Julia Seeliger
  • Gewaltbotschafter Bushido

    12
    12. August 2007 | Trackback | Internet ausdrucken
    scissors

    Nicht ganz nachvollziehen kann ich die jüngsten Bemerkungen meines eigentlich sonst geschätzten Kollegen Omid Nouripour: Omid verteidigte die Entscheidung der “Bravo”, Bushido zum Anti-Gewalt-Botschafter zu machen. In einem Tagesspiegel-Kommentar warnte Omid vor “blinder Zensur”. “Wenn wir unsere CD-Regale aufgeräumt haben, kommen dann die Filme dran? Danach die Bücher? Michelangelo Antonionis ‚Zabriskie Point’ ist natürlich auch ein Aufruf zur Gewalt, Charles Bukowskis Lebenswerk frauenfeindlich, die vierte Staffel der Fernsehserie ‚24’ kann als Hetze gegen die Minderheit der Muslime in den USA verstanden werden. Wollen wir das alles verbieten? Wo ist die Grenze zwischen der Freiheit der Kunst und Hetze?”

    Das kann ich genau sagen: Bei Texten wie „Berlin wird wieder hart, denn wir verkloppen jede Schwuchtel.“ oder “Guck mir zu, wie ich jeden deiner Homies erschieß” ist die Grenze für mich schon erreicht. Und die Textzeile „Ihr Tunten werdet vergast“, die erst auf öffentlichen Druck hin von seinem damaligen Label „Universal“ nicht veröffentlicht wurde, ist eindeutig jenseits jeglicher vorstellbaren Grauzone. Ideologisches Räsionieren über Zensur und Kunstfreiheit ist in diesem konkreten Fall völlig fehl am Platz. Ein solcher Typ kann nicht Anti-Gewalt-Botschafter sein – das ist ja wohl glasklar!

    Hintergrund:


    Einsortiert: antifa, die grünen, gender, musik
    Verschlagwortet:

  • auch noch zum Thema




12 Responses to “Gewaltbotschafter Bushido”

  1. Wenn Bushido als Antigewalbotschafter auftritt ist das erst einmal unglaubwürdig. Und dann doch wieder auch wünschenswert. Dies ist aber nicht unbedingt ein Punkt der sich auf die Person Bushido beschränkt, sondern zeigt ebenfalls an das wir ein ein gesamtgesellschaftliches Problem haben.
    Bushidos Texte haben zum Teil mehr mit der Realität zu tun als die BRAVO.

    Somit ist auch dieses schizoide Verhalten zu erklären. Ich nehme dem Menschen bushido durchaus ab dass er im medialen Upperground Antigewaltbotschafter sein will – bei seinen Texten bleibt aus seinem Milieu, zugleich seiner Zielgruppe, nichts anderes zu vermitteln als das was er vermittelt.

  2. […] Und schon wieder die Jule. Julia regt sich derzeit darüber auf, dass der Berliner Rapper “Bushido” Anti-Gewalt-Botschafter der BRAVO sein will. […]

  3. Omid hat Recht. Zensur ist auch Gewalt.
    Außerdem wird der Typ drastisch überbewertet, was seine Wirkungen angeht.

  4. Aber bitte.
    Niemand will Zensur.

    Es geht doch nur darum, daß jemand, der zur Gewalt gegen Schwule aufruft nicht bei einer Antigewaltveranstaltung auftreten sollte.
    Man sollte mal nur das Wort Schwuchtel gegen Jude austauschen.
    Ich glaube nicht, daß jemand, der schon mal die Vergasung von Juden aufgerufen hat bei so einer Sache auftreten dürfte.
    Und ich glaube noch weniger, daß sich Omid dann über Zensur beklagen würde.
    Aber Homophobie scheint ja immer noch, salonfähiger zu sein.

  5. Eins muss man der Bravo lassen, sie haben Sinn für Humor (ich hoffe doch, das ist ein Witz). Das ganze Image von Bushido ist Gewalt. Ihn zum Anti-Gewalt Botschafter zu machen ist ungefähr so als würde man den Pabst zum Anti-Aids-Aktivisten des Jahres, oder Jan Ulrich zum Anti-Doping-Botschafter küren. Das kann doch nur ein sehr intelligenter und subtiler Schritt Seitens der Bravo sein, um die präpotenten Gewaltallüren dieser Ludenrapper zu kritisieren und die Verlogenheit und Bigotterie des Hip-Hop-Geschäfts zu entlarven. Chapeau Bravo!

