zeitrafferin
Julia Seeliger-
27. May 2006 | Ein Kommentar | Trackback | Internet ausdrucken
Der offen schwule grüne Bundestagsabgeordnete wurde heute in Moskau von mutmaßlichen Neonazis angegriffen und verletzt. Die Moskauer Polizei hat nicht etwa Volker vor den Angriffen beschützt, sondern ihn vielmehr in Richtung der AngreiferInnen gedrängt. Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow erklärte am Freitag, Schwulenparaden seien in Russland “absolut inakzeptabel”.
Meine Meinung dazu: Ätzend, scheisse, widerlich! Menschen auf Grund ihrer sexuellen Orientierung mit Gewalt zu bedrohen, ist nicht akzeptabel. Und es ist die Aufgabe der Polizei und der Politik, Menschen vor Gewalt zu schützen.
Deswegen: Macht mit bei den CSDs in Deutschland! Wer es sich traut, möge am 10.6. nach Warschau fahren. Jetzt erst recht!
Auf seidu.de schreibt Julian sehr richtig:
So sehr die Nachricht erschüttern vermag, so wenig darf sie bei genauerer Betrachtung überraschen. Beck wird gewusst haben, worauf er sich einlässt. Er ist Ausländer und kann sich – dank des Schutzes der Deutschen Botschaft und seines Status als Mitglied des Bundestages – mit einigen wenigen Blessuren und einem gehörigen Schreck in den Knochen, wieder auf den Weg nach Deutschland machen.
Die Schwulen und Lesben in Russland bleiben jedoch dort. Sie sind weiterhin Repression, Unterdrückung, ja Hass ausgesetzt,
Heute erreichte mich eine Mail, verfasst von dem russischen Journalisten Vladimir Esipov, die ich Euch nicht vorenthalten möchte:
Ein KommentarMeine liebe Freunde in Deutschland!
Am vorigen Samstag wurde vor meinen Augen (und vor mehreren TV-Kameras) ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages im Zentrum Moskau von Rechtsradikalen angegriffen und verletzt. Die massiv anwesende Polizei tat nichts, um ihn zu schützen. Umgekehrt: die Polizisten blockierten die Rückwege und haben uns, die Kamerateams und die drei Deutschen, direkt in die Hände der Angreifer geschoben. Als der blutende deutsche Abgeordnete in den Polizeibus geschleppt wurde (und dabei auch nocht von einem Polizist
getreten wurde), ging ich zum Einsatzleiter der Polizei, einem Oberst des russischen Innenministeriums und sagte ihn, sie haben einen ausländischen Parlamentarier verhaftet. Seine Reaktion, wörtlich: “Das ist mir scheißegal”. Der blutende Abgeordnete Beck wurde mehr als eine Stunde ohne medizinischen und diplomatischen Hilfe festgehalten, obwohl die Einsatzleitung der Polizei sofort wusste, dass in dem Bus ein verletzer ausländischer Parlamentarier sitzt.Es ist wichtig zu wissen, dass der Abgeordnete Beck während des Interviews angegriffen wurde, und nicht “bei einer verbotenenen Schwulen-Demo” in Moskau. Diese Demo hat es schlicht und einfach nicht gegeben – fünf ausländische Homosexuelle, die kein russisch können,friedlich auf der Strasse stehen und mit Journalisten reden, sind auch beim besten Willen keine Demo. Beck stand in einem Kreis von Journalisten, als die Polizei ihn und die Kamerateams auf die Angreifer schob.
Heute morgen zitiert die “Berliner Zeitung” den Frakzionsvize der CDU im Bundestag Andreas Schockenhoff mit den folgenden Worten: “Man muss sich auf die politische Ordnung eines Gastlandes einstellen”. Wer versuche, die Spielregeln eines Gastlandes zu unterlaufen… könne sich nicht über den mangelnden Schutz beklagen (…) Die Teilnahme Becks an der Demonstration lasse auf den Wunsch nach Selbstdarstellung schliessen, so Schockenhoff zu der Berliner Zeitung.
Im Klartext (sagt Schockenhoff): Beck ist selber schuld, dass er sich am Samstag in Moskau auf die Strasse getraut hat, dass er uns Interview gegeben hat, dass er zu schwach war, sich mit zwei Dutzend Polizisten einer mobilen Einsatztruppe der Moskauer Polizei anzulegen, die ihn (und uns) in die Hände der Angreifer geschoben haben.
Meine liebe Freunde in Deutschland,
Ihr Land stand für mich immer und steht heute für Demokratie und Menschenrechte, das Recht auf Interview auf der Strasse inklusive.
Mich erschreckt zutiefst, dass Ihre Regierungspartei meint, dass die Menschenrechte nicht universell gelten. Mich erschreckt die Forderung, sich auf eine solche politische Ordnung einzustellen, die fünf Ausländische Gäste zu einer verbotenen Schwulen-Demo erklärt und sie dann den Angreifern ausliefert. Mich erschreckt, dass Ihre Regierungspartei zwischen Zivilcourage und Selbstdarstellung nicht unterscheiden kann.
Aber am schlimmsten erschreckt mich das Schweigen.
Wir in Russland brauchen heute wie nie zuvor die Unterstützung der demokratischen Welt im Kampf gegen die längst begonnene totale Abschaffung der Bürgerfreiheiten. (Neulich wurden in Moskau Menschen verhaftet, weil sie auf der Strasse ein verbotenes Mineralwasser getrunken haben – nicht mehr und nicht weniger).
