Julia Seeliger



14 Responses to “Homo-Orden von queer.de”

  1. In dem queer.de Artikel fand ich folgenden von Julia mitgetragenem Papier:
    “Viel mehr als die bürgerliche Ehe wünschen sich viele Menschen Beziehungen auf Zeit, Beziehungen mit mehr als nur einer Person, Freundschaften mit Sex.”

    Mir ist schleierhaft, wie man sich zu einer solchen Aussage hinreißen lassen kann. Wie “viele Menschen” wünschen sich das denn? Ziemlich sicher ganz viele kombiniert mit 14-tägigem Umtauschrecht ohne Angaben von Gründen oder mit 100%-igen Leasingangeboten zur Abschöpfung von Steuervorteilen.

    Freiheit oder Unverbindlichkeit zum Selbstkostenpreis sind so einfach zu haben, aber dann auch irgendwie hohl. Außerdem hatten wir das doch schon mal…

  2. Ich lese nicht daraus, dass Julia jemanden zwingen möchte, eine bestimmte Lebensform zu wählen. Mir ist der Aspaekt sehr sympathisch, dass jeder und jede Selbstbestimmt wählen soll, welche Lebensform für das eigene Leben am Besten geeignet ist. Und die gesetzlichen Rahmenbedingung diese Wahlfreiheit unterstützen und nicht nur eine Möglichkeit offen lassen.

  3. Beziehungen auf Zeit, Beziehungen mit mehr als nur einer Person, Freundschaften mit Sex…
    Diese “alternativen” Beziehungsmodelle sind sicher nicht dazu geeignet, die Gleichberechtigung von Frau und Mann zu fördern (sie sind eher verwandt mit männlichen Macho-Fantasien – daher auch das Interesse der BILD). Viele Männer haben sicherlich nichts gegen einen konsumorientierten Begriff von sexueller Freiheit einzuwenden. Es ist allerdings recht unwahrscheinlich, dass solche lockeren Beziehungen “auf Zeit” dazu führen, dass Männer dauerhaft Energie, Zeit und Geld in Kinder investieren. Solche “alternativen” Beziehungsmodelle führen dazu, dass sich letztendlich die Frauen auf Kosten ihrer Selbstentfaltung/ Karriere um die Kinder kümmern oder sie eben ganz auf Kinder verzichten. Dass Beziehungen mit begrenzter Halbwertszeit – im Gegensatz zu dauerhaften, gleichberechtigten Lebenspartnerschaften gleich welcher Art – weder im Sinne des Staates, noch im Sinne der Gleichberechtigung förderungswürdig sind, liegt auf der Hand.
    Zudem stellt sich die Frage, inwieweit die “alternativen” Beziehungsmodelle (unverbindliche Beziehungen auf Zeit, Freundschaften mit Sex, etc.) gerade deshalb so massiv durch die Massenmedien propagiert werden, weil sie den Bedürfnissen des Kapitalismus nach zeitlicher und räumlicher Flexibilität der Arbeitskräfte entsprechen. Auf Dauer soll der Bürger seiner Liebesfähigkeit beraubt werden, um möglichst ungebunden jederzeit flexibel die Anforderungen des Arbeitsmarktes erfüllen zu können.
    Freie Liebe ist konsumorientiert, ökonomisch begründet und fördert die Benachteiligung von Frauen in der Gesellschaft!

  4. ein gewisser ‘beziehungspessimismus’ ist sicherlich angebracht, weil zu oft bewiesen worden ist, dass freiheiten – besonders von männern, aber sicher nicht nur – missbraucht werden. warum allerdings muss man sich ausschließlich an einer tradition festhalten, die heute nicht mehr wirklich funktioniert? 30% der ehen werden geschieden. es gibt immer mehr patchwork-familien. die verantwortung für kinder wird heute immer häufiger (auch vernünftig) zwischen beziehungspartnern und ex-beziehungspartnern geteilt. und selbst wenn offene beziehungen kürzere ‘lebenserwartungen’ haben (sollten) als manifestierte partnerschaften/ehen, für diese ‘lebenszeit’ übernehmen die beziehungspartner verantwortung füreinander, die letztlich auch immer wieder den staat entlastet.

    diese gesellschaftliche entwicklung muss ja nicht jedem gefallen, aber sie ist nun mal realität. und politik sollte sich doch eigentlich den realitäten stellen. was ja nicht heisst, dass sie opportunistisch werden muss (wenn sie es in vielfacher hinsicht nicht schon lange wäre).

  5. > Viele Männer haben sicherlich nichts gegen einen konsumorientierten Begriff von sexueller Freiheit einzuwenden.

