zeitrafferin
Julia Seeliger-
11. December 2007 | 24 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
… wurde ich heute von Stern Online befragt.
Grünen-Parteiratsmitglied Julia Seeliger bezichtigte die Koalition wegen der geplanten Reform der “Prüderie”. “Das Vorhaben steht für eine Politik, die gegen eine offene und moderne Gesellschaft gerichtet ist”, sagte Seeliger stern.de. “Ich glaube nicht, dass die Koalition eine geistig-moralische Wende einläuten will. Aber von Prüderie kann man sprechen”, sagte sie.
Die Grünen-Politikerin griff auch Justizministerin Zypries scharf an. “Ich finde es befremdlich, dass sich Frau Zypries nicht an ihre Jugend erinnert. Denn ich glaube nicht, dass sie keinen Sex vor ihrem 18. Lebensjahr hatte oder keinen Jungen angefasst hat”, so Seeliger. Sollten die Änderungen wie vom Justizministerium geplant trotz der Kritik umgesetzt werden, befürchte sie, sagte Seeliger, dass künftig Sexualität zwischen Jugendlichen in Deutschland künftig kriminalisiert werde. Deshalb sehe sie keinen Handlungsbedarf. “Es gibt im bisherigen Regelwerk keine Gesetzeslücken. Um Kinder und Jugendliche vor Missbrauch zu schützen, helfen keine weiteren Verbote. Stattdessen muss es einen gesellschaftlichen Diskurs geben. Das wichtige ist aber, Kinder stark zu machen, so dass sie nein sagen können – dem läuft der Gesetzentwurf aber entgegen.”
Gestern hatte auch SPIEGEL ONLINE darüber berichtet. Und in meinem Bravo-Kritik-Artikel wurde das Thema schon gestern andiskutiert.
Was bei der Medienlese auffiel: Stets wird von “Täter” – und nicht “Täterin” – gesprochen, auch die Beispiele waren von klassischen Geschlechterrollen geprägt. Das gilt nicht nur für SPIEGEL ONLINE, von wo das nachfolgende Zitat ist, sondern auch für die Print-Ausgabe der Süddeutschen, die ich heute morgen am Frühstückstisch las.
Das Streicheln ihrer Brüste etwa könnte schon dann strafbar sein, weil die Einladung dann als “Entgelt” gilt. Geld- oder gar Haftstrafe drohen auch demjenigen, der eine “Zwangslage” ausnutzt – etwa wenn er versucht, mit einer Jugendlichen intim zu werden, die mangels einer Fahrgelegenheit nach einer Party bei ihm übernachtet.
Unterbewusst werden Mädchen und Frauen somit automatisch als “Opfer” gedacht. Self-fulfilling Prophecy …
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10. December 2007 | 34 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
Die Bravo kann man ja wirklich auch mal kritisieren. Zum Beispiel erschienen in der Ausgabe 25 der BravoGIRL unter dem Titel “Darüber lachen Jungs” extrem sexistische Witze, ich ruf Euch auch alle auf, da LeserInnenbriefe zu schreiben.
Zwei der Witze:
“Sagt ein Mann zu seinem Freund: “Ich habe meiner Frau eine Gasmaske zum Geburtstag geschenkt.” Freund: “Eine Gasmaske?”- “Ja, erstens sieht sie damit besser aus und wenn ich den Stöpsel zuhalte, dann zappelt sie so schön beim Sex.”
“Wann fährt eine Frau in den Winterurlaub? Nie, denn zwischen Küche und Schlafzimmer fällt kein Schnee!”
Ich lache ja auch gerne und mache auch häufig und mit Leidenschaft politisch unkorrekte Witze, aber ich finde, das ist doch zu viel für ein Magazin, das von Neun- bis Zwölfjährigen gelesen wird. Astrid Rothe-Beinlich. frauenpolitische Sprecherin des grünen Bundesvorstandes, hat deswegen auch schon einen LeserInnenbrief an die Bravo gesendet.
Nicht genug, dass Frauen und Mädchen in diesen „Witzen“ einzig als Sexobjekte diskreditiert und erniedrigt werden. Die Mädchen sollen sich auch noch zusätzlich lächerlich machen, indem sie diese weitergeben. Wie passt dies mit dem Anspruch zusammen, Mädchen zu einer selbstbewussten Persönlichkeit bilden und zu selbstbestimmter Sexualität erziehen zu wollen?
Ihnen muss bewusst sein, dass ein derart fahrlässiger Umgang mit Sexismen und Frauenverachtung Folgen haben und zur Legitimation derartigen Handelns unter Jungen und Männern dienen kann – schließlich soll darüber sogar gelacht werden, ganz nach dem Motto: Mädel hab Dich nicht so. Ich rede hier von sexueller Gewalt, die durch Sie aufs Unerträgliche verharmlost wird.
