Julia Seeliger
  • Zum “Fummel-Paragrafen” …

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    11. December 2007 | Trackback | Internet ausdrucken
    scissors

    wurde ich heute von Stern Online befragt.

    Grünen-Parteiratsmitglied Julia Seeliger bezichtigte die Koalition wegen der geplanten Reform der “Prüderie”. “Das Vorhaben steht für eine Politik, die gegen eine offene und moderne Gesellschaft gerichtet ist”, sagte Seeliger stern.de. “Ich glaube nicht, dass die Koalition eine geistig-moralische Wende einläuten will. Aber von Prüderie kann man sprechen”, sagte sie.

    Die Grünen-Politikerin griff auch Justizministerin Zypries scharf an. “Ich finde es befremdlich, dass sich Frau Zypries nicht an ihre Jugend erinnert. Denn ich glaube nicht, dass sie keinen Sex vor ihrem 18. Lebensjahr hatte oder keinen Jungen angefasst hat”, so Seeliger. Sollten die Änderungen wie vom Justizministerium geplant trotz der Kritik umgesetzt werden, befürchte sie, sagte Seeliger, dass künftig Sexualität zwischen Jugendlichen in Deutschland künftig kriminalisiert werde. Deshalb sehe sie keinen Handlungsbedarf. “Es gibt im bisherigen Regelwerk keine Gesetzeslücken. Um Kinder und Jugendliche vor Missbrauch zu schützen, helfen keine weiteren Verbote. Stattdessen muss es einen gesellschaftlichen Diskurs geben. Das wichtige ist aber, Kinder stark zu machen, so dass sie nein sagen können – dem läuft der Gesetzentwurf aber entgegen.”

    Gestern hatte auch SPIEGEL ONLINE darüber berichtet. Und in meinem Bravo-Kritik-Artikel wurde das Thema schon gestern andiskutiert.

    Was bei der Medienlese auffiel: Stets wird von “Täter” – und nicht “Täterin” – gesprochen, auch die Beispiele waren von klassischen Geschlechterrollen geprägt. Das gilt nicht nur für SPIEGEL ONLINE, von wo das nachfolgende Zitat ist, sondern auch für die Print-Ausgabe der Süddeutschen, die ich heute morgen am Frühstückstisch las.

    Das Streicheln ihrer Brüste etwa könnte schon dann strafbar sein, weil die Einladung dann als “Entgelt” gilt. Geld- oder gar Haftstrafe drohen auch demjenigen, der eine “Zwangslage” ausnutzt – etwa wenn er versucht, mit einer Jugendlichen intim zu werden, die mangels einer Fahrgelegenheit nach einer Party bei ihm übernachtet.

    Unterbewusst werden Mädchen und Frauen somit automatisch als “Opfer” gedacht. Self-fulfilling Prophecy


    Einsortiert: in der presse, netz, vielfalt


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24 Responses to “Zum “Fummel-Paragrafen” …”

  1. Also siehst Du das Problem hier in der “Prüderie”, nicht in der staatlichen Reglementierung zwischenmenschlicher Beziehungen an sich? Oder habe ich das nur falsch verstanden?

  2. Bitte, keine Ideologiedebatte. Dir unterstelle ich, dass du an einer Lösung eventueller, konkreter Probleme nicht interessiert bist, sondern hier nur deinem “Freiheits-Wahn” freien Lauf lassen möchtest. So etwas trägt aber nicht zu einem Fortschritt in der Gesellschaft bei, es trägt nicht dazu bei, dass sich liberales Denken durchsetzt, denn du bleibst auch hier auf der abstrakten Ebene.

    Natürlich ist es notwendig, Altersschranken zu definieren. Ich bin nicht für die Legalisierung der Pädophilie. Es ist notwendig zu verhindern, dass diejenigen, die auf Grund ihrer geistig-sexuellen Nicht-Reife noch nicht bereit dafür sind, von Älteren zu sexuellen Handlungen überredet – wie auch immer – werden. Dafür gibt es Altersschranken. Und deswegen gibt es weitere Regelungen, die Abhängigkeitsverhältnisse regeln.

    Aber, sehr wichtig: ich will nicht, dass Sex an sich für Jugendliche aus der Welt verbannt wird. Jugendliche müssen angstfrei die ersten Erfahrungen machen können, wenn da das Strafrecht im Spiel ist, ist das nicht mehr möglich. Jugendliche müssen sich auch angstfrei und vertrauenvoll an jemand wenden können, wenn sie Probleme haben, welcher Art auch immer, ob es Missbrauch war oder einfach nur eine Erfahrung, mit der sie noch nicht klarkommen. Wenn da das Strafrecht im Spiel ist, wird das schwieriger.

