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Cicero nicht zu Hause im Netz
21Wie mir kürzlich ein Freund mitteilte, hat die Cicero ein Zitat aus meinem Blog übernommen. Das ist sehr freundlich – jedoch haben die findigen Journalisten “vergessen”, dass jenes Zitat mit Netzjargon-Zeichen getagt war.
“Dann müssen die Stimmen von Ostpreußen und Schlesien aber bitteschön uns zugeschlagen werden!”
Das ganze hatte ich garniert mit einem fettgeschriebenen /zyn off, was die Cicero-JournalistInnen entweder ignorierten – oder aber gar nicht kannten. Ich bin mal freundlich und nehme an, dass eine konservative Zeitschrift wie die Cicero einfach nicht so im Netz zu Hause ist, ja ihr ganz einfach die Modernität abgeht.
Boshaftigkeit möchte ich der Cicero nicht unterstellen.
Einsortiert: julia in der presse, netz
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21 Responses to “Cicero nicht zu Hause im Netz”
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Christoph
> Das ganze hatte ich garniert mit einem fettgeschriebenen /zyn off,
Wie hat man sich früher nur jahrundertelang schriftlich verständigt, als solche Bezeichnungen noch nicht üblich waren?
Ich finde sowas albern, wie Überschriften nach dem Motto “Vorsicht: Satire” und dergleichen. -
Hallo Christoph,
das ist genau, wie bei der genannten Bemerkung im mündlichen Gespräch die Augenbraue hochzuziehen. Ironie zu verstehen ist auch ein Kennzeichen von Intelligenz.
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Christoph
> Ironie zu verstehen ist auch ein Kennzeichen von Intelligenz.
Deshalb gibt es ja eine Fülle modischer Bezeichnungen (“Ironiemodus aus” und ähnlicher Stumpfsinn) sowie unzählige Emoticons, die sich offenbar an ein anderes Publikum wenden.
Durch den ständigen Gebrauch dieser Elemente kann man mittlerweile fast nicht mehr anders, als sie auch zu verwenden. Das ist schade.Früher wurde reiner Text besser verstanden. Auch ohne Erläuterungen. Die Kultur des geschriebenen Wortes geht da ein bißchen unter.
Außerdem: Wenn die genannten Methode, der Wink mit dem Zaunpfahl für die ganz Blöden, nicht mal funktioniert (s. Cicero), dann kann man sie sowieso sein lassen.
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Das Problem ist, dass wir hier halt eine andere Form der Kommunikation haben – Ironie kommt durch den Tonfall, die Art wie man es gestisch vermittelt oder auch einfach nur durch die “Augenbraue” halt im normalen Leben durchaus an. Rein schriftlich ist das eine Spur schwieriger, da muss man schon eine Zeitlang einen Autoren mitgelesen haben, dessen Formulierungen kennen. Offensichtliche Satire als solche im Netz zu erkennen, dass ist nicht das Problem, aber die feine Art der Ironie verliert beim Übertragen ins schriftliche – und neben dem Ironie-Detektor-Plugin für Firefox – ja, das gibts 😉 – braucht man halt dafür viel Erfahrung und muss den Betreffenden eine Weile gelesen haben. Und ich nehme nicht an, dass die Redaktion des Cicero hier ständig mitliest. Die wußten es halt nicht besser. Werden vermutlich aber auch nicht unbedingt reagieren wenn hier darüber diskutiert wird, wenn doch hätten sie meinen Respekt.
Ich nehme mal auch stark an dass sie wenigstens die Quelle genannt haben? Das Blog? Das vergessen Zeitungen für gewöhnlich recht gerne…
Ad Astra -
Die Ironie war durch entsprechende “Tags” gekennzeichnet. Ganz “normal” für Leute, die sich nur ein wenig im Netz auskennen. Aber allzu viel Netzkompetenz kann man ja bei vielen Menschen nicht erwarten … Siehe “Kinder befragen Politiker nach dem Internet”, wo unter anderem herauskam, dasss die Justizministerin nicht weiß, was ein Browser ist.
Aber mir wird bei solchen Vorfällen auch wieder klar, wie wenig manche Leute über das Netz wissen.
Allzu schlimm war das eh nicht, ich denke nicht, dass die Cicero und ich uns viel zu sagen haben. Nur schade, dass sie die Kunst der Recherche fürs digitale Zeitalter noch nicht gerafft haben.