Wenn Ihr Euer Land zu Demokratien zählt – Leitet diese email weiter, sagt Eueren Freunden bescheid, schweigt bitte nicht.
Wer möchte, kann auch den Abgeordneten Schockenhoff daran erinnnern, dass auch in Russland die “politische Ordnung” zulässt, am Samstag nachmittag auf die Strasse zu gehen und auf die Fragen der Journalisten zu antworten:
andreas.schockenhoff@bundestag.deVielen Dank.
Herzlichst aus Moskau,
Vladimir Esipov
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23. May 2006 | Ein Kommentar | Trackback | Internet ausdrucken
Auf dem Münsterplatz in Bonn traf ich einen bemerkenswerten Walschutz-Aktivisten: Andreas Morlok geht zu Fuß – zusammen mit einem “Wal auf Rädern” – vom Bodensee nach Skandinavien. Sein sehr unterstützenswertes Anliegen: Stoppt den Walfang!
Immer noch werden in Norwegen kommerziell Wale gefangen. Damit muss endlich Schluss sein, die riesigen Meeressäuger sind vom Aussterben bedroht. Die norwegische Regierung aber hält sich an das internationale Walfangverbot nicht gebunden – im Gegenteil: Die Fangquote ist für das Jahr 2006 auf 1052 Großwale erhöht worden. Dabei werden sogar trächtige Walkühe harpuniert.
Auch auf den durch Danemark verwalteten Faröer-Inseln werden jedes Jahr mehrere tausend Großwale getötet. Und auch Japan hält an der Wal-Ideologie fest: Weil das Fleisch kaum noch Absatz findet, wird es jetzt – nach 20 Jahren – wieder in Schulkantinen ausgegeben, wohl um junge Menschen an das Walfleisch zu gewöhnen.
Anstatt sich in die Realität zu fügen und endlich Schluss zu machen mit der Jagd auf die bedrohten Meeressäuger, wird das Produkt Walfleisch jetzt also künstlich “am Leben” gehalten.
Dafür gibt es keine rationale Begründung. Die Aktion von Andreas Morlok ist nicht nur bewundernswert, sondern auch bitter nötig. Mehr über Morloks kreative Aktionen zum Walschutz: www.walschutzaktionen.de
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23. May 2006 | 6 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
Das Bundesverfassungsgericht hat abermals fundamentale Grundrechte verteidigt: Nachdem es schon die akustische Wohnraumüberwachung, den Europäischen Haftbefehl und das Luftsicherheitsgesetz gestoppt hat, schränkte es heute morgen die Rasterfahndung ein. Auch die Fortschritte in der Drogenpolitik gingen in den letzten Jahren ausnahmslos von den Gerichten aus.
Ich bin verwundert, dass die Verfassungswidrigkeit der bisherigen Praxis bei der Rasterfahndung erst durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt werden musste. Es muss ein Umdenken bei den Mitgliedern der großen Parteien stattfinden! Was ist das denn für ein Demokratieverständnis? Ist der Mehrheit der Mitglieder von CDU und SPD das Grundgesetz egal? Oder haben sie gar vom Grundgesetz und dessen Inhalt noch nicht viel gehört oder gelesen? Es kann doch nicht sein, dass BürgerInnenrechte nur von den kleinen Parteien, von AktivistInnen – und vom Bundesverfassungsgericht verteidigt werden.
Übrigens: Heute, am 23.Mai, ist der “Jahrestag” des Grundgesetzes. Ich wünsche mir, dass sich alle CDU- und SPD-Mitglieder dies zum Anlass nehmen, sich mal den Text, insbesondere die Grundrechte reinzuziehen.
Die großen Parteien schüren mit ihrem Sicherheitswahn Angst in der Bevölkerung und sorgen damit auch dafür, dass die immer in den letzten Jahren mehr und mehr zunehmende Repressions-Politik “salonfähig” wird. Ein Teufelskreis: Um diesen hausgemachten Ängsten zu begegnen, wird eine Politik gefahren, die für mehr Repression, mehr Überwachung und weniger Freiheit und Demokratie steht. Die großen Parteien bedienen dabei auch im Wahlkampf Ängste, die durch sie selbst erst ausgelöst wurden.
Ich empfehle an dieser Stelle die Literatur von Heinar Kipphards “In der Sache J.R. Oppenheimer“. Wesentliches Zitat aus diesem Werk (es dreht sich um die Wirrungen in Los Alamos, als dort die Atombombe gebaut wurde, sowie um die “KommunistInnen”-Hetze durch Senator McCarthy in den 50er Jahren):
Es gibt Leute, die bereit sind, die Freiheit zu schützen, bis nichts mehr von ihr übrig ist.
Was man sonst noch mal zum Thema (mal wieder) lesen kann: 1984
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18. May 2006 | Ein Kommentar | Trackback | Internet ausdrucken
Seit kurzem ist mein zweites Blog-Projekt online: Auf spiegelkritik.de wollen mein AutorInnen-Team und ich den Schreiberlingen beim größten Nachrichtenmagazin Deutschlands mal ein bisschen auf die Tasten schauen.
Jetzt ist das Layout fix, das Blog läuft und ich habe auch alle verlorenen Passworte wiedergefunden. Es fehlen noch weitere aktive BloggerInnen – also, wenn du dich in letzter Zeit auch über den einen oder anderen Spiegel-Artikel geärgert hast (ob Print oder SpOn ist egal), dann melde Dich doch einfach!
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