Julia Seeliger
  • Im Spunk: “Brot und Freiheit”

    5
    5. May 2008 | Trackback | Internet ausdrucken
    scissors

    Zusammen mit Michi Kömm habe ich kurzfristig für den aktuellen Spunk (Thema: “Eigentum”) einen Artikel zu Landreformen geschrieben. Dem Spunk, der Zeitung der Grünen Jugend war ein Autor abhanden gekommen – Michi und ich mussten kurzfristig einspingen.

    Zu diesem Artikel hatte ich einen Rechercheaufruf in diesem Blog gestartet. Danke vor allem auch an Micha Schmitt, den Sprecher der BAG Nord-Süd, fürs kurzfristige inhaltliche Gegenlesen sowie Maximilian Pichl für selbiges und für den Geistesblitz “Brot und Freiheit”.

    Brot und Freiheit

    „Das Eigentum an Grund und Boden, diese ursprüngliche Quelle allen Reichtums, ist das große Problem geworden, von dessen Lösung die Zukunft der Arbeiterklasse abhängt.” In seiner Schrift „Über die Nationalisierung des Bodens” sprach Marx vor fast 150 Jahren ein Problem an, das heute so aktuell ist wie damals. Julia Seeliger und Michael Kömm haben sich mit dem Eigentum an Boden, der Landlosenbewegung und Lösungsansätzen beschäftigt.

    “Agrarreformen sind eine menschenrechtliche Staatenpflicht, die sich aus dem Menschenrecht auf Nahrung ableiten lässt”, erklärt Sofía Monsalve, Koordinatorin der internationalen Landreformkampagne “Brot, Land und Freiheit”, die von FIAN, einer anerkannten internationalen NGO für das Menschenrecht auf Nahrung und von „La Vía Campesina” getragen wird. Das „Menschenrecht auf Nahrung” verpflichte die Regierungen völkerrechtlich, den Landlosen Zugang zu Land, Saatgut, Wasser und anderen produktiven Ressourcen zu verschaffen, um deren Ernährungssicherheit zu gewährleisten. 70 Prozent der hungernden Menschen weltweit leben dort, wo eigentlich genug Nahrung vorhanden sein müsste – auf dem Land.

    Landreformen lindern Hunger

    Die Landlosen bilden weltweit den Großteil der Unterernährten. Deswegen fordern NGOs, aber auch die Weltbank Landreformen. Landreformen haben das Ziel, Grund und Boden solidarisch zu verteilen. Grundbesitzverhältnisse sind historisch gewachsen und wurzeln meist in der Kolonialzeit. Wenigen GroßgrundbesitzerInnen steht eine große Zahl von Menschen gegenüber, die kein oder nur sehr wenig Land besitzen. Viele der Landlosen arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen auf dem Land der GroßgrundbesitzerInnen. Arbeit ohne Rechte: Arbeitsverträge oder Gewerkschaften gibt es so gut wie nirgends. Wer sich wehrt, wird gewaltsam vertrieben.

    Diesen Zustand der Rechtlosigkeit wollen zivilgesellschaftliche Gruppen, aber auch die Weltbank beenden. Die Weltbank entwickelte die Idee so genannter „marktgestützter Agrarreformen” – Grundprinzip ist “willing buyer – willing seller”. Nur diejenigen, die ihr Land loswerden wollen, sollen dies zum aktuellen Marktpreis an landlose Bauen abgeben. Rein freiwillig – auf Enteignungen wird verzichtet. Mittel für den Kauf von Land erhalten die Landlosen über Kredite und Subventionen.

    Strategie der Weltbank

    Doch die Auswirkungen der “willing buyer – willing seller”-Strategie sind mager. Sehr wenig Land ging in den Besitz von Landlosen über, auch waren die übertragenen Ländereien, so Armin Paasch von FIAN, überwiegend von schlechter Qualität und in marginaler Lage. In Südafrika, wo die Landreform weitgehend den Empfehlungen der Weltbank folgte, wurden in einer Testphase von 1995 bis 1999 weniger als zwei Prozent der ursprünglich anvisierten 29 Millionen Hektar Land umverteilt. In Kolumbien und Brasilien wurden vielfach überhöhte Preise registriert. „Die in das Projekt aufgenommenen Familien werden nicht nur arm bleiben, sondern darüber hinaus ihre Kredite nicht zurückzahlen können”, schlussfolgerte Sergio Sauer, der die Landreformen in einer Studie begleitete. Den Neu-LandbesitzerInnen drohe der Verlust ihrer Scholle und noch mehr Armut und Hunger. Verantwortlich für das Scheitern der Weltbank-Strategie sind auch Demokratiedefizite, sprich Korruption: Die lokalen Behörden in Brasilien zum Beispiel organisierten keinen (basis)demokratischen Prozess unter Einbeziehung aller Beteiligten, sondern nahmen einseitig Partei für die GroßgrundbesitzerInnen, so der Entwicklungssoziologe Saturnino Borras. Sogar die Weltbank selbst veröffentlichte auf ihrer Webseite Kritik am Konzept der „marktgestützten Agrarreformen”. Daher braucht es andere, menschenrechtsbasierte Mechanismen der Umverteilung von Land.

    „Recht auf Nahrung” als internationales Menschenrecht

    NGOs wie FIAN und die progressive Politik setzen sich dafür ein, dass das „Recht auf Nahrung” als internationales Menschenrecht mit universeller Gültigkeit anerkannt wird. Dieses Recht muss von den Regierungen auch durchgesetzt werden, in der Verantwortung sind somit die Staaten und die lokalen Regierungen. Nicht zuletzt postuliert FIAN „extraterritoriale Staatenpflichten”, das bedeutet: Wenn eine Verantwortung bundesdeutscher Akteur/innen – das kann der Staat sein, genauso auch Firmen – nachgewiesen werden kann, dann sollte auch die Bundesrepublik Deutschland für die Verletzung sozialer Menschenrechte in anderen Ländern verantwortlich gemacht werden können. Aus extraterritorialen Staatenpflichten würde sich ableiten lassen, dass die BRD endlich das 0,7%-Ziel der Entwicklungshilfe erfüllen und sich bei den internationalen Finanzorganisationen für die wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte einsetzen muss. Internationale Solidarität nachhaltig durchsetzen – damit wäre auch der olle Marx zufrieden gewesen.


    Einsortiert: grüne jugend, kapital
    Verschlagwortet: ,

  • auch noch zum Thema




5 Responses to “Im Spunk: “Brot und Freiheit””

  1. Danke fürs Danke sagen ; )

  2. Na klar!

    Aber wo ist dein Blog?

  3. Wie, wo ist mein Blog?

    Hier: http://anhaltspunkt.wordpress.com/ ; )

  4. Hallo,

    Gut geschrieben, muss ich sagen.
    Schöne Einführung in die Thematik, auch wenn man die Weltbank vielleicht etwas kürzer und Alternativen dazu vielleicht etwas länger hätte abhandeln können.

    Nur ein bößer Fauxpas ist schon drin:
    Der letzte Satz “damit wäre auch der olle Marx zufrieden gewesen” geht mal gar nicht – der Tonfall ist egal, jedoch dokumentiert er im Kontext schlicht die Unkenntnis seiner Kapitalismuskritik. Was umso grotesker erscheint, da ihr mit ihm den Artikel einleitet …

    lg
    feedback

  5. Ah, danke!