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Christoph
> Ironie kommt durch den Tonfall, die Art wie man es gestisch vermittelt oder auch einfach nur durch die “Augenbraue” halt im normalen Leben durchaus an. Rein schriftlich ist das eine Spur schwieriger, da muss man schon eine Zeitlang einen Autoren mitgelesen haben, dessen Formulierungen kennen.
Nein, das muss aus dem Text selbst sowie aus dem Kontext ersichtlich sein. Der Rest sind Missverständnisse, die halt entstehen, wenn auf dem Kaffeebecher nicht “Achtung: Heiß!” steht.
Diese ganzen Emoticons und Tags sind allesamt aus den USA importiert, stammen vermutlich ursprünglich von Computer-Nerds, die sowieso Kommunikationsprobleme haben.
> Die Ironie war durch entsprechende “Tags” gekennzeichnet.
Am besten meterhohe Warnschilder.
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Erika
Prinzessin auf der Erbse
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Pascal Hesse
> Prinzessin auf der Erbse
Ich frage mich in wie weit der Kommentar an die Diskussion anknüpft. Jedenfalls ist das in meinen Augen nicht ersichtlich. Ich nehme aber mal an, dass eine BIO-Erbse gemeint ist dann jedenfalls wäre ein möglicher Zusammenhang zu Julia herzustellen, zumindest zu ihrer Art von Ironie, frech und kritisch.
Zurück zum Thema:
Boshaftigkeit möchte man natürlich niemandem unterstellen.Dennoch wäre es begrüßenswert, wenn die verantwortlicheN JournalistInnen der Cicero ein wenig mehr Professionalität an den Tag legen sollten: Das Werkzeug von JournalistInnen ist nunmal die Recherche und wer sich mit politischen Themen befasst und Meinungen und Zitate wiedergibt, sollte dieses Grundwerkzeug beherrschen, ansonsten ist sie oder er die falsche Person in diesem Beruf.
Ein Zitat, aus dem Kontext gerissen und von seinem ironischen Charakter befreit erfährt eine völlig andere, gegensätzliche Bedeutung.
Ich finde diese Vorgehentsweise jedenfalls provozierend und für Medien, die sich selbst als professionelle Medien verstehen, als äußerst unprofessionell. Meinungsbildung bedeutet ja schließlich nicht, dass Meinungen dem konservativen Klientel der Cicero angepasst werden sollen, sondern so bleiben wie sie sind!
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Ein Zitat, aus dem Kontext gerissen und von seinem ironischen Charakter befreit erfährt eine völlig andere, gegensätzliche Bedeutung.
ebend.
Und der Erika’sche Auswurf ist aus meiner Sicht völlig überflüssig. Wohl mal wieder so nen Blog-Troll.
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Hacker
Die Syntax war nicht korrekt.
So waers korrekt gewesen
[zyn]
Mein Vorschlag: Merkel könnte ja kontern mit:
“Dann müssen die Stimmen von Ostpreußen und Schlesien aber bitteschön uns zugeschlagen werden!”
Um das ganze auf die Spitze zu treiben, wäre es auch noch möglich, dass wir jetzt um die Toten aus dem Gebiet des “Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation” feilschen.
[/zyn]
Anweisungen die nicht gegeben wurden, lassen sich nur schlecht beenden, da hilft auch das doppelgemoppel aus “slash” plus “off” dann nix mehr ..
😉
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schon richtig, (benutze sowas ja auch hier in diesem blog) jedoch kenne ich das mit dem “/zyn off” auch als “nur geschlossenes tag”.
man muss doch auch die web-alltagssprache beachten, die verkürzter sein kann als die web-hochsprache.
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Da muss ich aber Nummer X mal recht geben – in Zukunft werden Texte noch viel mehr von maschinellen System ausgewertet werden, und dem muss man nun einmal mitteilen, wo der Zynismus anfängt, und wo er aufhört.
Trotz des hohen Spaßanteils meine ich das vollkommen ernst – wo kein Anfang erkennbar ist, fällt die Einordnung nicht ganz so leicht.
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Der Kommentar war auch mit Ironie-Tag zumindest unglücklich. Der rethorische Amnoklauf der ponischen Brüder war zwar auch befremdlich, ihr Anliegen jedoch durchaus vernünftig und legitim und nicht so lächerlich wie das ab und an dargestellt wurde.
Und die Befangenheit gegenüber Deutschland sollte man als Grünen Politikerinn sehr ernst nehmen und die schnippigen Kommentare dann vielleicht einfach lassen. Unter Rot-Grün wurde nicht zuletzt die Ostseepipeline beschlossen. Eine, diplomatisch ausgedrückt, unsensible Sache das.