Das kann ich nur unterschreiben – da werden schon kleine Mädchen eingenordet, ihre Bedürfnisse nicht zu artikulieren, da werden kleine Mädchen darauf getrimmt, der passive, unterwürfige, “zappelnde” Part zu sein. Wenn sie dann später Sex haben, haben sie bestimmte Rollenbilder schon verinnerlicht. Ich habe kein Problem mit Sex, aber ich habe ein Problem damit, wenn Rollenbilder in den Medien vorkommen (das können Billig-Pornos auf youporn sein, oder eben diese bescheuerten Witze in der BravoGIRL), die dazu führen, dass gesellschaftliche Klischees verfestigt werden, was dazu führt, dass Vorstellungen von Sex existieren, die dazu führen können, dass die Bedürfnisse von Frauen nicht oder nur unzureichend befriedigt werden.
Dazu kommen, was man an dieser Stelle auch mal beachten sollte, natürlich die Bedürfnisse aufgeklärter Männer, die ebenfalls keinen Bock auf Sexismus und permanente Erniedrigung von Frauen haben. Ich möchte hier niemand auch bashen, der oder die auf Erniedrigung steht und das betreibt. Letztlich kann man auch noch die Heteronormativität kritisieren, aber eine solch weitgehende Kritik ist bei einem derart chauvinistischen Sexismus wohl eine Ecke zu weit gedacht – man sollte diesen Aspekt aber auch noch anführen, ich hab die BRAVO lange nicht mehr gelesen, gehe aber davon aus, dass die Lebensrealitäten von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Transgendern and Friends da inzwischen auch vorkommt.
Wenn aber in so früher Jugend Rollen eingeübt werden, Verhaltens- und Denkweisen eingeschliffen, dann ist es nicht einfach, sich für die eine oder die andere Art, Sex zu haben, zu entscheiden. Dann nimmt Frau Erniedrigung, schlechten Sex und Sexismus einfach so hin. Franz-Josef Wagner würden solche Frauen gefallen, der ist ja offenbar auch mit “langsamem Sex” überfordert
Wie viele Schwiegermütter soll ein Mensch/Mann noch ertragen? Wie oft soll er hören, dass er nicht auf die Toilettenbrille pinkeln soll und den tropfenden Wasserhahn im Bad reparieren – und langsam beim Sex sein soll?
… aber wer hört schon auf FJ Wagner? Ich nicht! Deswegen finde ich es sehr richtig, dass Astrid diesen Brief verfasst hat. Solch ein Sexismus darf nicht unkommentiert stehen bleiben!
Ganz sexfeindlich gibt sich dagegen die konservative Kampagne “Aktion Kinder in Gefahr”. Dort kann ein Appell an Merkel, Köhler und Von der Leyen unterschrieben werden, der die BRAVO “stoppen” soll.
In was für einer Welt werden unsere Kinder und Enkel aufwachsen, wenn die Flut von Pornographie, Blasphemie und Unmoral in den Medien immer weiter ansteigt?
Aber der Feind Nr. 1 der Kinder ist die Zeitschrift BRAVO, die jede Woche mit einer Auflagenstärke von 800.000 Exemplaren erscheint und schon von Kindern ab sechs Jahren gelesen wird, wie der Verlag in einer Presseerklärung vom 29. Juni 1999 selbst zugibt. Es darf nicht so weitergehen, daß die Kindheit in Deutschland durch sogenannte “Jugendzeitschriften” wie BRAVO, die in Wahrheit erotische Blätter sind, zerstört wird.
Das bewerte ich selbstredend ganz anders: Es wurden keine Kindheiten zerstört, sondern gerettet. Millionen Kinder und Jugendliche wurden durch “Dr. Sommer” aufgeklärt, sie haben gelernt, wie sie sich vor Aids oder ungewollten Schwangerschaften schützen können. Das ist ein großer Verdienst der Bravo. Und wenn nicht das Schwesterblatt “BravoGIRL” sexistische, erniedrigende und überhaupt nicht kindgerechte Witze abdrucken würde, würde ich direkt, sofort, jetzt, eine laut klingende Lobeshymne anstimmen.
Gerade gefunden: Kadda hat bereits gestern einen Artikel bei Neon zum selben Thema verfasst. Darin finden sich drei Thesen
Welche Botschaft schickt BRAVO Girl?
- Nur wer gut aussieht und sich „richtig“ stylt und bewegt, kann ein gutes Selbstbewusstsein haben – ist etwas wert
- Diese gut gestylten Girls sollen akzeptieren, dass es normal ist, wenn Jungs über gewaltverherrlichende, frauenfeindliche und diskriminierende Witze lachen und
- Zeigen, dass sie sich selbst auch nicht ernst nehmen können, indem sie den Jungs noch solche Witze erzählen.
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9. December 2007 | Comments Off on Scorsese dreht Hitchcock für Freixenet | Trackback | Internet ausdrucken
So what happens here … We don’t know … Because the page is missing!
