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Schluss mit der Leitkultur-Debatte!
2Bundestagspräsident Lammert hat gestern auf einem Symposium in Bonn gesagt, dass endlich eine Debatte über die Leitkultur stattfinden müsse. Ich frage mich: Warum eigentlich?
Der Begriff ‘Leitkultur’ ist gebranntes Kind, kaum jemand vermag diesen Begriff ohne den Zusatz ‘deutsch’ zu denken. Aus diesem Grunde bitte ich Norbert Lammert und seine ParteifreundInnen inständigst, es endlich zu unterlassen, wieder und wieder auf diesen Begriff zu rekurrieren.
Lammert sprach auch von ‘Parallelgesellschaften’. Richtig, solche existieren sehr wohl in unserem Land – keine Frage. Nur existierert diese Parallelität keineswegs zwischen Menschen unterschiedlicher Nationalitäten, sondern zwischen unterschiedlichen sozialen Schichten. Bei dem Begriff “Parallelgeselschaft” handelt es sich genauso wie bei dem Begriff der “Leitkultur” um ein Propagandawort, denn es konstruiert Grenzen, die ganz woanders verlaufen als von den Konservativen vorgetäuscht.
Die Differenzen bestehen nicht zwischen “deutsch” und “nicht deutsch” – sondern zwischen arm und reich. Und die CDU sorgt mit ihrer Politik überhaupt nicht dafür, dass diese Grenzen durchlässiger werden. Es gilt vielmehr, sich für eine durchlässigeres Bildungssystem einzusetzen, und für einen Spracherwerb für diejenigen, die die deutsche Sprache nicht beherrschen – ExpertInnen wissen übrigens: Das betrifft nicht nur die Kinder mit Migrationshintergrund! Die Mittel für die Sprachförderung will der zuständige Innenminister Schäuble im Übrigen nicht aufstocken, sondern vielmehr gar zusammenkürzen. Eine solche Politik der Spaltung schadet unserem Land!
Es ist mir schleierhaft, warum konservative PolitikerInnen wieder und wieder in die populistische Kiste greifen müssen, wenn es um das Zusammenleben von unterschiedlichen Menschen geht. Soziale Fragen sind bei diesem Diskurs wesentlich bedeutsamer als die Frage des Multikulturellen.
Ein differenzierter Blick tut not! Richtig ist: Unsere Gesellschaft braucht eine Kultur der Demokratie, der Menschenrechte und der Anerkennung von Unterschieden. Jedoch: Einen ‘Kampf der Kulturen’ daherzureden, das versuchen die Konservativen nicht erst seit den Debatten um die Rütli-Schule. Immer wieder fallen die Konservativen beißreflexartig in tendenziell rassistische Argumentationsmuster zurück – und in letzter Zeit wieder häufiger: Schäuble malte erst kürzlich das Bild des von Schwarzen bedrohten Ariers, Stoiber und Pflüger forderten die Abschiebung von jugendlichen Krawall-MigrantInnen.
Die hausgemachten sozialen Probleme auf ‘Kultur-Differenzen’ zu schieben – zu kurz gesprungen! Einfache Antworten sind nicht immer die richtigen! Wer nicht in der Lage ist, soziale Probleme zu diskutieren, ohne einen ‘Kampf der Kulturen’ daherzureden, stellt sich auf eine Stufe mit den RechtspopulistInnen – das dürften moderne ChristdemokratInnen doch eigentlich nicht mehr nötig haben!
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2 Responses to “Schluss mit der Leitkultur-Debatte!”
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Christoph
Liebe Julia,
ganz so einfach ist es nicht. Es gibt nicht nur “arm und reich” und der Rest wird primitivmarxistisch auf einen Nebenwiderspruch reduziert.
Schon der Umstand, dass die islamische Welt im Schnitt weniger wohlhabend ist als die westliche, hat kulturelle Ursachen: religiöser Dogmatismus, Männerherrschaft, wissenschaftlicher Stillstand.
Und “Parallelgesellschaften” gibt es in Deutschland durchaus, nämlich dort, wo sich Ghettos auf ethnischer Grundlage bilden, wo sich Leute von der Gesamtgesellschaft systematisch abschotten und sich absichtlich so als Fremdkörper verhalten wie Deutsche im Urlaub.
Vermischung statt Separierung ist die Lösung und dann sind diejenigen, die sich ihre Zwangsehefrauen per Katalog aus Anatolien herbeifliegen lassen, ein Teil des Problems.Du hast zwar recht, Julia, dass oft versucht wird, die Arm-und-Reich-Problematik zu verschleiern.
Andererseits wird auch – gerade von grüner Seite – leider immer wieder versucht, die kulturelle Problematik zu verharmlosen.Kein Gerede von ‘deutscher’ Leitkultur sollte dabei im Vordergrund stehen, sondern das entschiedene tätige Bekenntis zu universellen Werten wie Freiheit und Demokratie.
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Zeitrafferin
Nun Christoph,
endlich dein Kommentar! das war ja endlich Zeit,ich fände es wirklich toll, wenn sich alle Menschen Werte wie Freiheit, Demokratie und dann noch Gleichberechtigung (z.B. von Mann und Frau) leben würden. In den Kreisen von CDU und SPD ist das bei weitem nicht selbstverständlich!