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Ich nehme die Befangenheit ernst und kann das durchaus in einen historischen Kontext stellen.
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K.
..stimme hier mit fpk voellig ueberein, die Diskussion ueber Nebensaechlichkeiten wie web-Syntax verdeckt kaum, dass Julias Reaktion im Grunde genommen eine Instinktlosigkeit war, immerhin hat sie das ja als oeffentliche Person geaeussert. Julias Reaktion suggeriert subtil, das kann man drehen und wenden wie man will, dass Deutsche heute den Zweiten Weltkrieg ja auch als ein Nullsummenspiel einstufen koennten, insbesondere wenn ‘die Polen’ ihnen krumm kommen, das halte ich fuer ziemlich bedenklich. Julias Reaktion zeigt auch, dass sie keine wirklichen Kontakte nach Polen hat, als junger Pole in Deutschland ist man auch heute, und zwar auch in gebildeten Kreisen, tendenziell Vorbehalten ausgesetzt, viele, insbesondere junge, Polen hassen die derzeitige politische Situation in Polen, aber Julias Reaktion haette auch ihnen den Magen umgedreht.
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Christoph
> man muss doch auch die web-alltagssprache beachten, die verkürzter sein kann als die web-hochsprache
Und richtige Sprache kann man am Ende gar nicht mehr…
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Christoph
> und die schnippigen Kommentare dann vielleicht einfach lassen.
Ist “schnippig” die verkürzte Web-Form von “schnippisch”?
Nein, warum sollte sie. Den politischen Kommentar “Die Forderung der Kartoffel-Zwillinge ist genau so absurd, als würde Deutschland…” halte ich für völlig angebracht.
> Julias Reaktion im Grunde genommen eine Instinktlosigkeit war
Ach was. Das war einfach ein sarkatischer Kommentar. Wie sollte man sonst adäquat reagieren?
Es wäre doch langweilig gewesen, hätte Julia sich in staatstragendem Diplomatendeutsch geäußert. -
Das Geschickte an Julias Aussage scheint mir doch zu sein, daß sie eben keinen objektivierbaren Hintergrund hat. Einfach weil das Argument von Kaczyński so daneben ist.
Die objektive Antwort auf das Argument wäre natürlich gewesen, daß es ohne Zweiten Weltkrieg heute auch viel mehr Deutsche gäbe und überhaupt viel mehr Europäer, so daß Polen auch kein größeres Stimmengewicht hätte. Mal abgesehen davon, daß er meines Wissens nirgendwo vorgerechnet hat, wie er auf die 66 Milliomen kommt. Hat er da die ganzen nationalen Minderheiten mitgerechnet, die Polen vor dem Krieg hatte?
Aber das ist eigentlich auch egal. Weil man sich mit so einer Argumentation selber auf Kaczyński’sches Niveau begibt. Den kann man entweder ignorieren oder ihm mit Zynismus begegnen.
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K.
(wer viel sieht, sieht viel schlechtes)
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ich habe kontakte zu jungen pol/innen. außerdem gibt es seit etwa einem jahr zahlreiche beiträge zu diesem thema (deutsch-polnisches verhältnis) in zeitungen, im radio und im fernsehen.
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K.
ah, und wie hat sich dies in dieser Diskussion niedergeschlagen, wie kam es also zu dieser Entgleisung: die ‘Gefallenen des hl. roemischen Reiches’? Deutscher Revisionismus des Schlages ‘wikipedia’ wird totgeschwiegen, gerechtfertigte polnische Erinnerung an Vergangenes -von wem auch immer- wird der Laecherlichkeit preisgegeben, Hast du das jetzt eigentlich begriffen, dass deine Aeusserungen nur schwach verhuellten Chauvinismus und eine herzliche Gleichgueltigkeit spiegeln, ebenso im uebrigen wie der Verweis eines anderen Kommentators hier auf die angeblich antisemitischen Waehler in Polen: die Deutschen waren schon immer die Gerechten, sie hatten nur das Pech, am falschen Ort zur falschen Zeit gewesen zu sein, damals, in grauen Vorzeiten, als das Land sich grau gegen den Donnerhall der Vaeter abzeichnete. Das Grundthema ALLER deutscher blogs scheint mir zu sein, auf den Abgrund der Unzivilisiertheit jenseits des deutschen Dorfes hinzuweisen, die politische Richtung determiniert lediglich die Richtung der Hybris: alles hat seine Zyklen.