    Überdies sollte man hier auch noch mal deutlich machen, dass in Zeiten des Internet (Stichwort youporn) das alles etwas komplizierter wird mit der Kontrolle und dass man gerade deswegen die Medienkompetenz und die “Nein-Sage-Kompetenz” der Jugendlichen stärken muss. Sie müssen zu einer selbstbestimmten Sexualität erzogen werden, und nicht zu “Kein Sex vor der Ehe”. Doch was das Internet ist, das haben viele PolitikerInnen aus den Volksparteien aber noch nicht so richtig begriffen.

  3. Irgendwann soll uns Jugendlichen nichts anders mehr übrig bleiben als nur noch LERNEN LERNEN LERNEN, möglichst schnell möglichst viel reinpumpen! Keinerlei Ablenkung! Das Leben fängt dann nach der Jugend an.

    Ach, scheiße, sowas hält mich von sinnvollen beiträgen ab.

  4. Ach, scheiße, sowas hält mich von sinnvollen beiträgen ab.

    Ja, das stellt sich mir auch so dar … 😉

  5. ja – manchmal fragt man sich wirklich, wie weit die Realität mancher Politiker noch mit jener übereinstimmt, welche von “normalen” Bürgern wahrgenommen wird. in seltsamen Zeiten werden wohl seltsame Wege beschritten und man beginnt die normalsten Dinge in Frage zu stellen und zu reglementieren – egal wie lächerlich das Ganze ist.

    was hier passiert ist (wie schon von Anderen angemerkt) eine Abschaffung der Jugend – nach dem neuen Gesetz gibt es quasi nur noch Erwachsene und Kinder – mit dem Effekt, dass es kein “Übergangsalter” mehr gibt, sondern nur noch einen harten Bruch von Kindheit zu Erwachsen. Und wenn eine 18-Jährige Sex mit einem 17-Jährigen hat, so wäre das dann quasi Kindesmissbrauch. prima!

  6. Bitte, keine Ideologiedebatte.

    Hier vielleicht nicht hier. Aber an der linksgrünen Mainstreamideologie gibt es genug zu kritisieren. Das muss auch sein.

    Dir unterstelle ich, dass du an einer Lösung eventueller, konkreter Probleme nicht interessiert bist, sondern hier nur deinem “Freiheits-Wahn” freien Lauf lassen möchtest.

    Wie intolerant bist Du eigentlich. Du weißt nichts über mich. Egal, bleiben wir beim Thema. Die Sache ist für mich klar: 1.) Ich habe nichts gegen “Prüderie”. Wer nicht mit jedem/jeder ficken will, sich nicht den ganzen Tag mit Diskussionen unterhalb der Gürtellinie beschäftigen will, mit dem symphatisiere ich, auch wenn ich da nicht ganz so konservativ bin. 2.) Ich habe etwas gegen staatlich verordnete “Prüderie”. Deshalb lehne ich die Reglementierung zwischenmenschlicher Bezeihungen durch den Staat, insbesondere der Intimität, ab. Das halte ich für ziemlich konkret.

    Natürlich ist es notwendig, Altersschranken zu definieren. Ich bin nicht für die Legalisierung der Pädophilie. Es ist notwendig zu verhindern, dass diejenigen, die auf Grund ihrer geistig-sexuellen Nicht-Reife noch nicht bereit dafür sind, von Älteren zu sexuellen Handlungen überredet – wie auch immer – werden. Dafür gibt es Altersschranken. Und deswegen gibt es weitere Regelungen, die Abhängigkeitsverhältnisse regeln.

    Nein, dafür gibt es Eltern, deren natürliches Recht und Pflicht es ist, die Kinder zu erziehen. Auch und gerade betreffend der Sexualität.

    Aber, sehr wichtig: ich will nicht, dass Sex an sich für Jugendliche aus der Welt verbannt wird. Jugendliche müssen angstfrei die ersten Erfahrungen machen können, wenn da das Strafrecht im Spiel ist, ist das nicht mehr möglich. Jugendliche müssen sich auch angstfrei und vertrauenvoll an jemand wenden können, wenn sie Probleme haben, welcher Art auch immer, ob es Missbrauch war oder einfach nur eine Erfahrung, mit der sie noch nicht klarkommen. Wenn da das Strafrecht im Spiel ist, wird das schwieriger.

    Zustimmung.

    “Nein-Sage-Kompetenz” der Jugendlichen stärken muss.

    Durchaus.

    Sie müssen zu einer selbstbestimmten Sexualität erzogen werden, und nicht zu “Kein Sex vor der Ehe”.

    Wenn Jugendliche “Kein Sex vor der Ehe” wollen, dann ist das doch genau so in Ordnung und selbstbestimmt.

    Doch was das Internet ist, das haben viele PolitikerInnen aus den Volksparteien aber noch nicht so richtig begriffen.