    Darum geht es aber bei der Forderung nach mehr Selbstbestimmung und Wahlfreiheit nicht. Es geht noch nicht einmal in erster Linie um Sex. Denn beim Sex war Monogamie sowieso noch nie die Realität. Es geht um den staatlichen Umgang mit unterschiedlichen Formen und Partnerschaft und darum, auch mal eingetretene Pfade zu verlassen und offen zu denken.

    > Es ist allerdings recht unwahrscheinlich, dass solche lockeren Beziehungen “auf Zeit” dazu führen, dass Männer dauerhaft Energie, Zeit und Geld in Kinder investieren.

    Was ist das denn für eine soziobiologistische Primitivargumentation?
    Die Frau muss sich also gewissen bürgerlichen Partnerschaftsvorsstellungen unterwerfen, damit der Mann sich erbarmt, für ihre Kinder zu sorgen? Dann doch lieber “Gebärstreik”.
    Zumal es hier um Partnerschaften zwischen Menschen geht und nicht um das Zusammenleben mit Kindern.

    > Solche “alternativen” Beziehungsmodelle führen dazu, dass sich letztendlich die Frauen auf Kosten ihrer Selbstentfaltung/ Karriere um die Kinder kümmern

    Häh??? Du beschreibst hier die Folgen der klassischen Hetero-Zweierbeziehung bzw. Ehe und die von ‘alternativen’ Modellen.

    > Dass Beziehungen mit begrenzter Halbwertszeit – im Gegensatz zu dauerhaften, gleichberechtigten Lebenspartnerschaften gleich welcher Art – weder im Sinne des Staates, noch im Sinne der Gleichberechtigung förderungswürdig sind, liegt auf der Hand.

    Beim Eingehen einer Beziehung kann niemand sagen, von welcher Dauer diese sein wird. Das gilt auch für eine Ehe.
    Was daran “dem Staat” oder der Gleichberechtigung schaden soll, bleibt im Dunkeln.

    > inwieweit die “alternativen” Beziehungsmodelle (unverbindliche Beziehungen auf Zeit, Freundschaften mit Sex, etc.) gerade deshalb so massiv durch die Massenmedien propagiert werden, weil sie den Bedürfnissen des Kapitalismus nach zeitlicher und räumlicher Flexibilität der Arbeitskräfte entsprechen. Auf Dauer soll der Bürger seiner Liebesfähigkeit beraubt werden, um möglichst ungebunden jederzeit flexibel die Anforderungen des Arbeitsmarktes erfüllen zu können.

    Das klingt wie in den 70ern von der SED verfaßt. Spießertum und Pseudosozialismus in unheilvoller Kombination.
    Und das klassische bürgerliche Ehegefängnis ist bestimmt kein Instrument zum Ausbau von “Liebesfähigkeit”.
    Dass der lebenslange Arbeitsplatz und die lebenslange PartnerIn nicht mehr als Idealbild des erfüllten Lebens gilt, ist Ergebnis gestiegener Bildung und gestiegener (sozialer und geographischer) Mobilität.

    > Freie Liebe ist konsumorientiert, ökonomisch begründet und fördert die Benachteiligung von Frauen in der Gesellschaft!

    Und unfreie Liebe fördert Frauen in der Gesellschaft? Was für ein Murks!

  6. Weswegen ich meinen ersten Kommentar verfasst habe, liegt zum einen an der Beliebigkeit, die doch “so irgendwie” nach Freiheit und Selbstbestimmung klingt. Dass man beim Eingehen einer Beziehung aber eine noch so kleine Verantwortung eingeht, bleibt völlig außen vor. Dass zum anderen der Aspekt der dann geforderten Gleichberechtigung verloren geht, ist auch klar, da stimme ich nothing völlig zu.

    Warum man sich dagegen als Politiker den gesellschaftlichen Bedingungen unterwerfen sollte wie birgit einbrachte, ist mit Verlaub ein Trugschluss. Wenn ich mich “den Realitäten stellen” will, dann sollte ich – und gerade die Grünen wollten das immer vorleben – gesellschaftliche Veränderungen, die ich daraus ableite, vorantreiben. Wenn sich Ärzte den Umständen zu unterwerfen würden, unterbliebe folglich bei 70%-iger Überlebenschance die angesetzte Operation.

    Wiegesagt Beliebigkeit: Wenn ich keine Lust habe, wechsele ich halt, schau mal ganz kurz weg und cruise durch meinen nächsten Imagewechsel. Warum soll ich auch meine sonstige Zielen nachhaltig verfolgen, wenn ich doch bei meinem Leben, meinen Beziehungen auf Zeithäppchen setze?

