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Ganz vorzüglich: Wöhlers “Cabaret”
0Gestern abend schleppte mein Vater meine Brüder und mich ins St.Pauli-Theater. In Zicken-Manier hatte ich mich noch stundenlang gewehrt (Argument: Ich will schon Montag abend wieder nach Berlin fahren!), mich dann aber schließlich in mein Schicksal gefügt.
Von der ersten Sekunde des Stücks an war meine Stimmung verwandelt: Cabaret ist ein einfach vorzügliches Stück über Berlin, Freiheit, die wilden 30er und natürlich – Politik. Die Zuschauer werden mitgenommen in den Moment des Wandels, in den Moment, als der Zeitgeist umbricht von einer offenen, vielfältigen und modernen Gesellschaft zur Terror-Herrschaft der Nazis.
Alles startet im Kit-Kat-Club (übrigens ist die Benennung des Berliner Kit-Kat-Clubs eine Hommage an das Musical). Präsenteur Wöhler führt in das Stück ein: “Willkommen, bienvenu, welcome” Alles mit einem Augenzwinkern, gerade noch sind die wilden 30er am Kochen. Sylvesterfeier im Kit-Kat-Klub! Dort verkehren lebenslustige Menschen, es treten “Mädchen” auf, auch der Star des Ensembles, Sally Bowles, eine exzentrische Neunzehnjährige, die allerhöchstens eine Woche lang mit demselben pennt. Sie verliebt sich in Cliff Bradshaw, einen erfolglosen amerikanischen Schriftsteller, der nach Berlin gegangen ist, um dort die Inspiration für seinen Roman zu finden.
Bradshaw hat sich bei Fräulein Schneider eingemietet, einer schüchternen alten Jungfer. Fräulein Schneider und Herr Schultz, ein jüdischer Gemüsehändler (“Ich kenne die Deutschen – bin ja selbst einer!”) verlieben sich ebenfalls ineinander, die Verlobungsfeier aber endet traurig. Ein “Freund” – Nationalsozialist, der gerade von der Parteiversammlung kam – warnt Fräulein Schneider vor der Vermählung vor einer Hochzeit mit einem Nicht-Arier, Fräulein Schneider füchtet um ihr Geschäft, die Verlobung wird wieder gelöst.
Während Cliff Bradshaw auf Grund der sich verschärfenden politischen Lage weitsichtig Berlin verlässt, zieht Herr Schultz nur “auf die andere Seite des Nollendorfplatzes”. Das sei für alle Beteiligten das beste.
Schulze emegriert eben nicht, die Zuschauer müssen sein Schicksal hinehmen. Präsenteur Wöhler schließt das Stück sinngemäß – und eben mit der richtigen Prise Zynismus – mit “Haben wir ihnen zu viel versprochen? Sie haben sich doch gut amüsiert!” Aber ja! Ich habe mich vorzüglich amüsiert, wunderbare Schauspieler, Musik, und das richtige Quentchen Geschichte dazu. Absolut empfehlenswert!
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