    Stimmt.

  7. Wie intolerant bist Du eigentlich. Du weißt nichts über mich.

    Nein, aber ich kenne Deine Kommentare, und wir haben ein paar Mails getauscht. Insofern kann ich schon ein wenig einschätzen, wie Du hier unterwegs bist. Ich hatte übrigens darum gebeten, dass Du nicht immer dein anarchokapitalistisches Blog verlinkst, hm? Ist doch unschön, wenn ich da immer nacharbeiten muss …

    Zum Glück gibt es hier ja die stets offene und nicht moderierte Kommentarfunktion, um Unklarheiten deutlich zu machen. Ach ja, und meine Unfreundlichkeit habe ich sogar in meinen Blog-Regeln niedergelegt, wenn du mit denen nicht einverstanden bist, dann poste doch einfach nicht mehr.

    Das wäre natürlich schade.

  8. Zum Glück gibt es hier ja die stets offene und nicht moderierte Kommentarfunktion, um Unklarheiten deutlich zu machen.

    Immerhin.

  9. Das wäre natürlich schade.

    Sarkasmus?

  10. Sarkasmus?

    Nein, ich bin stets für offene Diskurse, aber mit Niveau. Gerade gleitet das auch wieder in sinnlose Zweiergespräche ab, die nichts mit dem Thema zu tun haben. Ich werde deswegen Deine kommenden Postings, die sich nicht auf das Thema beziehen, löschen.

    Danke fürs beachten. Zum Thema offene Wissensgesellschaft oder Blogosphäre oder Zensur kannst du woanders diskutieren. Versuchs mal mit der Blogsuchmaschine Technorati, da kannst du in Echtzeit Blogs finden, die sich aktuell, gerade jetzt, in diesem Moment mit diesen Themen befassen.

    Danke.

  11. Wenn Jugendliche “Kein Sex vor der Ehe” wollen, dann ist das doch genau so in Ordnung und selbstbestimmt.

    Ich meinte damit eher, dass es zB auch im Sinne der Aids- und U18-Schwangerschafts-Prävention sinnvoll ist, wenn in einer Gesellschaft ein unverkrampfter und aufgeklärter Umgang mit Sex gepflegt wird. Jede und Jeder kann sich auch für “Kein Sex vor der Ehe” entscheiden, aber ich möchte hinterher nicht das Gejammer haben, wenn sich dann irgendwer auf Grund von Inkompetenz mit irgendwas infiziert hat …

    😉

  12. was ist eigentlich an den Worten ‘unter Ausnutzung einer Zwangslage oder gegen Entgelt’ so missverstaendlich oder schwer zu verstehen? Kann mir das jemand erklaeren? Sind Kinosessel Zwangslagen?

  13. Sind Kinosessel Zwangslagen?

    Nein, Entgelt.

  14. ja – ebend. als Entgelt wird jeglicher “geldwerter Vorteil” gewertet – also reicht es schon, wenn die Kinokarte oder die Currywurst bezahlt wird – und schon ist man dran.

    genauso schwammig formuliert ist dieses “sexuelle Handlungen” – denn darunter könnte auch schon ein heftiges Knutschen oder leichtes “Fummeln” fallen.

  15. als info: es gibt einen blog, der sich hauptsächlich mit den änderungen im sexualstrafrecht befasst, und mit der berichterstattung darüber: “schutzalter“. soweit ich weiß ist das der der einzige blog in der art.

  16. auch das ist beliebig weit hergeholt, Julia, und das solltest du wissen. Dieselbe ‘Entgelt/Zwangslagen’-Regelung bestand bisher fuer 14-16-jaehrige pot. Opfer und ueber 18jaehrige potentielle Taeter ohne dass es jemals zu einer Anklage wegen einer Einladung ins Kino und einvernehmlichen sexuellen Handlungen gekommen waere.

  17. naja – offensichtlich wurde ein Beschluss zum Thema ja erstmal verschoben, da Bedarf zur Nachbesserung erkannt wurde.

  18. ja sicherlich, man kann sich fragen, ob das ‘Taeteralter’ derart weit abgesenkt werden sollte, aus meiner Sicht ist aber die Anhebung des Schutzalters auf dem Hintergrund Internet/Kinderprost. o.k.

  19. Das schlimme ist ja, dass ich durchaus 16jährige kenne, die geistig derart weit sind, dass sie kaum Interesse an Altersgenossen entwickeln und gleichzeitig 21jährige, die vermutlich sehr, sehr lange brauchen werden, bis sie “erwachsen” sind – wenn das überhaupt passiert.

