass die
    Bundesregierung innehält und ihr bisheriges Handeln gründlich überdenkt. Und – das ist für
    mich entscheidend – die Bundesregierung fordert es auch nicht ein!
    Als ich gestern im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nach der
    Evaluierung der bisherigen Entwicklungsarbeit in Afghanistan nachfragte, teilte mir
    Staatssekretärin Kortmann mit, dass das Ministerium (BMZ) sehr wohl eine solche plane, sie
    Ablehnung des
    Tornado-Einsatzes der
    Bundeswehr in Afghanistan
    Berlin, 01.03.2007
    ..3
    }
    Ute Koczy
    Mitglied des Deutschen Bundestages
    Entwicklungspolitische Sprecherin der
    Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen
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    aber aus Sicherheitsgründen bisher nicht durchgeführt wurde. Die traurige Wahrheit ist, dass
    niemand fundiert weiß, welche Projekte in Afghanistan tatsächlich Erfolg versprechend sind.
    Erfreulicherweise bewilligt das BMZ jetzt zusätzlich zu den jährlich zugesagten 80 Millionen
    Euro weitere 20 Millionen Euro an zivilen Mitteln, vorrangig für den Süden. Allerdings ist dies
    kein „frisches Geld“, sondern nur durch eine Umschichtung im Haushalt des BMZ möglich.
    Und ich weise darauf hin, dass die USA bereit sind, allein 2 Milliarden US-Dollar für den
    zivilen Aufbau in die Hand zu nehmen. Leider setzt sich auch mit dieser Summe das
    Missverhältnis zwischen dem Einsatz militärischer und ziviler Mittel fort. Denn stolze 8,6 Mrd.
    US-Dollar sind für den militärischen Teil vorgesehen. Auch für die Bundesregierung war es
    kein Problem, die nun zusätzlichen erforderlichen 35 Mio. Euro für den Tornado-Einsatz für
    die nächsten sechs Monate schnell bereitzustellen. Wir Grünen gehen von einer längeren
    Einsatzzeit aus, so dass der Beitrag bei 70 Mio. Euro pro Jahr liegen wird.
    Wir müssen viel mehr in den Polizeiaufbau investieren, denn dieser hat für die Stabilisierung
    Afghanistans eine Schlüsselfunktion. Deutschland hat hier eine Führungsrolle übernommen,
    aber mit ca. 40 deutschen Polizisten ist kein afghanischer Staat zu machen. Denn von dem
    Ziel einer durchsetzungsfähigen und respektierten afghanischen Polizei ist man noch weit
    entfernt. Die Besoldung ist zu niedrig und daher die Korruption hoch. Übrigens ein Problem,
    das massive Ausmaße angenommen hat und für das die internationale Gemeinschaft auch
    keine gezielten Lösungen anbietet. Und Deutschland hält sich beim Polizeiaufbau weiter
    zurück und verspielt wichtige Chancen in diesem zentralen Gebiet.
    Mein Nein ist keine Unterstützung einer Exit-Strategie
    Ich bestreite nicht, dass der Aufbau, gerade in Süd- und Ost- Afghanistan, einer militärischen
    Absicherung bedarf. Deswegen habe ich auch den ISAF-Einsatz unterstützt. Mein Nein zum
    Tornado-Einsatz heißt deshalb nicht, dass ich raus (Exit) aus Afghanistan will, sondern ist
    ein Plädoyer für eine umfassende Strategie für das langwierige „Nation Building“ aus
    Entwicklungssicht. Solange es z.B. keinen UN-Koordinator gibt, der die Macht hätte, die
    verschiedenen staatlichen und nichtstaatlichen Hilfen zu koordinieren und solange sich die