  6. naja, die frage waere, ob bushido in seiner funktion als anti-gewalt-botschafter nicht eben gerade wegen derlei geschichten geeigneter ist als viele andere …

    das sehe ich anders als julia. dass diverse texte ganz allgemein nicht akzeptabel sind, sehe ich genauso und zwar auch mit einem ernsteren hintergrund. es ist eben nicht so, das es in solchen faellen pauschal um “naja, jugendtrend, das gibt sich” geht, sondern sowohl in der hiphpszene in den usa, erst recht in jamaika mit reaggae, dancehall, aber auch in afrika zeigt sich, dass nach etwas etabliserung auch ganz konkrete gewalt folgt… es wurde mehr und mehr….

    derlei szenen sind NICHT einfach zu vergleichen mit bukowski, skandal-rockbands von dereinst usw…
    zu diesen wuerde ich sido zaehlen, aber viele andere nicht …

  7. 100% Zustimmung. Wie eindeutig muss ein Text denn bitte noch sein? Wenn dies hier unter “künstlerische Freiheit” fällt, wie manche behaupten, dann bedeutet das doch im Prinzip: Ich kann generell zu Mord und Gewalttaten an Minderheiten aufrufen – ich muss es halt nur als Rap oder Lied vortragen. Schon das für sich genommen finde ich eher bedenklich, obwohl die Kunstfreiheit natürlich ein hohes Gut ist. Andere haben im Internet schon darauf aufmerksam gemacht: Wenn es statt um Schwule um beliebige andere Minderheiten (Juden, Behinderte, usw.) ginge wäre der Aufstand groß. Gibt es Minderheit 2. Klasse auf denen man rumhacken kann? Hinzu kommt: Hier wurde gar keine Zensur gefordert, sondern lediglich, dass so jemand nicht als Gewaltbotschafter auftreten kann. Eigentlich doch eine Selbstverständlichkeit, oder?

  8. “kuenstlerischer ausdruck” ist sogar in der REGEL gelogen, denn zum einen ist eine inflationaere verwendung nich mehr kuenstlerisch (beim beat wird naemlich sehr wohl drauf geachtet etwas zu veraendern), zum anderen HABEN die meisten hiphopfans und akteure homophobe reaktionen wie z.b. in entsprechenden kontexten ueberbetontes beteuern, dass man nicht wirklich schwul sei, aggressionsreaktionen, wenn ihnen das ernsthaft jemand vorwirft und eben ALLE signale, die homophobe haben. es ist ist eben laengst abwertend …

    im grunde eine der vielen destruktiven effekte von kulturrelativismus …

  9. […] http://www.julia-seeliger.de/gewaltbotschafter-bushido/ (Gewaltbotschafter Bushido … ) […]

  10. Hi,

    ich hab ja den ganzen Schimpfwort-Rap auch lange Zeit ignoriert. Bis mir diesen Sommer klar wurde: Die Jung spielen Stereotypen, aeussern nur seltenst bei solchen Passagen ihre eigene Meinung, sondern eine Repraesentation der Meinung, mit der sie sich in ihrem jeweiligen Song auseinander setzen.

    Mein Tip: K.I.Z. aus Berlin. Doch schon sehr intelligent. Eigentlich studieren die vier Jungs, aber bei nem unangmeldeten OpenAir muss auch mal ne U-Bahn-Line gesperrt und die haerteste Berliner Polizeieinheit ran.

    Ich plaedier mal weiter auf Kunstfreiheit.

  11. .. dieser Diskurs ist typisch fuer den rechten Fluegel der Gruenen: ohne sich einen Moment darueber zu wundern, dass sich AUSGERECHNET die CDU, die FDP nun ja, dem Protest gegen die Betaetigung Bushidos als ‘Anti-Gewaltbotschfter’ anschliesst, dass man also lupenrein mit den Konservativen in einer etwas peinlichen ‘wir sind die guten Weissen’-Koalition agiert, ignoriert man auch, dass Bushido, wie hier schon gesagt wurde, Motive einer Szene aufgreift/ins extrem fuehrt, die ihre Wurzeln AUCH in der (vielleicht subjektiven und falschen) Wahrnehmung haben, die homosexuelle Szene in Deutschland rassifiziere Diskriminierungsfronten, und es laesst sich ja nicht bestreiten, dass zumindest bestimmte Publikationen innerhalb der (weissen) schwulen oder lesbischen Szene Berlins kulturalistische und/oder rassistische Gewaltzuschreibungen vornehmen. Das ganze ist kein einfaches Gebiet und einige Gruene machen es sich hier weitaus zu einfach.

  12. ..vielleicht auch das mal lesen um ueber den Gruenen mindset hinlaenglich im Bilde zu sein:

    http://blog.derbraunemob.info/2009/08/11/ein-grund-nicht-gruen-zu-waehlen/#comment-2866