  7. Immerhin, Julia hat den Aufmacher geändert: Gestern hat sie sich noch “riesig gefreut” über den Homo Orden – jetzt ist nichts mehr davon übrig. Beliebigkeit…

  8. Bei der Grünen Jugend steht, es gehe um ein “Zivilpakt-Modell nach französischem Vorbild”, “bei dem jede und jeder anderen ganz bestimmte Rechte und Pflichten übertragen kann.”

    Es geht also darum, Menschen ZUSÄTZLICHE Möglichkeiten zu geben, sich mit anderen Menschen zusammenzutun und dabei eben auch gegenseitige PFLICHTEN (Verantwortung!) zu übernehmen. Dieser Vorstoß bedeutet also nicht etwa weniger, sondern MEHR offizielle Verantwortung für Menschen in Nicht-Standard-Beziehungskonstellationen. Und das finde ich gut!

    Meinen herzlichen Dank daher an Julia Seeliger und an die Grüne Jugend für diesen Vorstoß!

  9. Gegen die Vorschläge ist nichts einzuwenden. Das Ehegattensplitting wird mit zweifelhaften und überholten Argumenten begründet. Das Geld könnte sinnvoller in Kinderbetreuungsmöglichkeiten investiert werden, um Alleinerziehende und berufstätige Eltern besser zu unterstützen. Ich halte es auch nicht für angebracht, dass kinderlose heterosexuelle Beziehungen im Vergleich zu homosexuellen Beziehungen bevorzugt werden. Gerade deshalb halte ich es für eine Katastrophe, wenn solche sinnvollen politischen Positionen damit begründet werden, die Menschen wünschten sich Polygamie und unverbindliche kurzfristige Beziehungen, denn 1) das geht am Thema vorbei, 2) die meisten Menschen haben andere Probleme, 3) man bietet der BILD-Zeitung eine Steilvorlage und eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema wird verhindert.

    @ Christoph: Um meinen Punkt ein wenig klarer zu machen: Gegen Beziehungen auf Zeit, Beziehungen mit mehr als nur einer Person, Freundschaften mit Sex… ist überhaupt nichts einzuwenden, allerdings ging es in dem Papier um die staatliche Unterstützung/ Anerkennung von Partnerschaften und hier liegt es auf der Hand, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, ob man sich dafür entscheidet, sich sein Leben lang füreinander einzusetzen oder ob man eher eine Freundschaft mit Sex pflegt. Macht man hier keinen Unterschied, geht man von einem völlig falschen Menschenbild aus. Gerät ein Partner in eine Notlage, ist es sehr wohl ein Unterschied, ob man beispielsweise verheiratet ist oder eine Beziehung auf Zeit, Freundschaft mit Sex pflegt. In welchem Fall wird man wohl eher für seinen Partner einstehen? Ein anderes Beispiel: Beziehungen auf Zeit, mit mehr als einer Person, Freundschaft mit Sex sind wunderschön, plötzlich wird die Frau schwanger, sie möchte das Kind bekommen. Wie wahrscheinlich ist es, dass sich in diesen “alternativen” Beziehungsmodellen Männer und Frauen gleichberechtigt um das Kind kümmern? In einer feministisch verklärten Welt ist es den Männern wahrscheinlich egal, ob das Kind biologisch das ihre ist oder nicht, bereitwillig schränken sie ihre Arbeitszeit ein, um öfter Windeln wechseln zu können… Aber das ist zu bezweifeln. Das ist keine soziobiologistische Primitivargumentation, sondern gesunder Menschenverstand.
    Nebenbei: Der Ausdruck “freie Liebe” war ironisch gemeint, die “freie Liebe” ist ungefähr genauso frei wie die FDP freiheitlich. Wenn zwei Menschen sich dafür entscheiden, füreinander einzustehen und sich umeinander zu kümmern, hat das Respekt verdient. Wenn man diese mutige Entscheidung als “bürgerliches Ehegefängnis” diffamiert, beleidigt man damit viele Leute.
    Außerdem gebe ich zu bedenken, dass die Polygamie traditionell mit der Unterdrückung von Frauen verbunden ist (auch heute noch).

  10. > Gerät ein Partner in eine Notlage, ist es sehr wohl ein Unterschied, ob man beispielsweise verheiratet ist oder eine Beziehung auf Zeit, Freundschaft mit Sex pflegt. In welchem Fall wird man wohl eher für seinen Partner einstehen?