    EU weiterhin durch eine besonders große Schwerfälligkeit auszeichnet, brauchen wir nicht
    auf eine positive Veränderung durch die RECCE-Tornados zu hoffen. Wir Grünen stehen in
    der Verantwortung, auf solche Missverhältnisse hinzuweisen und Veränderungen
    einzufordern. Aber auf diesen Ohren ist die Bundesregierung taub.
    Drogenbekämpfung weiter auf kolumbianischen Abwegen
    Der größte Wirtschaftsfaktor – und das dominierende Problem – in Afghanistan ist der
    Mohnanbau. Afghanisches Rohopium hatte im letzten Jahr einen Anteil von 92 % an der
    Weltproduktion. Das heißt, dass trotz der massiven Bekämpfung durch die USA sich der
    Anbau ausgeweitet hat und sich gleichzeitig korrupte und mafiöse Strukturen ausweiten
    konnten. Leider gibt es keine Ersatzwunderpflanze, sondern nur gezielte Strategien für den
    Aufbau von Alternativen. Kontraproduktiv war es deshalb, dass die USA sich durch
    unabgestimmte Vernichtung (Eradication) der Mohnfelder, ohne alternative
    Erwerbsmöglichkeiten zu schaffen, viele Kleinbauern zu Feinden machten, die im
    Mohnanbau ihre einzige Einnahmequelle und Existenzgrundlage haben.
    Der angekündigte Wechsel des US-Botschafters William B. Wood aus Kolumbien nach
    Afghanistan im März 2007 lässt erahnen, dass hier so weiter wie bisher gemacht werden
    }
    Ute Koczy
    Mitglied des Deutschen Bundestages
    Entwicklungspolitische Sprecherin der
    Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen
    Seite 3 von 3
    soll, selbst wenn die afghanische Regierung das Besprühen der Felder mit Chemikalien aus
    der Luft noch nicht zulässt. Tatsache ist aber, dass die US-Politik der Drogenbekämpfung
    das Sicherheitsproblem im Süden verschärft hat und sich die Kluft zwischen
    Landbevölkerung und Regierung vergrößert hat. Deswegen fordern wir Grüne, dass die
    Vernichtung der Mohnfelder ausgesetzt wird und verstärkt in Programme der
    entwicklungsorientierten Drogenkontrolle investiert wird.
    All diese Probleme werden die Tornados nicht lösen. Im Gegenteil, die Maschinen werden
    zum Teil des Problems, weil sie die bisherigen Mohnfeldvernichtungsprogramme durch
    Aufklärung unterstützen können.
    Bundesregierung verspielt das deutsche Afghanistan-Profil
    Nach dem erfolglosen Versuch, das Parlament bei der Zustimmung zu den Tornados zu
    umgehen, ist die Konzeption des Tornado-Einsatzes bis heute nicht klar. Während Struck
    von einem Kampfeinsatz spricht, versucht Minister Jung den Einsatz als Schutzmaßnahme
    für die eigenen Truppen darzustellen. Informationen an das Parlament fließen nur spärlich.
    Die zahlreichen grünen Versuche und Fragen zur Aufklärung der Sachverhalte sind
    abgedrängt und Vorschläge zur Konditionalität ignoriert worden. Mit diesem Einsatz der
    Tornados stellt sich die Bundesregierung an die Seite der USA, ohne eigene Forderungen an
    die Gestaltung der Zukunft Afghanistans zu formulieren. Damit nehmen wir Deutschen auch
    Abschied von unserem eigenständigen Profil in Afghanistan.
    Das werde ich nicht mitmachen und sage deshalb Nein zum Tornadoeinsatz.
    Mit grünen Grüßen
    Zum Nachlesen:
    BMZ, Ref. 204: Sachstand Wiederaufbau, Ende Januar 2007
    Maaß, Citha: Afghanistan: Staatsaufbau ohne Staat, SWP. Feb. 2007.