    Frau Seeliger, warum sind Sie der Meinung, dass es “natürlich […] notwendig [sei], Altersschranken zu definieren” ? Sollte nicht vielmehr deutliche sexuelle Aufklärung – die sie ja fordern – die *einzige* Maßnahme sein ? Oder anders: Weshalb sollten Jugendliche, die sich als sexuelle Wesen sehen, kriminalisiert werden sofern alles aus freien Stücken passiert ?

  20. Mich erinnert die Geschichte irgendwie an den alten Kuppeleiparagrafen.

    Prüderie scheint mir für diese Entwicklung noch ein zu harmloses Wort, schließlich wird nicht nur in die Rechte Jugendlicher eingegriffen, sondern zugleich wird auch noch die Aufklärung abgeschafft.

  21. ist der umstand, dass von tätern, nicht von täterinnen gesprochen wird, nicht eher dem umstand geschuldet, dass sexualstraftaten fast ausschließlich von männern begangen werden?

  22. @malte

    Vorurteile sind was schönes, nicht wahr? Macht die Welt so schön einfach und man muss nicht nachdenken.

    Es gibt viele Männer, die von ihren Frauen geschlagen werden und sich nicht trauen eine Anzeige zu erstatten, weil sie Angst haben das ihnen keiner glaubt. Und diese Befürchtung ist angesichts von Leuten wie dir durchaus gerechtfertigt. Eine Frau hingegen kann jederzeit behaupten sie wurde vergewaltigt und Niemand wird es in Zweifel stellen.

    TV aus Hirn einschalten!

  23. ich will ja nicht klugscheißern, aber es ist keineswegs so, dass jeder frau geglaubt wird, wenn sie sexuelle übergriffe mit rechtlichen mitteln angreift.
    es ist noch nicht lange her, dass die forensik sich mit diesen fragen beschäftigt und das strafrecht in die richtung reformiert wird. nun gibt es mittlerweile – oder soll es geben – speziell ausgebildete ansprechpartnerinnen in behörden, die für fälle, in denen sexualisierte gewalt eine rolle spielt, erste anlaufstelle sind. auch lassen zeugInnenregelungen, ausbildung von polizei, anwältInnen und richterInnen in dieser hinsicht noch zu wünschen übrig.
    also abgesehen von mangelnder sensibilität in der strafverfolgung glaubt den betroffenen auch innerhalb von verwandten- und freundeskreis keineswegs jedeR, wenn du jemanden eines übergriffes anklagst, auch wenn du weiblichen geschlechts bist.
    das mag auch damit zusammenhängen, das betroffene die geschichte oftmals selbst nicht glauben 😉

  24. @Malte: “ist der umstand, dass von tätern, nicht von täterinnen gesprochen wird, nicht eher dem umstand geschuldet, dass sexualstraftaten fast ausschließlich von männern begangen werden?”

    Auch, da Zypries diese Gesetzesverschärfung u.a. damit begründet, dass Minderjährige vor dem Abrutschen in die Prostitution geschützt werden sollen, ist die Täter-Opfer-Rolle nicht mehr ganz so klar.

    “Der Eingeladene muss also die sexuellen Kontakte nur deshalb zulassen, weil er dafür Geld oder einen sonstigen Vorteil bekommt.”*

    Wer ist FreierIn, wer ProstituierteR, wenn Kinobesuch gegen Körperkontakt getauscht wird? ‘Bezahlt’ das Mädel ihren Schwarm mit ‘nem Blowjob, weil er sie auserwählt hat? Wird sie von ihm ausgenutzt? Er von ihr? Alle beide vom jeweiligen Freundeskreis, weil um Geld gewettet wurde, dass es zum GV kommt?

    Das Wörtchen ‘nur’ in ihrer vermeintlichen Klarstellung wird dazu führen, dass im Zweifelsfall beide Parteien einander beschuldigen werden, nur auf den Geld bzw. Vorteil aus gewesen zu sein.

    Also zum Beispiel, weil der lookistisch bedingte Marktwert des Mädchens seine Kumpels beeindruckt. Weil sie als ‘schwer zu knacken’ galt, er es aber dennoch geschafft hat. Oder weil sie ihm (oder ihr!) sonst nicht bei den Hausaufgaben geholfen hätte.

    Aus billigen Jugendserien-Klischees werden handfeste Straftaten gezimmert, die alle BetroffInnen lebenslang begleiten. Sexualstraftäter-Registereintrag für alle!

    “‘Es ist verantwortungslos, unsere redlichen Bemühungen, Kinder vor Prostitution zu schützen, durch gezielte Falschinformationen zu diskreditieren’, betonte Zypries.”*

    Gezielte Falschinformationen? Vor allen Dingen, ey! Seit wann ist die Kritik an schwammigen und dadurch gemeingefährlichen Formulierungen verantwortungslos?

    (*Quelle: BMJ-Pressemitteilung vom 10. Dezember 2007)