CNN Money: JWT Produces Scorsese-Directed Short for Freixenet
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7. December 2007 | 34 Kommentare | Trackback | Internet ausdrucken
- Update: Schubert zieht Anzeige zurück.
- Update II: Schuberts Anzeige war rechtswidrig, Gravenreuth erstattet seinerseits Anzeige gegen Katina Schubert
Im Grundgedanken richtig gedacht: Unter dem Motto “Nazis raus aus Wikipedia” hat jetzt Katina Schubert, stellvertretende Parteivorsitzende der “Linken”, die Wikipedia angezeigt. Schubert hat wohl diese Woche im Stern zum ersten Mal über die Wikipedia gelesen.
Seine erfreulich offene Struktur macht „Wiki“ leider auch zu einem wenig kontrollierbaren Einfallstor für rechte und rechtsextreme Ideologien.
Diese Analyse ist richtig: Die offene Wiki-Struktur ermöglicht das im Prinzip und es ist denkbar, dass Nazis die Wikipedia beim “Kampf um die Köpfe” offensiv nutzen. Jedoch kritisiert Schubert vor allem die Abbildung verfassungsfeindlicher Symbole und das Zitieren aus NS-Quellen, das dort vorkomme. Schubert will mit der Anzeige die Betreiber zwingen, politische und ethische Standards einzuführen, die es Nazis unmöglich machen, ihren “braunen Müll” als lexikalisch wertvolles Wissen auszugeben und im Netz zu verbreiten. Dies alles solle “bei Beibehaltung der offenen Struktur” gelingen.
Anders als der Berichterstattung auf golem – wirklich sehr platt – finde ich das im Ansatz schon richtig. Es könnte dort ein Problem mit Nazis geben, das müsste mal genauer unter die Lupe genommen werden. Leider hat Schubert den Fehler gemacht, vor der Anzeige nicht einmal Kontakt mit Wikimedia Deutschland aufzunehmen. Als ich im vergangenen Jahr über das Problem “Nazis bei Wikipedia” nachdachte, hab ich deswegen dort mal nachgefragt, man sagte mir, dass man da “schon dran” sei. Ich frage auch gerne nochmal nach, um genauer herauszufinden, was man da für Instrumente hat. Und eh ich eine Organisation wie Wikimedia anzeige, versuche ich doch ernsthaft, mit denen ins Gespräch zu kommen. Alles andere ist pure Pressegeilheit.
Schubert hätte versuchen müssen, ihre Kompetenzen im Thema “Nazis” – ich hab mal aus der Presse-Erklärung geschlossen, dass “Neue Medien” nicht ihr Thema sind – sinnvoll bei Wikipedia mit einzubringen, mit den Verantwortlichen das Gespäch zu suchen und gemeinsam mit den WikipedianerInnen an einer schlagkräftigen Strategie gegen Nazis bei Wikipedia zu arbeiten. Wie gesagt, wenn die dort nicht schon versucht haben, eigene Instrumente zu entwickeln. Laut heise sind sie da durchaus problembewusst, wenn auch stets nach dem Maß dieses Problembewusstseins gefragt werden darf, wie ich finde.
Die Strafanzeige ist nicht die erste Kritik in dieser Richtung an der freien Online-Enzyklopädie. So vertritt der Autor Günter Schuler in seinem kürzlich erschienen Buch die These, dass in der Wikipedia Geschichtsrevisionismus praktiziert werde und kritisiert die Kritikrenitenz der Wikipedia-Community. Hier vertritt Arne Klempert, Geschäftsführer von Wikimedia Deutschland, einen anderen Standpunkt: Die Wikipedia-Community zeige sich sehr problembewusst. Artikel wie der über Holocaust-Leugnung beweisen in seinen Augen, dass die Gemeinschaft der Wikipedia-Autoren sehr wohl in der Lage ist, neutral und aufklärend mit extremistischen Ideologien umzugehen.
Zu Schuberts Vorstoß ist außerdem noch zu sagen, dass das Verbot verfassungsfeindlicher Symbole ja wohl das am wenigsten wirksame Mittel beim Engagement gegen Nazis ist und ja auch im linken Spektrum sehr umstritten. Schade auch, dass so schöne Worte wie “Medienkompetenz” in der Presseerklärung nicht vorkamen. Die sind bei solchen Themen nämlich richtig aufgehoben.
Ich meine, dass man, wenn man hier ein mögliches Problem erkannt hat – Nazis bei Wikipedia – vielleicht erst einmal eine Studie zu dem Thema machen sollte, denn ohne sachliche Untermauerung finde ich das schon etwas schwach.
Fazit: Mögliches Problem erkannt, aber offenbar überhaupt nicht ernsthaft daran interessiert, es zu lösen. Offenbar nur an Presse-Wirbel interessiert.
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