  6. Finde ich toll, dass du dem zustimmst, Julia. Bist die richtige Frau im PR.
    Du lässt dich dort überhaupt nicht von den “Großen” unterbuttern.
    Du wirfst einfach nur deine Ideale und Grundsätze über Bord und stimmst für einen verstärkten Kriegseinsatz!

    Bist du eigentlich noch grün oder schon abgehoben und fern von der Basis (GJ + LV NRW)?

  7. Hallo Dominik.

    ich habe dagegen gestimmt. Genauso wie fünf andere Mitglieder des Parteirats und fünf von sechs Bundesvorstandsmitgliedern. Lesen hilft!

  8. “Ich bin aber auch nicht dafür, sofort aus Afghanistan abzuziehen.” – Also bist du weiterhin für den Kriegseinsatz.

    “Lesen hilft.” – Musst du direkt so einen unfreundlichen Ton wählen?

  9. Ich finde das vollkommen richtig so. Den “Kriegseinsatz”, wie Du ihn nennst, zu beenden, hieße, Nordafghanistan wieder ins Chaos zurückfallen zu lassen. Die Bundeswehr leistet dort gute Arbeit, international und auch von den Afghanen akzeptiert. Lies Dir mal das umfangreiche Material dazu von Winni Nachtwei durch. Der Tornado-Einsatz im Süden ist aber in der Tat etwas ganz anderes, und den abzulehnen, ist vollkommen richtig.
    Und mit dem unfreundlichen Ton hast Du ja wohl selbst angefangen, lieber Dominik.

    Liebe Grüße

    Peter Alberts, KV Münster

  10. Hallo,
    ich bewundere jeden der in dieser Angelegenheit entscheiden kann. Mir will das nicht gelingen. Ich finde nirgendwo ein Statement von den Menschen, um die es hier geht. Ich meine den einfachen Bürger des Landes Afghanistan. Nein, stimmt nicht. Zur BDK in Köln war eine Politikerin aus Afghanistan eingeladen und hat sich bedankt für die Hilfe, die ihr Land erfährt.

    Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie es sich anfühlt in einem Land wie Afghanistan zu leben, als einfache Bürgerin des Landes oder als Helfer.. In meiner Vorstellung ist ja nun nicht jeder Einwohner automatisch Opiumfeldbesitzer. Zu mal ich sowieso für die freie Zuteilung von Drogen bin.

    Ich bin hier in einem Land aufgewachsen, dem man auch eine 2. Chance gegeben hat.
    Stellt euch heute doch mal die Frage, die damals die ganze restliche Welt beantworten musste, nach dem Ende des 2. Weltkrieges. Und die lautet: “Was machen wir mit Nazi-Deutschland? “. Obwohl Deutschland besetzt, aufgeteilt etc. wurde und wir in einer Art von Demokratie aufgewachsen sind, die weltweit ihres gleichen sucht….. Haben wir wieder die NAZIS stark gemacht. Es gibt sie noch immer. Aber immerhin wir wissen uns dagegen zu wehren. (na ja die Hoffnung stirbt bekanntlich ja zum Schluss)

    Und so, wie es die Medienwelt berichtet über Afghanistan, ist ein Leben unter einem Herscherregime der Talibane, der Drogenbosse u.ä. keinem Volk der Welt zu gönnen. Es stellt sich die Frage, können die Afghanen aus eigener Kraft dieses Regime überwinden? Oder benötigen die Menschen unsere Hilfe? Sind die Menschen, die jetzt für den Abzug der deutschen Soldaten sind, bereit dort zu leben? Zu helfen?

    Gibt es von denen die für den Abzug der deutschen Soldaten sind, ein Konzept oder ein Leitfaden oder überhaupt irgendeine konstruktive pazifistische Idee ein derartiges Regime zu überwinden? Ausser irgendwelche Gelder ins nirwana unter der Rubrik “Entwicklungshilfe” zu pumpen. Und dabei auch noch rumzufeilschen -wer wieviel Milliarden zu zahlen hat?

    Ich lese hier nichts dergleichen.
    Und schlimmer noch, es macht mich so wütend in dieser Sache meine eigene Hilflosigkeit zu erfahren.

    Wie geht es euch dabei?

    nachdenkliche Grüsse
    Sabine

  11. […] Vergangener Montag war wieder Parteirat. So spannend wie das Mal davor (Tornados) war es nicht, es ging vor allem um Klima / Ökologie und um den Länderrat. […]