    Eine Ehe und eine “Beziehung auf Zeit” unterscheiden sich in dieser Hinsicht nicht. Und “Freundschaft mit Sex” kann sehr wohl hinreichend sein, um für jemanden einzustehen. Außerdem vergrößert sich in solchen Beziehungsmodellen die Zahl derjenigen, die für einen einstehen können, was auch eine Lastenverteilung ermöglicht.

  11. > Wie wahrscheinlich ist es, dass sich in diesen “alternativen” Beziehungsmodellen Männer und Frauen gleichberechtigt um das Kind kümmern?

    Im klassischen Beziehungsmodell Ehe ist die Wahrscheinlichkeit gering. Warum sollte das in “alternativen” Modellen schlimmer sein?
    Das Problem sollte v.a. durch bessere Betreuungsmöglichkeiten für Kinder angegangen werden, damit eine Mutter gar nicht erst in die Abhängigkeit von irgendwelchen Männern gerät.

    > In einer feministisch verklärten Welt ist es den Männern wahrscheinlich egal, ob das Kind biologisch das ihre ist oder nicht, bereitwillig schränken sie ihre Arbeitszeit ein, um öfter Windeln wechseln zu können… Aber das ist zu bezweifeln. Das ist keine soziobiologistische Primitivargumentation, sondern gesunder Menschenverstand.

    Deiner Meinung nach sollte man das Zusammenleben so strukturieren, dass sich Männer sich erbarmen und herablassen, an der Erziehung von Kindern mitzuwirken. Wenn das ‘gesunder Männerverstand’ sein soll, dann gute Nacht.

    > Außerdem gebe ich zu bedenken, dass die Polygamie traditionell mit der Unterdrückung von Frauen verbunden ist (auch heute noch).

    Bei den ‘alternativen Beziehungsmodellen’ sofort an Paschas und Harems zu denken, ist Ausdruck mangelnden emanzipatorischen Vorstellungsvermögens. Hier geht es um das selbstbestimmte Zusammenleben freier Menschen.
    Außerdem ist auch die Monogamie traditionell mit der Unterdrückung von Frauen verbunden.

  12. > Wie “viele Menschen” wünschen sich das denn? Ziemlich sicher ganz viele kombiniert mit 14-tägigem Umtauschrecht ohne Angaben von Gründen oder mit 100%-igen Leasingangeboten zur Abschöpfung von Steuervorteilen.

    Es ist Unsinn, moderne mehrfache Beziehungen gleichzusetzen mit Unverbindlichkeit oder alttestamentarischer Polygynie. Bei den hier vertretenen politischen Positionen geht es unter anderm um Lebensgemeinschaften. Ohne hier für die Grüne Partei sprechen zu wollen: Es gibt nicht wenige Menschen, die polygam (oder genauer: polyamor) leben, und diejenigen die in engeren Gemeinschaften leben, suchen sich ihre Partner sehr genau aus. Denn auch wenn Mutter Natur die Gattung Mensch nicht sehr monogam gestrickt hat: Trennungen aus engen Bindungen tun weh.

    Was ich aber zum Schreien finde, ist wie Männer erklären wollen, daß ein Abrücken von monogamen Normen ein Nachteil für Frauen sei. Das ist purer Paternalismus. Die Rede ist hier nicht vom alttestamentarischen Hof König Davids, sondern von modernen gleichberechtigten Beziehungsformen. Die monogamen Normen wurden immer wieder von Männern mit oft erschreckender Gewalt gegen Frauen durchgesetzt, und Fremdgehen und Doppelmoral gehören zur bürgerlichen Gesellschaft untrennbar dazu. Und es ist ganz bestimmt kein Wunder, daß es zu einem überwiegenden Teil Frauen sind, welche die Protagonisten in der amerikanischen und europäischen Polyamory-Bewegung sind.

    Seht mal: http://www.outrageousintimacy.com/

    Viel wichtiger als wer mit wievielen (denn auch wer in meinem Bett schläft, geht nur mich und meinen engsten Kreis etwas an) finde ich aber die Frage der Gerechtigkeit:

    Warum zum Teufel soll z.B. eine alleinerziehende Mutter, die mit einem siebenjährigen Sohn knapp an der Armutsgrenze lebt, oder ein Mann, der seine nichteheliche arbeitslose Partnerin mitunterhält, auch noch den Steuervorteil mitfinanzieren, den ein kinderloses verheiratetes Paar durch das Ehegattensplitting hat? Warum geht ein Mann, der heiratet und Vater wird, das Risiko ein, bis zur Rente für den Lebensunterhalt nicht nur der Kinder sondern auch einer gut ausgebildeten Frau aufkommen zu müssen? Warum muß dieser Staat die Bildung von ökonomischen Abhängigkeiten und überkommenen Rollenmustern noch aktiv unterstützen und eine der rückständigsten Familienpolitiken in ganz Europa machen? Warum soll es gut für Kinder sein, daß wenn die Eltern sich trennen und neue Beziehungen eingehen (und das kann in der heutigen Gesellschaft niemand verhindern und ist, neben antrophologischen Grundgegebenheiten, begründet in der wachsenden ökonomischen Unabhängigkeit von Frauen, wie zum Beispiel die Untersuchungen von Helen Fisher zeigen) , daß dann alle Verbindungen gekappt werden zum anderen Elternteil und ehemaligen Lebenspartner?

    Vorgeblich dient das alles dem Schutz der Familie und der Kinder – tatsächlich tragen die Kinder eine große Menge ziemlich unnötigen Leids. Der Versuch, die Probleme heutiger komplexer Familien durch Rückgriff auf “traditionelle Werte” zu lösen, ähnelt dem Unterfangen, rausgequetschte Zahnpaste durch reine Willenskraft zurück in die Tube zu befördern. Es ist letztlich zutiefst unehrlich, denn es erklärt die Probleme und die Schmerzen der sehr, sehr großen Zahl von Menschen, die nicht in diese Norm passen, für nicht existent, und ist damit eine Form von Leugnung der Realität.

    Und abgesehen von den Frauen – ich bin keine, und sehr viele Männer würden gern ein ganz anderes Leben führen, als tagtäglich, 40 oer 50 Stunden die Woche, einen langweiligen, von Konkurrenz, Hierarchie und menschlicher Einsamkeit geprägten Arbeitsalltag durchzustehen, der für eine persönliche Entfaltung so gut wie keinen Platz läßt.

    > Wenn zwei Menschen sich dafür entscheiden, füreinander einzustehen und sich umeinander zu kümmern, hat das Respekt verdient.

    Natürlich. Und wenn drei das tun, nicht ?

    Niemand bestreitet, daß mehr Freiheit auch mehr Verantwortung bedeutet. Und zwar an allererster Stelle für sich selbst, denn das ist die Voraussetzung dafür, Verwantwortung für andere zu tragen. Alternative Beziehungsformen sind nicht leichter, aber es gibt eine Menge Menschen, denen sie viel besser entsprechen — viele bleiben in den Grenzen alter Vorstellungen wie in einem mentalen Gefängnis, und die meisten Menschen, die sich in Patchworkfamilien wiederfinden, haben es sich nicht einmal ausgesucht und fühlen sich schlecht dafür. Eine solidarische Gesellschaft würde solche Menschen unterstützen, anstatt ihnen unter die Nase zu reiben, daß sie die Norm verfehlt haben. Eine solidarische und intelligente Gesellschaft würde JEDES Kind als gleich wertvoll fördern.

    Johannes

  13. Naja, nach den Kommentaren, die dort kamen, würde ich das “riesig gefreut” auch nicht mehr schreiben wollen. Sowas kann man natürlich als Beliebigkeit auslegen. Aber man kann auch fast alles überall hineininterpretieren, wenn man unbedingt will. Sagt dann meist mehr über den Interpreten aus als über den Gegenstand seiner Betrachtung…

  14. ..es ist leider nichts ganz neues, dass sich sich einige Homos lieber mit der CDU, der Kleinfamilie als mit dem Bewusstsein ‘anders’ zu sein, sich gegenueber den Wahrheiten von Kleinbuergern und BILD-Lesern abzugrenzen, anfreunden koennen. Die biologistischen stereotypen Betrachtungen wiederum etwa eines nothings zum Kontext von über Monogamie hinausgehender Sexualitaet und Liebe, menschlichen Zusammeseins, das Bild von der treusorgenden von Natur aus monogamen Mutter und dem des testosteron-geleiteten Mannes, sind hochgradig archaisch, patriarchisch, unwahr. Monogamie und Frauenunterdrueckung sind in den Gesellschaften der Gegenwart und Vergangheit immer parallel und synonym gegangen, der auf den herrschenden Mann konvergierende ‘Harem’ wiederum der Kleinbuerger-Killer jeder Debatte über die Moeglichkeiten freieren Zusammenseins, freierer Liebe.

    Es ist nach wie vor traurig zu sehen, wie aggressiv grosse Teile der Gesellschaft auf die Moeglichkeit, aufrichtig zu leben, reagieren und Julias Vorstoss deshalb so wertvoll wie man nur denken kann.